Putin zerstört ukrainische Dörfer. Diese Leute bauen sie wieder auf
Unser Gastautor war in einem ukrainischen Dorf zu Besuch, das von den russischen Besatzern befreit wurde. Dabei hat er erstaunliche Menschen getroffen.
Bei 35 Grad Hitze im Dorf Lukaschiwka in der Oblast Tschernihiw im Nordosten der Ukraine arbeitet eine Gruppe Freiwilliger an einem »Kasten« aus Ziegeln, der sich bis zum Winter in ein Haus verwandeln soll. Das zerstörte Haus der hiesigen Verkäuferin Nina, die derzeit mit ihren Kindern im Haus eines Nachbarn wohnt,
Die Einsätze werden von der
»Letzten Sommer war die Stimmung in Kyjiw ein wenig deprimierend, nichts funktionierte, die meisten meiner Freunde waren weg«, erinnert sich Bohdan. »Ich hatte die Möglichkeit, nach Lukaschiwka zu gehen und dort zu helfen. Ich wollte nicht stillsitzen, denn nicht jeder kann sich freiwillig zur Front melden. Und hier gab es Arbeit. Das Wichtigste für uns ist, den Menschen zu zeigen, dass sich die Freiwilligenarbeit lohnt. Wenn wir uns zusammenschließen, schaffen wir wichtige Dinge: Trümmer beseitigen, ein Haus bauen.«
Wer beim Bau in Lukaschiwka mitmachen will, muss weder besondere Kenntnisse noch besondere Fähigkeiten mitbringen. Laut den Organisator*innen »muss man nur gesund sein, um mehrere Tage lang arbeiten und Ziegelsteine schleppen zu können«.
Eine Reihe von internationalen Organisationen (USAID, undp, Help Ukraine, Libereco, PAH) unterstützen Repair.together mit Geld. Im Jahr 2022 gelang es ihnen, 200.000 Dollar [knapp 190.000 Euro, Anm. d. Red.] zu sammeln. Mit diesen Mitteln kaufte die Initiative die notwendige Ausrüstung sowie das entsprechende Material, baute sieben Häuser und renovierte 19 weitere.
Nach jedem Arbeitstag gibt es für die
Eines der zerstörten Häuser, das schon beinahe fertig wiederaufgebaut ist, gehört Tamara Leonidiwna und Oleksij Oleksijowytsch. Damals, als der Beschuss begann, versteckte sich das Ehepaar mit den Enkelkindern im Keller. »Im März gab es drei Volltreffer. Als die Hälfte des Hauses weg war und der Keller wackelte, zogen wir zu unseren Nachbarn auf die andere Straßenseite um«, erinnert sich Tamara Leonidiwna. Sie gibt zu: Sie habe nicht geglaubt, dass man ihr Haus wiederaufbauen würde. »Wir hatten ein großes Haus, aus Ziegeln und Holz. Alles ist niedergebrannt. Wir hatten alles selbst gebaut, alles dort selbst gemacht. Wir wollten hier auf unsere alten Tage leben«, klagt die Frau.
Doch eines Tages ist eine Gruppe von »diesen Kindern«, wie Tamara die Freiwilligen nennt, gekommen und hat die Trümmer des zerstörten Gebäudes weggeräumt. »Sie haben uns geholfen, zwei Wochen später sind sie wiedergekommen und haben Messungen vorgenommen. Ich habe gefragt: ›Was habt ihr vor?‹ Und sie antworteten: ›Wir werden Ihnen ein Haus bauen.‹ ›Wie denn? Wir haben doch kein Geld‹, sagte ich. Wir glaubten es nicht, aber sie machten sich an die Arbeit. Und nun sehen Sie: Es gibt schon Wände, das sieht schon wie ein Haus aus«, sagt Tamara Leonidiwna.
Als Zeichen ihrer Dankbarkeit bereitet die Frau den Bauarbeiter*innen Essen zu und sie bemitleidet sie darum, bei einer solchen Hitze arbeiten zu müssen. Sie erzählt, dass in Lukaschiwka mehr als 30 Häuser nach Beschuss niedergebrannt sind. Dass viele der zerstörten Häuser von ihren Besitzern als Sommerhäuser genutzt wurden, verhinderte viele menschliche Verluste, da zum Zeitpunkt des Beschusses niemand dort war. Aber es gab auch Todesopfer. Ein älteres Ehepaar in einer Nachbarstraße ist während des Beschusses an Herzinfarkten gestorben.
