Diese Karte erklärt die 8 Engpässe des Welthandels
Der Schiffstransport ist das Rückgrat unserer Weltwirtschaft. Woran es liegt, dass die globalen Handelsketten immer wieder ins Stocken geraten oder gar zusammenbrechen.
6 Tage lang blockierte das Containerschiff »Ever Given« im März 2021 den Suezkanal. Starke Winde und schlechte Sichtverhältnisse haben den Tonnenkoloss auf eine Sandbank auflaufen lassen. Hunderte Schiffe stauten sich hinter und vor der »Ever Given« in der knapp 200 Kilometer langen Wasserstraße zwischen Mittelmeer und Rotem Meer.
Die Containerschiffe hatten überlebenswichtige Güter wie Öl und Gas, Getreide und Mais an Bord, Textilien, Elektronik, Gartenmöbel – fast alles, was du dir vorstellen kannst. Bilder davon gingen um die Welt. Unternehmen und Industrie warteten auf ihre Bestellungen, um weiterarbeiten zu können. Selbst Monate nach dem Vorfall waren viele Lieferketten noch gestört.
Der Unfall demonstrierte der Welt, wie anfällig und fragil ihr vernetztes Wirtschaften ist, gleichzeitig aber auch, wie reibungslos und gut aufeinander abgestimmt der Welthandel normalerweise funktioniert. Solche Negativ-Meldungen sind vergleichsweise selten, bedenken wir, dass
Momentan ist der ägyptische Suezkanal wieder in den Nachrichten.
Auch der Panamakanal, der Mittelamerika durchschneidet, sorgt zurzeit für Sorgen und Schlagzeilen.
Der Panama- und der Suezkanal sind nur 2 von vielen maritimen Flaschenhälsen im Welthandel. Diese Wasserkanäle sind Orte, an denen sich wichtige Schiffsrouten bündeln und wo
Wer die Seerouten kennt, kann Meldungen über die verspätete Amazon-Bestellung und auch so manch geopolitische Krise besser einordnen.
Lerne in diesem Artikel 8 der wichtigsten Flaschenhälse der Schifffahrt kennen.
Die Autobahnen der Meere
Die Weltmeere sind riesig, demnach gibt es sehr viele Wege, die Schiffe nehmen könnten: »Doch die meisten Transporte werden nur auf ein paar Seewegen abgewickelt, wie schon seit Jahrhunderten«, sagt Jean-Paul Rodrigue. Der kanadische Wissenschaftler setzt sich seit rund 25 Jahren mit maritimen Transportsystemen und weltweiten Lieferketten auseinander. Er ist Professor an der Texas A&M University.
Die Seerouten, von denen er spricht, verbinden die europäischen, asiatischen und amerikanischen Wirtschaftsräume auf den schnellsten und sichersten Wegen miteinander – so wie Autobahnen. Dafür nutzen sie natürlich jegliche Abkürzungen.
Besonders viele Meerengen befinden sich in der Mittelmeer-Schwarzmeer-Region und zwischen Südostasien und Australien, wo es viele Inselgruppen gibt. Dies wird auch auf der Weltkarte ersichtlich, auf der Jean-Paul Rodrigue zudem die meistgenutzten Schifffahrtsrouten eingezeichnet hat.
Er sortiert sie in
Ein weiteres Risiko: Viele Engpässe befinden sich in der Nähe politisch instabiler Länder. Die reibungslose Nutzung wird daher immer wieder durch Piraterie beeinträchtigt.
8 Meerengen des Welthandels, die du kennen solltest
1. Straße von Malakka
Die Straße von Malakka ist das wohl wichtigste Nadelöhr der Welt. Das letzte »Made in China«-Produkt, das du gekauft hast, hat sicher auch die Meerenge zwischen Malaysia und der indonesischen Insel Sumatra passiert. Denn sie verbindet den europäischen mit dem asiatischen Handel.
Die Meeresstraße ist mit ihren 800 Kilometern die längste natürliche Meerenge der Welt. Sie zu durchqueren dauert rund 20 Stunden. Entlang der Küste befinden sich viele wichtige Handelsstädte. Singapur, am südlichen Ende der Straße von Malakka gelegen, ist einer der wichtigsten Häfen der Welt und ein bedeutendes Ölraffineriezentrum.
