Es geht ums Geschäft
Millionen Menschen weltweit leben immer noch ohne ordentliche Sanitärversorgung. Das macht krank und arm. Dazu kommt: Vielerorts sind Toiletten ein Tabuthema. Doch es gibt Lösungen.
Ob Welttag der Jogginghose, des Pinguins oder des Purzelbaums – merkwürdig anmutende Thementage gibt es inzwischen zuhauf. In diese Liste scheint sich auch der Welttoilettentag einzureihen.
Gründe dafür liefert der zum diesjährigen Welttoilettentag
Die Realität für Milliarden von Menschen ist eine verschmutzte Umwelt, in der eines oder viele der Glieder in der Kette, die eine sichere sanitäre Versorgung ausmacht – Toiletten, Abfallbehandlung, Entsorgung und sichere Wiederverwendung –, fehlen oder nicht erreichbar sind.
Der Welttoilettentag ist also bitter nötig:
Doch damit nicht genug: Wer sich nicht die Hände waschen kann, kein eigenes Klo hat, keine gut funktionierende Kanalisation, der wird eher krank. »Die Covid-19-Pandemie hat uns einmal mehr an die zentrale Rolle erinnert, die Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene beim Schutz vor Krankheiten spielen«, heißt es dazu im
Angesichts dieser Tragweite ist die Verbesserung der Sanitärversorgung eines
Also: Was tut sich auf der Welt in Sachen Klo?

Was Klos mit Bildung, Umweltschutz und Gleichstellung zu tun haben
Um direkt zu Anfang ein hohes Ross zu Fall zu bringen: Eine hygienische Sanitärversorgung ist auch in Europa noch nicht besonders lange selbstverständlich, wie der Autor Patrick Süskind anschaulich in seinem Roman »Das Parfum« beschreibt:
Die Menschen stanken nach Schweiß und nach ungewaschenen Kleidern; aus dem Mund stanken sie nach verrotteten Zähnen, aus ihren Mägen nach Zwiebelsaft und an den Körpern, wenn sie nicht mehr ganz jung waren, nach altem Käse und nach saurer Milch und nach Geschwulstkrankheiten. Es stanken die Flüsse, es stanken die Plätze, es stanken die Kirchen, es stank unter den Brücken und in den Palästen.
So befremdlich die Beschreibung der Pariser Zustände im 18. Jahrhundert auch wirken mag – damals pflegten Europäer:innen noch einen absolut unhygienischen Umgang mit ihren eigenen Exkrementen. Unter anderem der
Er kritisierte die damals populäre Theorie, dass die als »Miasma« bekannte übelriechende Luft für Krankheitsübertragungen verantwortlich sei.
Snow verglich Stadtteile miteinander und stellte fest, dass mehr Menschen dort erkrankten, wo besonders viel Abwasser in die Haushalte gelangte. Wenig später zementierte
Doch gehe es bei dem Thema um weit mehr als Gesundheit, betont Thilo Panzerbieter, Geschäftsführer der NGO

