Kann Bäumepflanzen wirklich das Klima retten?
Eine aktuelle Studie hat errechnet, dass genug neue Bäume den Klimawandel aufhalten könnten. Ganz so einfach ist es nicht – und doch sind Bäume unsere größte Hoffnung.
Der Klimawandel ist anstrengend. Ein düsteres Zukunftsszenario jagt das nächste, die tägliche Auseinandersetzung mit dem Klimakollaps deprimiert.
Der Wald und das Klima: Hoffnung und Schrecken
Wie nah Hoffnung und Schrecken beim Klimawandel beieinanderliegen können, hat in diesem Sommer das Thema Wald gezeigt. Erst präsentierte eine Züricher Hochschule eine Studie, die zeigt, wie mächtig Aufforstung im Kampf gegen den Klimawandel ist. Flächen so groß wie die USA und China könnten mit Bäumen bepflanzt werden, die so in den kommenden Jahrzehnten Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre absorbieren würden. Die Wissenschaft kennt wenige Maßnahmen, die einen auch nur ansatzweise
Kurz darauf
Das war im Frühsommer. Jetzt ist Spätsommer, und die Hoffnungsschimmer sind längst verlodert in den
Was bleibt, sind Fragen: Ist Aufforstung tatsächlich so vielversprechend, wie es die Züricher Studie suggeriert? Und wie ließe sich das Ganze nun in eine globale Aktion umsetzen?
Antworten finde ich bei 3 Männern, die sich mit Wäldern und dem Klima bestens auskennen.
Stefan Rahmstorf ist
Karsten Dunger arbeitet am Thünen-Institut, einem Forschungsinstitut des Bundes im Bereich »Waldressourcen und Klimaschutz«. Er untersucht, wie viel CO2 die deutschen Wälder speichern.
Felix Finkbeiner gründete schon als Kind mithilfe seines Vaters die Organisation Plant for the Planet, die Kinder auf der ganzen Welt dabei unterstützt, Bäume zu pflanzen. Bekanntheit erlangte Finkbeiner, als er als 10-Jähriger vor dem EU-Parlament und als 13-Jähriger vor der Generalsversammlung der Vereinten Nationen in New York über sein Projekt sprach.
Die Züricher Studie: Wie viel Land könnten wir wirklich zu Wald umwandeln?
Doch woher nehmen die Wissenschaftler diese Zahlen? »Die Studie basiert auf einem großen, relativ unumstrittenen Datensatz, den ich für sehr plausibel halte«, sagt Karsten Dunger. Dieser Satz von Satellitenbildern stammt von der Welternährungsorganisation in Rom und wurde für die Studie digital neu ausgewertet. »Ich bin mir jedoch nicht sicher, wie realistisch die Aufforstung auf manchen der Flächen tatsächlich ist.«
Was Karsten Dunger damit meint: Die Natur kommt nicht einfach in Kategorien wie »Wald« oder »kein Wald« daher; Boden ist nicht entweder »landwirtschaftlich genutzt« oder »nicht genutzt«. Die Natur kennt Tausende Facetten: Es gibt Wälder, die den Boden mit ihrem Laub- oder Nadeldach komplett abschirmen, andere bedecken vielleicht nur 50% oder 15% der Fläche. Viehweiden und Bewaldung müssen zudem kein Widerspruch sein, oft verbessern ein paar Bäume sogar die Bedingungen:
»Und das gilt nicht nur für Weideflächen, es gibt auch die Kombination aus Ackerbau und Wald, die sogenannte ›Agroforstwirtschaft‹«, sagt Karsten Dunger.
Die Frage ist: Kann ein Satellitenbild die Komplexität unserer Erde abbilden? Die Gewohnheiten und Bräuche, Konflikte und Kulturen der Hirten und Landwirte, die auf einem Stück Land leben und wirtschaften?
Die Macher der Studie versichern, sie hätten konservativ geschätzt; die Möglichkeiten der Agroforstwirtschaft etwa seien noch überhaupt nicht einberechnet. Stefan Rahmstorf schreibt dazu:
Dennoch dürfte es auf vielen dieser Flächen erhebliche Hindernisse ganz unterschiedlicher Art geben, die aus der Vogelperspektive der Satelliten nicht ersichtlich sind. Auch die Autoren der Studie schreiben, dass es unklar ist, wie viele der gefundenen Flächen tatsächlich für Pflanzungen verfügbar wären. Daher halte ich es noch für optimistisch, wenn auch nur die Hälfte des berechneten theoretischen Potenzials in der Praxis realisierbar ist.
Und er sieht einen weiteren Grund, warum die potenziell aufforstbare Fläche in der Realität weiter schrumpfen dürfte: Die Berechnungen basieren auf dem heutigen Weltklima. In einigen Jahrzehnten werde vor allem in Äquatornähe noch viel mehr Land flachfallen für die Aufforstung, dort werde es voraussichtlich zu heiß sein für Wälder.
All das sei aber nicht ein Fehler der Studie, findet Karsten Dunger: »Es ist eben eine klassische Potenzialstudie. Bei wie viel Prozent dieser Flächen Aufforstung jetzt tatsächlich umsetzbar ist, sagt die Studie nicht.«
Die Züricher Studie: Wie viel CO2 könnten die Wälder wirklich schlucken?
Wie groß die aufforstbare Fläche auf der Erde genau ist, lässt sich aktuell also schwer sagen. Fest steht: Sie ist groß. Aber wie groß ist die Menge an eingespartem CO2, die durch konsequente Aufforstung erreicht werden könnte? Wissenschaftler der Studie aus Zürich beziffern sie auf 200 Gigatonnen. Zum Vergleich: Deutschland emittiert derzeit rund 0,9 Gigatonnen pro Jahr.