Die Meerenge von Malakka liegt in den Hoheitsgewässern von Indonesien, Malaysia und Singapur. Dem 1994 in Kraft getretenen Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen zufolge sind diese 3 Länder dafür verantwortlich, die Meerenge sicher und ihre Schiffsrouten durch Navigationsanweisungen, Bojen und Leuchttürme instand zu halten.
Den Verkehr auf der Straße von Malakka bedrohen vor allem die angespannten Beziehungen zwischen China und den USA.
China arbeitet deshalb daran, Alternativen zur Straße von Malakka aufzubauen, auch wenn diese wirtschaftlich weniger effizient sind, und unterstützt deshalb etwa Thailand.
2. Straße von Gibraltar
Die Straße von Gibraltar, die Südeuropa und Nordafrika verbindet, wird aufgrund ihrer Alternativlosigkeit auch als »Lebensader« der Mittelmeerschifffahrt bezeichnet. Die 64 Kilometer lange Meerenge zwischen Spanien und Marokko ist die einzige Passage zwischen Mittelmeer und Atlantik. Täglich wird sie von etwa 300 Schiffen passiert.
Obwohl die Meerenge zwischen Spanien und Marokko liegt, wird sie seit 1704 von Großbritannien kontrolliert. Der fast 7 Quadratkilometer große Felsen in Südspanien, der die Meerenge seitens Europas bildet, ist seit der Friedensschließung des
Auch die Straße von Gibraltar wird immer wieder zum Austragungsort politischer Gefechte: Während des Zweiten Weltkriegs blockierten die Briten Gibraltar, um italienischen und deutschen Mittelmeerflotten den Zugang zum Atlantik zu versperren. Bis heute nutzen die Briten Gibraltar als militärischen Stützpunkt.
3. Suezkanal
Der Suezkanal ist wohl den meisten wegen der großen Blockade durch das Containerschiff »Ever Given« im Jahr 2021 ein Begriff. Er ist einer der wichtigsten Kanäle für den europäischen Handel, denn er erspart Schiffen den rund 6.000 Kilometer langen Umweg um den afrikanischen Kontinent (nach Europa oder Asien). Dieser dauert rund eine Woche länger.
Bereits um das 13. Jahrhundert vor Christus sollen Menschen erstmals einen Kanal zwischen dem Nil-Delta und dem Roten Meer gegraben haben,
Der heutige Kanal wurde unter der Leitung des französischen Diplomaten Ferdinand de Lesseps gebaut und 1869 eröffnet. Mit seinen 193 Kilometern ist er der längste menschengemachte Schifffahrtskanal (ohne Schleusen).
Kurze Zeit nach Fertigstellung kaufte Großbritannien die Anteile an der Suezkanalgesellschaft und wurde ihr alleiniger Eigentümer. Nach dem Ende des Kolonialismus gingen die Eigentumsrechte des Kanals an Ägypten zurück. 1956 verstaatliche das Land den Kanal, das ihn bis heute verwaltet.
Ägypten kann ihn als alleiniger Inhaber ohne Zustimmung anderer Länder schließen – wegen Wartungen, Sicherheitsbedenken oder aus politischen Gründen. Eine willkürliche Schließung durch Ägypten würde jedoch nicht leichtfertig passieren, da Schiffsbetreiber – anders als bei natürlichen Engpässen – für das Durchqueren des Kanals bezahlen müssen. Das bringt Ägypten große Summen ein,
Der Kanal wird regelmäßig vertieft, damit noch größere Schiffe durchpassen, was aus Umweltsicht jedoch problematisch ist.
4. Bab al-Mandab
Bab al-Mandab ist eine natürliche Meerenge zwischen dem Horn von Afrika und der Südspitze der Arabischen Halbinsel. Sie bietet Schiffen, die von Asien und Australien kommen (oder aus dem Mittelmeerraum dorthin wollen) einen effizienten Zugang zum Suezkanal und ist deshalb genauso wichtig. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation schätzt, dass bis zu 1/4 des weltweiten Seeverkehrs über diese Route abgewickelt wird.
