Ein Kontinent made in China?
Warum sich Afrika für chinesische Straßen und Gleise begeistert und deutsche Ingenieurskunst wenig gefragt ist.
Wer auch immer in Ghana, Nigeria oder Ruanda mit dem Ausrollen von roten Teppichen beauftragt ist, hat ein paar anstrengende Monate hinter sich. Angela Merkel,
Und während vor einigen Jahren vielleicht noch Waisenhäuser und Nationalparks im Mittelpunkt solcher Staatsbesuche gestanden hätten, geht es in Zeiten von Handelskrieg und Brexit vor allem ums Geschäft. Der Zugang zu Rohstoffen, die Abwehr von Geflüchteten, die Erschließung neuer Märkte oder die Bekämpfung von Terrorismus: Afrikanische Länder sind von unbequemen Problemfällen zu heiß begehrten Partnern geworden.
Das trifft sich aus afrikanischer Sicht gut, denn der Kontinent kann in vielen Bereichen Unterstützung von außen gebrauchen. Vielleicht am wichtigsten, zumindest aus wirtschaftlicher Sicht: Für den Ausbau von Straßen, Bahnlinien, Häfen, Internet, Stromnetz und anderen Infrastrukturelementen benötigen afrikanische Regierungen sehr schnell gewaltige Summen fremdes Geld.
Alte gegen neue Kolonialherren?
Als ich an einem regnerischen Donnerstagmorgen im Juli 2017 am neuen Fernbahnhof von Nairobi stehe, ist der rote Teppich schon wieder eingerollt. Pünktlich zum Auftakt des Wahlkampfs im Mai hatte der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta die neue Bahnstrecke zur Hafenstadt Mombasa eingeweiht, das teuerste Infrastrukturprojekt des Landes seit der Unabhängigkeit.
Woher die etwa 3,1 Milliarden Euro für 485 Kilometer Schiene und 9 Bahnhöfe gekommen sind, ist offensichtlich: Das Personal, das den Passagieren den Weg zum richtigen Wagon weist und bei der Ausfahrt des Zuges auf dem Bahnsteig Haltung annimmt, ist durchweg chinesisch. Das gesamte Projekt wurde zu 90% von der staatlichen »Exim Bank of China« finanziert und schlüsselfertig von der ebenfalls staatlichen »China Road and Bridge Corporation« gebaut und mit Zügen ausgestattet.
»Es ist wichtig, dass afrikanische Regierungen die Bedingungen dieser Abkommen vorsichtig abwägen, um ihre Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Wenn sie einen Kredit nicht zurückzahlen können, könnte das Land die Kontrolle über seine eigene Infrastruktur und Ressourcen verlieren«, sagte Rex Tillerson, damaliger Außenminister der USA, bei einer Afrikareise Anfang 2018.
Chinas Regierung sieht das natürlich ein wenig anders. »China folgt den Prinzipien der Aufrichtigkeit, der echten Ergebnisse, der Freundschaft und des guten Glaubens sowie dem Prinzip des Strebens nach dem öffentlichen Wohl und gemeinsamen Interessen«, versprach der chinesische Präsident Xi Jinping den versammelten afrikanischen Regierungschefs beim
Wer ist also der bessere Partner für Afrika, die alten Kolonialmächte oder die angebliche neue Kolonialmacht? Um das zu beantworten und vielleicht auch etwas von der chinesischen Afrikapolitik zu lernen, muss man eine Perspektive einnehmen, die westlichen Politikern und Medien eher fremd ist: die afrikanische.
Was afrikanische Staaten an China mögen
Um eines vorweg zu nehmen: Afrika ist nicht gleich Afrika. Viele der 54 Länder könnten unterschiedlicher nicht sein und auch bei ihren Regierungen ist vom
Das Thema »Infrastruktur« ist aber für alle wichtig: Für die einen ist sie die Grundlage ihrer Armutsbekämpfungsstrategie, für die anderen notwendig, damit sich die Massen nicht wegen ständiger Stromausfälle auflehnen oder Rohstoffe exportiert werden können. Und kein Land kann es sich leisten, jahrzehntelang eigenes Geld für eine Autobahn oder einen Flughafen zu sparen. Es muss schnell gehen – deshalb kommen häufig ausländische Kreditgeber und Baufirmen zum Zug.
Der größte Teil der Infrastruktur, die Afrika heute hat, wurde mit der Unterstützung der chinesischen Regierung gebaut und die Chinesen sind darin sehr erfahren und gut geworden.
Hier kann China richtig punkten: Mit Staatskassen, die durch den Handel mit den USA und Europa gut gefüllt sind, und Staatsunternehmen, die im eigenen Land Millionen Kilometer Straßen, Schienen und Hunderte Kraftwerke errichtet haben, bietet China das komplette Paket. So werden zum Beispiel beim Bahnprojekt in Kenia Finanzierung und Baudurchführung zusammen angeboten. Auch wenn das Geld dann zu einem großen Teil in China bleibt: Chinesische Baufirmen sind meist schlicht billiger als ihre Konkurrenz aus dem Westen. Und anders als die afrikanischen Staatskonzerne halten sie sich meist an das Budget und die Zeitvorgaben.
»Wir haben festgestellt, dass chinesische Kredite verhältnismäßig geringe Zinsen und lange Rückzahlperioden haben. 70% der ausgezahlten Kredite wurden in Strom- und Transportinfrastruktur investiert«, sagt Deborah Bräutigam, Direktorin der China Africa Research Initiative an der Johns Hopkins University und Autorin mehrerer Bücher über sinoafrikanische Beziehungen.
