Wikipedia hat ein Problem mit Frauen. Und du kannst es lösen
Über 80% aller Biografien auf der englischen Wikipedia behandeln Männer. Das ist nur eines der Probleme der weltgrößten Online-Enzyklopädie. So will die Plattform dagegen vorgehen.
Was Clarice Phelps geleistet hat, dürfte wohl in die Geschichtsbücher eingehen. Die Nuklearwissenschaftlerin war Teil des Forscherteams am US-amerikanischen Oak Ridge National Laboratory, das im Jahr 2010 dabei half, ein neues chemisches Element – Teness (Nummer 117 im Periodensystem) – zu entdecken. Sie ist die erste Afroamerikanerin, die bei einer solchen Entdeckung dabei war – ein Meilenstein für die Chemie und für die Gleichberechtigung.
Wer heute mehr über
Wer dort aber nicht zu finden ist, ist Clarice Phelps.
›Wikipedia‹ ist nicht hier, um für soziale Gerechtigkeit zu sorgen
Die Funktionsweise von Wikipedia ist ein Teil des Problems. Aber auch die Lösung.
Der gelöschte Artikel zu Clarice Phelps als Screenshot der Autorin.Steht das Wissen der Welt online wirklich auf wackeligen, weißen Männerfüßen?
An dieser Stelle ist es wohl nur transparent, etwas zu gestehen: Der Autor dieses Artikels ist Wikipedia-Fan. Ich spende regelmäßig für den Wikimedia-Verein, habe selbst schon Artikel editiert und halte die größte öffentliche Wissensdatenbank der Welt für eine der wertvollsten Seiten im Internet. Dabei gehöre ich zu genau der Gruppe, die auf Wikipedia das Sagen hat:
Und diese sind zwar recht gut darin,
20.000 Menschen arbeiten jeden Monat in Deutschland an Wikipedia-Artikeln. Aber nur 10–20% von ihnen sind Frauen
Die Leistung von Clarice Phelps ist nur ein Beispiel dafür, was dabei unter den Tisch fällt.
Vereinfacht gesagt:
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ein Großteil der Fachartikel der Wikipedia ist jederzeit absolut korrekt und ausgewogen. Doch wenn die Plattform das »Wissen der Welt« im Internet sein will, eine Plattform von allen für alle, dann muss sie diverser und vor allem weiblicher werden. Denn je mehr Perspektiven auf ein Thema zusammenkommen, desto relevanter und besser wird das Ergebnis –
Aber wie schaffen wir das?
Hinter den Kulissen: Wie Wikipedia versucht, das Problem von innen heraus zu beheben
Sich diverser aufstellen –
»Und da geht es uns nicht nur ums Geschlecht«, betont Jan Apel, Pressesprecher des
»Wir sind allerdings nur mittelgut darin, unser Ziel auch umzusetzen«, gibt Apel zu. Das liege auch an der grundsätzlichen Arbeitsweise der Online-Enzyklopädie:
Anders gesagt: Wikipedia bildet das ab, was die Beitragenden in Presse und Forschung vorfinden – inklusive möglicher
Trotzdem will Wikimedia Deutschland Diversität in allen Varianten fördern. Das ist nur logisch, denn Diversität spielt bei vielen Konflikten auf der Plattform aktuell eine große Rolle –
Doch von oben eingreifen kann der Verein dabei nicht. Denn die freiwilligen Autoren, die zur Wikipedia beitragen, verwalten sich traditionell selbst und geben sich eigene Ziele und Regeln – ein wichtiger Teil des Konzeptes, das die Plattform so erfolgreich gemacht hat.