Auch das Haus von Olha Iwaniwna wurde Anfang März 2022 beschossen und brannte ab. Zu dem Zeitpunkt der Einschläge hatte sich die Frau im Keller versteckt. Als die Freiwilligen in Lukaschiwka eintrafen, bat sie sie, bei der Beseitigung der Trümmer zu helfen. »Ich hätte aber nie erwartet, dass es so weit kommen würde. Das neue Haus gefällt mir wirklich gut. Ich habe allen Freiwilligen bereits gesagt, dass ich bereit bin, vor jedem von ihnen niederzuknien und ihnen für ihre Arbeit zu danken«, fügt sie hinzu.
Einer der Freiwilligen mit Erfahrung im Bauwesen ist Pawlo. Zuvor arbeitete er für eine internationale Organisation und baute auch Unterkünfte für Binnenvertriebene aus den besetzten Gebieten der Ukraine. Zunächst kam Pawlo wie alle anderen nur an Wochenenden zu Aufräumarbeiten nach Lukaschiwka. Als er einen Monat freihatte, beschloss er, ihn hier zu verbringen. »Ich möchte mich einfach daran beteiligen, ich möchte helfen«, erklärt er. Er versichert: Die Arbeit sei zwar hart und erfordere gewisse Kenntnisse und Fähigkeiten, aber jede*r könne sie lernen, wenn man nur wolle.
Darja, eine Büromanagerin aus Tschernihiw, sagt, sie komme zum Freiwilligeneinsatz vor allem ihrer selbst wegen. Sie habe vorher nie mit Bauarbeiten zu tun gehabt. Jetzt habe sie gelernt, Wände zu mauern, mit Hammer, Wasserwaage und Spachteln umzugehen. »Diese Arbeit gibt mir nicht nur das Gefühl, nützlich zu sein, sondern zeigt auch, dass alles wieder aufgebaut werden kann. Wir sahen die Schrecken, die die Besatzung in allen Städten hinterlassen hatte. Für mich ist es wertvoll, am Wiederaufbau mitzuwirken. Es ist wichtig, zu wissen, dass es möglich ist, alles in einen besseren Zustand zu versetzen als vor der russischen Besatzung«, sagt sie.
Ein weiterer Freiwilliger, der sich für den Wiederaufbau des ukrainischen Dorfes einsetzt, ist der Ire Owen. Ende Juni 2023 packte er sein Werkzeug in einen alten Jeep, überquerte das Meer nach Frankreich und reiste dann über Belgien, Luxemburg, Deutschland und Polen in die Ukraine. »Ich bin ein professioneller Bauunternehmer. Ich weiß, dass ukrainische Männer, die normalerweise auf dem Bau arbeiten, jetzt ihre Arbeit an der Front leisten. Ich hatte die Möglichkeit, zu kommen und zu helfen, und ich hatte das Gefühl, dass ich der Ukraine nützlich sein kann«, erklärt Owen seinen Aufenthalt in Lukaschiwka.
Er fügt hinzu, dass die Freiwilligen auf der Baustelle sehr fleißig seien. »Wenn ich in Dublin arbeite, bezahle ich Leute dafür, dass sie etwas bauen. Einige von ihnen wollen nicht arbeiten. Hier in Lukaschiwka will jeder, sobald er aufwacht, etwas tun, etwas lernen, ist sehr aufmerksam und voll bei der Sache. Das sieht man auf einer kommerziellen Baustelle nicht«, sagt Owen. Er plant, bis Mitte Oktober in der Ukraine zu bleiben. Bis dahin wollen die Freiwilligen 15 Wohnhäuser für die »Ausgebrannten« aus den umliegenden Dörfern errichten. »Wir werden die Häuser mit Dächern versehen, Fenster und Türen einbauen, sie für den Winter vorbereiten und provisorische Küchen einrichten«, erklärt Owen. »Aber die Menschen werden in diese Häuser einziehen, auch wenn es nur ein Kasten ist, weil sie zurzeit in den Schuppen ihrer Gärten leben.«
Einer der Koordinatoren des Projekts Repair.together, der Schauspieler Volodymyr, sagt, die Freiwilligenarbeit sei ein normaler Bestandteil des Alltags eines jeden Menschen, nicht nur in Kriegszeiten. »Die Menschen brauchen immer Hilfe und Unterstützung. Und wenn man diese Unterstützung bekommt, ist es viel einfacher, Probleme zu lösen.«
Dieser Text ist zuerst bei unserem Kooperationspartner JÁDU erschienen, dem deutsch-tschechisch-slowakisch-ukrainischen Onlinemagazin des Goethe-Instituts – als Teil des von der EU kofinanzierten Projektes Perspectives.
Übersetzung aus dem Ukrainischen: Olha Sydor
Titelbild: Oleg Tan - copyright