Attraktiv ist die Kooperation mit China aber nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. Anders als westliche Geldgeber macht China afrikanischen Regierungen keinerlei politische Vorgaben. Weder Demokratisierung, wie sie die EU und die USA gern verlangen, noch Liberalisierung, wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank sie fordern, wird von China verlangt. Einzig diplomatische Beziehungen
Wie sehr sich dieses Arrangement für afrikanische Staaten lohnen kann, zeigen die Beispiele Südafrika und Äthiopien:
Mal eben den wirtschaftlichen Stimulus finanziert
Südafrika, die
Gut 21 Milliarden Euro wird China Südafrika in den nächsten Jahren in Form günstiger Kredite zur Verfügung stellen. Die Summe entspricht fast 10% von Südafrikas jährlicher Wirtschaftsleistung und ist versprochen worden, bevor Südafrika überhaupt entschieden hat, für welche Projekte es die Finanzierung überhaupt gern hätte. Zum Vergleich: Deutschland hat im Jahr 2016 etwa 30 Milliarden Euro an
Südafrika gehört zu den neueren Partnern Chinas in Afrika. In den Jahren 2005–2014 erhielt das Land am Kap der guten Hoffnung
Äthiopien, im Osten des Kontinents, unterhält dagegen schon länger eine sehr intensive Beziehung zu China, das man dort lange auch als politisches Vorbild betrachtete. In den Jahren 2005–2014 erhielt Äthiopien, eines der ärmsten Länder Afrikas, insgesamt gut 21 Milliarden Euro Unterstützung von China, je zur Hälfte als Entwicklungshilfe und als Kredit. Bei einer Wirtschaftsleistung von knapp 50 Milliarden Euro im Jahr 2014 eine enorme Summe.
Und während sich die Effekte in Südafrika erst noch zeigen müssen, sind sie in Äthiopien offensichtlich. Da sind zum einen Prestigeprojekte wie das Hauptgebäude der
Die Angst vor der Schuldenkrise
Viele Schreckensgeschichten über das chinesische Engagement in Afrika sind inzwischen widerlegt. US-Außenminister Tillerson und andere westliche Kritiker bewegen sich mit ihren Warnungen nicht immer auf dem Boden der Tatsachen. Kredite werden von den Chinesen meist zu guten Konditionen vergeben. Auch wenn in vielen Fällen chinesische Arbeiter an den Projekten beteiligt sind, beschäftigen chinesisch finanzierte Infrastrukturprojekte in Afrika zu
Da ist vor allem das Schreckgespenst der Überschuldung. Äthiopien und Südafrika haben bisher eine recht verantwortliche Schuldenpolitik betrieben und sind davon nicht akut gefährdet. Andere Staaten sind in einer schlechteren Position, etwa Angola, das derzeit gut 1/3 aller staatlichen Einnahmen für die
Natürlich wird durch eine so hohe Schuldenlast ein Land in seiner demokratischen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Aber einerseits ist dies natürlich kein Problem, das nur bei chinesischen Krediten auftritt. Afrikas bislang letzte Schuldenkrise in den 1980er- und 1990er-Jahren wurde erst durch die unkontrollierte Kreditvergabe westlicher Geldgeber möglich. Und mit der Ausnahme weniger Länder ist China auch nicht der wichtigste Kreditgeber
Ohne China geht es nicht
Aus afrikanischer Sicht stellt sich die Wahl zwischen den »alten« und den »neuen« Kolonialherren nicht. Die fähigeren afrikanischen Politiker haben längst erkannt, dass sie von keiner Seite etwas geschenkt kriegen. Dass manch einer nach jahrzehntelanger Ausbeutung und Bevormundung Sympathien für die chinesische Rhetorik von Kooperation auf Augenhöhe und Nichteinmischung hat, kann man kaum jemandem verdenken.
Westlichen Politikern steht die Kritik am chinesischen Engagement dagegen nicht besonders gut. Der Eindruck des schlechten Verlierers drängt sich auf, auch weil weder Deutschland noch andere alte Industrienationen bereit oder fähig sind, ähnliche Summen wie China zusätzlich in den Kontinent zu investieren. Genau diese Finanzmittel braucht Afrika aber dringend, vor allem zum Schließen der Infrastrukturlücke.
Es stimmt, dass das chinesische Desinteresse an Demokratie und Menschenrechten für die politische und gesellschaftliche Entwicklung Afrikas nicht gerade förderlich ist. Die Antwort des Westens und damit Deutschlands sollte aber nicht in einer beleidigten Kritik liegen. Eine konsequente Afrikapolitik entlang moralisch-menschenrechtlicher Leitlinien würde auch in Afrika Eindruck machen und Ländern helfen, die mangels Rohstoffen oder einer aufstrebenden Mittelschicht nicht im Fokus Chinas stehen.
Doch wer sich die Agenda von Bundeskanzlerin Merkel während ihres letzten Afrikabesuchs ansieht, der merkt schnell: Um das Interesse afrikanischer Bürger, geschweige denn um Demokratie und Menschenrechte ging es hier nicht. Im Vordergrund stand vielmehr die Abwehr afrikanischer Geflüchteter. Aus afrikanischer Sicht ist das auch nicht besser oder schlechter als das Interesse Chinas an afrikanischen Rohstoffen und Märkten.
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