Also bleibt dem Verein nur, das Problem zu thematisieren und über blinde Flecken aufzuklären. Ungewöhnliche Unterstützung erhält er dabei von künstlicher Intelligenz (KI), wie zum Beispiel dem Projekt Quicksilver des US-Start-ups Primer. Diese KI sucht nach Forschern und vor allem Forscherinnen, die noch keinen Eintrag auf Wikipedia haben, und erstellt eine Kurzzusammenfassung mit einer Handvoll Quellen aus Fachjournalen –
Wichtig ist Apel dabei, dass diese Programme nichts automatisch regulieren oder vorgeben. »Wir werden keine KI einsetzen, die automatisch arbeitet – das würde nicht unserer Idee von Wikipedia entsprechen. Am Ende müssen es immer noch Menschen umsetzen.«
Die gute Nachricht ist – vielen beitragenden Autorinnen und Autoren der Wikipedia ist Diversität mittlerweile ein großes Anliegen:
Im Oktober fand die ›WikiCon‹ statt, das größte Treffen im deutschsprachigen Raum. Und dort konnte man deutlich merken, dass darüber intensiv diskutiert wird. Nur ist es auf der ›Wikipedia‹ so, dass solche Diskussionen nicht sofort ein Ergebnis haben. Das braucht noch etwas Zeit.
Als Sofortmaßnahme wirbt Wikimedia Deutschland in der Zwischenzeit um neue Autoren und vor allem Autorinnen – etwa mit einer Bannerkampagne auf der Seite. Das ist nicht verkehrt, denn gerade
Warum machst du nicht mit?
Das wäre ebenfalls ganz im Sinn der Online-Enzyklopädie:
So kannst du dabei helfen, das Wissen auf Wikipedia diverser zu machen
Eine Frau, die seit Jahren aktiv gegen die männliche Perspektive auf der Wikipedia anschreibt, ist Jess Wade. Sie war es, die den Artikel über Clarice Phelps erstellte. Einen von vielen. Eigentlich forscht die Physikerin an Lichtdioden und kämpft in ihrer Freizeit für die Wahrnehmung von Frauen in der Wissenschaft – mit nach eigenen Angaben bisher rund 600 Biografien über Forscherinnen.
›Wikipedia‹ ist unsere Chance, zu entscheiden, an was wir uns erinnern wollen und – vielleicht noch wichtiger – die Geschichte neu zu schreiben. Wir können [hier] die wunderbare Diversität unserer Welt dokumentieren, die Breite unserer Wissenschaft und der unglaublichen Forscherinnen und Forscher hinter ihr. […] Es ist wichtig, dass ›Wikipedia‹ auch die Welt widerspiegelt, der sie dienen soll.
Jess Wades Beispiel zeigt, dass heute jede und jeder dazu beitragen kann, auf der Wikipedia für mehr Diversität zu sorgen. Und das sind die besten Wege dazu:
- Thematisieren von Bias: Im Nachgang des Falls der »Liste deutscher Science-Fiction-Autorinnen« rief die deutsche Science-Fiction-Autorin Teresa
- Mehr diverse Perspektiven einbringen: Auf einem der regelmäßigen Wikipedia-Communitytreffen, die es in vielen Städten in Deutschland gibt, lässt sich am besten ins Gespräch kommen und Probleme thematisieren. Keine Lust, die einzige Frau am Männerstammtisch zu sein? Kein Problem: Manche dieser Treffen haben bereits ein Motto, das die Diversität erhöhen soll; etwa
- Selbst editieren: Auch wenn es manchmal in Diskussionen heiß hergeht: Jeder kann zum Wissen der Welt beitragen und sollte stolz darauf sein.
Warum legst du nicht heute einen Artikel über
Genau das ist der Punkt.
Du willst direkt loslegen? Dann findest du hier auf »Wikipedia« alle Infos, die du brauchst, und eine Anleitung für die ersten Schritte. Oder schließ dich einem der engagierten »WikiProjects« an, wo Wikipedianer sich gemeinsam für mehr Diversität einsetzen, etwa dem »Women in Red«-Projekt oder dem Portal für LGBTQI-Themen.
Mit Illustrationen von Robin Schüttert für Perspective Daily