Das Potenzial ist also enorm – doch wieder gilt: Potenzial und Realität sind 2 Paar Schuhe. Ganz so einfach lassen sich die Zahlen nicht gegenrechnen, wie auch Stefan Rahmstorf in seiner Kritik äußert. Zum Beispiel gebe es im Klimasystem Rückkopplungseffekte zwischen der Atmosphäre, den Ozeanen und den Wäldern. Vereinfacht bedeutet das:
Die Sache mit der Politik: Bäume werden nicht nur fürs Klima gepflanzt
Als die Menschen in Äthiopien im Juni an nur einem Tag 350 Millionen Bäume pflanzten, zeigte das afrikanische Land, was zuvor auch schon Indien und China unter Beweis gestellt hatten: Ein staatlicher Kraftakt ist eine Möglichkeit, das Bäumepflanzen in die Tat umzusetzen.
Ein staatlicher Kraftakt ist eine Möglichkeit, das Bäumepflanzen in die Tat umzusetzen.
All diese Aktionen zielen jedoch nicht vorrangig auf die Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre ab, sondern sollen den Ländern einen direkten Nutzen bringen: das Abmildern der Folgen des Klimawandels. China etwa möchte mit seiner
Um den Klimawandel möglichst stark zu bremsen, müssten aber auch Gebiete fernab von Landwirtschaft und Siedlungen aufgeforstet werden, in der russischen Tundra etwa – auch ohne einen direkten wirtschaftlichen Nutzen. Über die Hälfte der in der Züricher Studie genannten Flächen entfallen jedoch auf die 6 flächenmäßig größten Länder der Welt: Russland, Kanada, China, die USA, Brasilien und Australien. Deren Regierungschefs sind allesamt nicht unbedingt als Pioniere des Klimaschutzes bekannt.
Ohne Pioniere geht es nicht: »Plant for the Planet«
So hängt das Aufforsten also auch an Nichtregierungsorganisationen wie etwa Plant for the Planet. Gründer Felix Finkbeiner erzählt:
Bei mir hat das mit einem Referat in der Grundschule über die Umweltaktivistin Wangari Maathai angefangen, die in Kenia in den 70er-Jahren eine unglaublich
So pflanzten er und seine Mitschüler im Hof ihrer Schule den ersten Baum – einen Zierapfel. Daraus entstand die Organisation Plant for the Planet, für die nach eigenen Angaben derzeit rund 130 feste Mitarbeiter in 40 Ländern arbeiten, vor allem aber mehr als 70.000 Freiwillige – in erster Linie Kinder und Jugendliche. Sie halten Vorträge, veranstalten Workshops und natürlich Aktionen, bei denen sie Bäume pflanzen.
Wie viele Bäume es genau sind, die der Organisation ihre Existenz verdanken,
Worauf kommt es bei einem solchen Projekt nun an, wenn das Klima möglichst stark profitieren soll?
Wir konzentrieren uns vor allem auf 2 Dinge: lokale Arten und Artenvielfalt. Die Forstingenieure in unserem Projekt haben untersucht, welche Arten in den bestehenden Urwäldern in der Gegend wachsen. Sie pflanzen ausschließlich 9 dieser Sorten. So sind die Wälder wesentlich resilienter im Vergleich zu Monokulturen, also weniger anfällig für Brände oder Schädlinge. Und
Damit Einheimische, Staaten und Naturschutzorganisationen wie in seinem Projekt in Yucatán zusammenfinden, betont Felix Finkbeiner den Nutzen der sogenannten Bonn Challenge. Das Programm wurde 2011 von der Bundesregierung und der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, gegründet. Es berät, koordiniert und vernetzt die Aufforstungsprogramme unterschiedlicher Staaten mit Umweltorganisationen. »Viele Länder sind begeistert, wenn man in ihrem Land aufforsten möchte, und helfen einem sofort weiter.«
Altes schützen, Neues schaffen: Wie können Bäume unser Klima retten?
Das Pflanzen von Bäumen gilt heute als die mit Abstand günstigste Art und Weise, um CO2 aus der Luft zu nehmen: Einen Baum zu pflanzen kostet bei den meisten Hilfsorganisationen zwischen
Doch um das Klima und letztlich unsere Zukunft zu schützen, gibt es eine Sache, die vielleicht noch dringender, noch wichtiger ist, als neue Bäume zu pflanzen: den bestehenden Wald zu schützen.
Felix Finkbeiner ist überzeugt, dass beides nötig ist:
Wir würden niemals sagen, man sollte lieber Wald pflanzen, statt ihn zu erhalten. Erhalten ist viel besser als neu pflanzen. Wir müssen aber beides machen: den Regenwald, den wir haben, erhalten und global aufforsten. Wir von ›Plant for the Planet‹ konzentrieren uns eben auf die Aufforstung, denn wir können nicht alles machen.
Damit weist er auch der Politik den Weg, wenn es um effektiven Klimaschutz geht: Ohne den Erhalt der Regenwälder in Brasilien ist an ein intaktes Klima in Zukunft kaum zu denken. Die Politik hat gut daran getan, das Thema auch beim G7-Gipfel auf die Agenda zu setzen. Wir müssen also alte Wälder schützen – und künftig neue Wälder schaffen. Denn zu viele Bäume kann es kaum geben.
Titelbild: Nikola Jovanovic - CC0 1.0