Meine ersten Gärtnerversuche waren nicht von Erfolg gekrönt. Im Kasten auf der Fensterbank keimte oft gar nichts. Einige Sämlinge verwelkten nach kurzer Zeit und andere wuchsen zwar heran, bildeten aber keine oder nur mickrige Fruchtansätze. Hatte ich etwas falsch gemacht? Oder stimmte etwas nicht mit den Samen, die ich fein säuberlich aus dem Supermarktgemüse herausgepult hatte?
Viele andere werden auf dem Weg zum eigenen Gemüsegarten ähnliche Enttäuschungen erlebt haben. Denn was vor 100 Jahren noch selbstverständlich gewesen wäre, nämlich Gemüse aus gesammelten Samen nachzuziehen, ist heute meist nicht mehr möglich. Der kommerzielle Gemüseanbau macht der Selbstversorgerromantik einen Strich durch die Rechnung. Warum?
Erstens werden Obst und Gemüse oft unreif geerntet, damit sie lange Transportwege überstehen. Die Samen sind dann noch nicht ausgereift und somit auch nicht keimfähig.
Zweitens werden häufig sogenannte Hybride angebaut. Durch die Kreuzung zweier verschiedener Sorten werden bei den Nachkommen besonders erreicht. Der Haken daran: Dieser positive Effekt hält genau eine Generation lang an – eine Nachzucht aus den Samen bringt nur kümmerliche Erträge.
Das ist nicht nur ärgerlich für ahnungslose Hobbygärtner, sondern auch für die Landwirte, die jede Saison neues Saatgut kaufen müssen. Gut ist es dagegen für diejenigen, die von Vermehrung und Verkauf des Saatguts leben – und sich auf diese Weise ihre Kundschaft erhalten. In der Regel sind das die großen Agrarkonzerne.
Dadurch entstehen Abhängigkeiten, aus denen Landwirte nicht so einfach ausbrechen können. Denn wenn einer von ihnen es schafft, aus gekauftem Saatgut etwas Brauchbares nachzuzüchten, drohen ihm deftige Geldstrafen. Das kommerziell vertriebene Saatgut unterliegt immer häufiger Sortenschutz- und Patentregeln, die eine Nachzucht einschränken oder verbieten.
Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Saatgut vor Privatisierung zu schützen. Um das zu erreichen, haben sich die Gründer etwas aus dem Softwarebereich abgeschaut: Die sogenannte Im Interview erklärt mir Gründer Johannes Kotschi, was das für die Zukunft von Landwirtschaft und Artenvielfalt bedeuten könnte.
Warum kann man überhaupt Patente auf Lebensformen wie Pflanzen anwenden?
Johannes Kotschi:
Es gibt immer wieder Verhandlungen mit dem Europäischen Patentamt, und vor Kurzem ist auch wieder eine die diese Art von Patenten weitgehend untersagt. Es kommen aber trotzdem immer wieder Patente durch. Das Hauptmotiv der Konzerne: Durch die Patentierung von Erfindungen und Analyseverfahren an Pflanzen wird Saatgut zum Privateigentum.
Und dann können sie damit Profit erwirtschaften, logisch. Das hat aber auch Konsequenzen für den Landwirt: Wenn auf Saatgut ein Patent liegt, darf er nicht mehr alles damit machen. Was bedeutet das für ihn?
Johannes Kotschi:
Der Bauer kann dann nicht mehr einen Teil seiner Ernte als Saatgut für das kommende Jahr zurücklegen. Dadurch wird er von den Agrarkonzernen abhängig. Das kann problematisch werden, wenn die Saatgutpreise steigen – was tatsächlich stattfindet,
schränken heute die Möglichkeiten der kleinen Pflanzenzüchter deutlich ein. Je größer die Konzerne werden, desto mehr drücken sie mit ihrer Marktmacht die Kleinen an den Rand und zwingen sie zur Aufgabe.
Bisher gab es für die Landwirte keine Alternative zum privatisierten Saatgut, doch dann habt ihr die Open-Source-Lizenz ins Spiel gebracht. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Johannes Kotschi:
Ich hatte gerade ein Buch über gelesen, Und da habe ich gedacht, das wäre eigentlich etwas, was man auf Saatgut übertragen müsste. Es war der Silvesterabend, also ein Tag, an dem man ohnehin darüber nachdenkt, wie man weitermachen will …
Ich habe dann nach Mitstreitern gesucht und schließlich zusammen mit Juristen, Commons-Aktivisten, Züchtern und Saatgutfachleuten eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet. Wir haben mit ersten Studien angefangen und bald zeigte sich, dass vor uns bereits andere Leute über das Thema nachgedacht hatten. In den USA gab es eine Initiative von einem Pflanzenzüchter, der hatte das »Public License« genannt. Dann kam eines zum anderen, bis wir erarbeitet hatten und uns fragten: Was machen wir jetzt damit? Unsere Antwort: Ob so eine Lizenz wirklich eine realistische Strategie ist, kann man eigentlich nur herausfinden, wenn man es ausprobiert.
So funktioniert »OpenSourceSeeds«
Die OpenSourceSeeds-Lizenz soll den »Kleinen« helfen und verhindern, dass Bauern Saatgut nur noch von einigen wenigen Konzernen kaufen können. Aber wie funktioniert sie genau?
Isabella Aberle macht zurzeit ihren Master in Biodiversität und Naturschutz an der Universität Marburg. Sie war von Dezember 2017 bis Februar 2018 Praktikantin in der Redaktion von Perspective Daily.