Im Westen grenzen die Länder Eritrea und Dschibuti an die Meerenge, Jemen im Osten. Wie auch der Suezkanal wurde die Meerenge in den letzten Monaten Ziel von jemenitischen Huthi-Rebellen, die mit Drohnen versuchen, Handelsschiffe zu blockieren und zu kapern.
Der Name Bab al-Mandab bedeutet übersetzt »Tour der Tränen« oder »Tor der Trauer«. Der Name kommt daher, dass die 50 Kilometer lange und bis zu 26 Kilometer enge Passage wegen Riffen, Winden, Strömungen und heutzutage auch Seeminen nicht leicht zu passieren ist – und darin einige Seeleute bereits gekentert sind.
Da durch die Meerenge große Mengen an Handel und Öl fließen, ist sie ein strategischer Punkt für Piraterie oder terroristische Angriffe. Mehrere Weltmächte, darunter die Vereinigten Staaten und China, haben große Militärstützpunkte nahe der Meerenge in Dschibuti.
5. Straße von Hormus
Die Straße von Hormus ist ein, wenn nicht sogar der wichtigste Flaschenhals für den globalen Ölhandel. Die Meerenge verbindet den Persischen Golf mit dem Golf von Oman und ist das wichtigste Bindeglied zwischen den ölproduzierenden Staaten (Irak, Dubai und Kuwait) und ihren Abnehmern in Asien, Amerika und Europa. Die angrenzenden Länder sind die Ölriesen Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Oman.
Zwar führen auch Pipelines und Lkw das Öl zu den Abnehmern, doch kein Transportweg ist so kostengünstig und wegen des großen Volumens letztlich auch so umweltfreundlich wie der Schiffsweg.
Dementsprechend heiß umkämpft ist die Straße von Hormus.
Wird die Straße von Hormus versperrt, leiden vor allem asiatische Länder wie Japan, deren Energieversorgung stark von der Zuverlässigkeit der Route abhängt.
Eine Blockade liegt seit einigen Monaten im Bereich des Möglichen, da das Mullah-Regime des Irans ein erklärter Gegner Israels ist und das Land vernichten möchte.
6. Die 3 Meerengen Dänemarks (Øresund)
Es gibt 3 dänische Meerengen zwischen Dänemark und Schweden, die die Nord- und Ostsee verbinden: der 115 Kilometer lange Øresund (Öresund) zwischen Kopenhagen und Malmö sowie der Große und der Kleine Belt, die beide kürzer sind. Zusammen bilden sie die einzigen Wasserkanäle, welche Russland sowie den baltischen Staaten, Polen und Ostdeutschland den Zugang zum internationalen Seeverkehr ermöglichen.
Besonders wichtig ist der Flaschenhals
Politiker:innen suchen rechtliche »Schlupflöcher«, um russische Schiffe dennoch an der Meerenge aus dem Verkehr zu ziehen, zum Beispiel, wenn ältere Modelle nachweislich eine Gefahr für Menschen oder die Umwelt darstellen.
Russland braucht deshalb Alternativwege, um seine Teilnahme am internationalen Handel sicherer zu gestalten. Einen wichtigen Zugang bildet das Schwarze Meer. Das ist auch einer der Gründe, wieso Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte und die Ukraine angreift, um mehr Macht im Schwarzmeerraum zu erlangen. Russland spekuliert zudem auf das Abschmelzen der Arktis, welches neue Handelswege für das Land eröffnen würde.
7. Bosporus
Der 30 Kilometer lange Bosporus trennt die türkische Hauptstadt Istanbul in einen europäischen und einen asiatischen Teil. An ihrer engsten Stelle ist die Meerenge nur einen Kilometer breit. Zusammen mit einer weiteren türkischen Meerenge, den Dardanellen, bildet der Bosporus die einzige Verbindung vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer.
In den vergangenen Jahrzehnten ist die strategische Bedeutung des Bosporus nach Einschätzung von Jean-Paul Rodrigue stark gewachsen, vor allem nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991. Denn die Ukraine, die auf den Bosporus angewiesen sei, habe sich seitdem zu einem wichtigen Exporteur von Getreide (Sonnenblumen, Mais und Weizen) und Eisenerz entwickelt. Auch gebe es viele Ölreserven rund um das Kaspische Meer, die ausgebeutet und durch den Bosporus transportiert würden.
Jährlich passieren etwa 50.000 Schiffe die Passage. Laut Rodrigue nähert sich der Bosporus jedoch seinem Limit.
Die Türkei kontrolliert den Bosporus und kann diesen in Kriegszeiten auch blockieren. In Friedenszeiten muss sie die Passage aber für alle Handelsschiffe offenhalten und ihnen freie Durchfahrt ohne Inspektion gewähren.
8. Panamakanal
Der Panamakanal ist zusammen mit dem Suez-Kanal eine der bekanntesten Wasserstraßen. Wahrscheinlich weil beide vom Menschen geschaffene Wasserwege sind. Der 82 Kilometer lange Kanal verläuft einmal quer durch Mittelamerika und durchschneidet Panama. Damit schafft er eine direkte Verbindung zwischen dem Atlantik und dem Pazifik, ohne dass Schiffe um Südamerika herumfahren müssen.
Das erspart den Frachtern rund 15.000 Kilometer Seeweg und bis zu 3 Wochen Fahrzeit. Das ist vor allem auch für die USA von Vorteil, da ihre Schiffe so schneller von der eigenen West- zur eigenen Ostküste kommen.
Das Interesse an einer kurzen Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik begann mit der europäischen Erkundung Mittelamerikas zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Die Spanier vermaßen die Region Panama, um einen Kanal zu bauen, aber das Projekt kam nie zustande. Durch den Goldrausch im 19. Jahrhundert wurde das Interesse einer schnelleren Verbindung der USA geweckt. 1878 sollte es dann so weit sein:
Nicht richtig kalkuliert hatte de Lesseps jedoch die Kosten und das andere Klima. Viele europäische Arbeitende starben an Tropenkrankheiten,
In den vergangenen Jahren wurde der Kanal häufiger kostspielig erneuert und für größere Schiffe ausgebaut. Seine wohl größte Herausforderung ist die Wasserversorgung, welche mit der Erderhitzung komplizierter werden kann.
Wie werden sich die Meerengen des Welthandels verändern? Ein Ausblick
»Die Handelsrouten und Engpässe, die wir heutzutage nutzen, sind seit Jahrhunderten anerkannt. Sie haben sich kaum verändert – und werden es auch nicht merklich in der Zukunft«, sagt Jean-Paul Rodrigue. Selbst wenn neue Wirtschaftsstandorte oder Produktionsströme auftauchen, würde das die wichtigsten Seewege nicht großartig umsortieren. Den stärksten Einfluss haben seiner Meinung nach geopolitische Ereignisse, die nur schwer vorherzusehen sind.
2 Trends, die in der Transportbranche gerne diskutiert werden und bekannte Schiffswege ändern sollen, betrachtet der Transportgeograf skeptisch:
- Größer werdende Containerschiffe: Die größten Frachtschiffe der Welt sind alle rund 400 Meter lang und können inzwischen
Es gibt jedoch praktische Probleme: Die großen Frachter können viele der Nadelöhre der kürzesten Handelsrouten gar nicht befahren, da sie schlichtweg zu groß, schwer und ungelenkig sind. »Große Schiffe müssen lange Umwege auf sich nehmen, was auch nicht unbedingt umweltfreundlich ist. - Neue Handelsrouten, sobald das Eis der Arktis schmilzt: Darauf spekuliert Russland, denn das Land hat am meisten Küstenlänge, die an das Nordpolarmeer grenzt. »Ich weiß nicht, wieso die Medien und manche Schifffahrtsunternehmen diese Option überhaupt diskutieren«, sagt Rodrigue. Die Küste Russlands habe keine spannenden Häfen, an denen zwischengestoppt werden könne, um Handel zu betreiben. Außerdem seien die Gewässer noch recht gefährlich und unerforscht.
»Selbst wenn das Meer das ganze Jahr eisfrei sein wird, wird die polare Schifffahrt die geringste Sorge sein. In einem solchen Szenario wären die
Also ist die hier vorgestellte Karte im Grunde vorerst zeitlos. Ein Blick darauf kann dir auch in Zukunft dabei helfen, Meldungen rund um Lieferengpässe, geopolitische Unruhen und feststeckende Schiffe besser zu verstehen.
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