»Und nicht zu vergessen: Es geht auch um Umweltschutz, weil ungeklärte Exkremente gerade in Großstädten, in denen sie massenhaft anfallen, Flüsse und Seen verseuchen«, fügt Panzerbieter
Und damit nicht genug; laut Panzerbieter geht es auch um die Gleichstellung der Geschlechter, da Frauen ohne Privatsphäre auf der Toilette stärker von Übergriffen betroffen sind. Fehlende oder schlechte Toiletten sind außerdem besonders für Menstruierende ein Problem: Weltweit besuchten 2016 geschätzte 335 Millionen Mädchen Schulen ohne Wasser und Seife; und damit
12 Jahre nach der Gründung der Welttoilettenorganisation am 19. November 2001 beschlossen die Vereinten Nationen im Jahr 2013, das Datum jährlich auch offiziell als UN-Welttoilettentag zu begehen, um auf das Problem hinzuweisen – an Lösungsansätzen mangelt es nicht.
Microsoft-Gründer Bill Gates gehört zu denen, die an der Umsetzung arbeiten und Öffentlichkeit schaffen, wenn nötig mit drastischen Mitteln: Bei der »Reinvent the Toilet Expo« vor 2 Jahren in Peking
Wenn es nach der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung geht, ist die Lösung des Problems einfach: Wer kein Klo hat, braucht eines. Vor fast 10 Jahren rief die Stiftung des milliardenschweren Ehepaars die »Reinvent the Toilet Challenge« ins Leben und forderte damit zum »Neuerfinden der Toilette« auf. Dabei mussten die eingereichten Konzepte
Bei einer der »neu erfundenen« Toiletten beispielsweise entsteht am Ende nach einem Reinigungsprozess mithilfe von Solarenergie sauberes Wasser, das wiederum als Spülwasser der Toilette wiederverwendet wird. »Ich bin optimistisch, dass Toiletten wie diese eine große Rolle dabei spielen werden, uns bei der Verbesserung der Sanitärversorgung weltweit zu helfen«, so Gates in einem Video zur Präsentation einiger neuer Klovarianten:
Technologische Innovationen sind wichtig, keine Frage – aber reichen sie auch aus, um das Problem zu lösen?
Vor der neuen Toilette kommt der Tabubruch
»Sobald sich jemand wie Bill Gates für Toiletten starkmacht, ist ein gewisses Tabu gebrochen«, sagt auch Thilo Panzerbieter.
Der Bauingenieur will aber deutlich früher ansetzen. Bereits bei der Sprache fängt es an, meint er. Die meisten Wörter für das Ausscheiden von Kot klingen entweder klinisch (»defäkieren«), kindisch (»kacken«), vulgär (»scheißen«) oder nach Ausrede (»Geschäft verrichten«, »sich erleichtern«). Dabei ist eines unumstritten: »Ohne geht’s nicht.«
»Die unsichtbare Bedrohung durch Krankheiten geht Hand in Hand mit einem Tabu – das führt zu einer fehlenden Nachfrage von Menschen an ihre Regierungen und damit auch zu fehlendem politischem Handeln«, erklärt Panzerbieter. Er spricht in diesem Kontext von »Sanitation Marketing«: Es gehe darum, sanitäre Versorgung erst mal zu einem Thema zu machen, um Menschen zu verdeutlichen, dass sie Ansprüche an die Politik stellen müssen.
Der Tabubruch sei auch bei der Arbeit vor Ort der erste wichtige Schritt, findet Laetitia Brovot. Die 25-Jährige studiert Wirtschaftsingenieurwesen in Aachen und arbeitet ehrenamtlich bei
»Wenn ein Sumpf schon nach Fäkalien riecht, dann ist klar, dass es ein Problem gibt«, sagt sie. Bei den Toiletten vor Ort sickern Kot und Urin ins Grundwasser, bakterienverseuchtes Wasser steht in Sümpfen und Brunnen; damit waschen die Menschen sich dann die Hände, kochen oder trinken es, sodass Krankheiten übertragen werden können. Der Geruch von Kot und Urin zieht auf den Toiletten außerdem Fliegen an, die wiederum Essen kontaminieren können.
Die Organisationen entschieden sich dafür, Toiletten an einer Schule zu bauen. »Weil es ein Pilotprojekt ist, brauchen wir die Schule als Sammelpunkt – dort kommen unterschiedliche Leute wie Kinder, Lehrer, Eltern und Besucher zusammen«, erläutert Madam-Projektkoordinator Brima Borboh Jalloh.
Zentral für die Organisationen war bei dem Projekt der Hygieneunterricht an der Schule, an der die Toiletten gebaut wurden. »Ein Kind kriegt Kreide, dann geben sie sich die Hände und sehen, wie die Kreide transportiert wird. So lernen sie: Wenn der erste sich nicht die Hände wäscht, sind am Ende alle krank«, erzählt die Freiwillige Brovot.
Aber wie lassen sich Toiletten entwickeln, die besser für die Gesundheit sind und auch wirklich benutzt werden?

Aus Urin und Kot wird Düngemittel
Die Partnerorganisation Madam bildet Landwirt:innen aus; so kam die Idee auf, Trockentrenntoiletten zu bauen. Dabei werden Urin und Kot sofort getrennt gelagert, sodass beides später als Dünger verwendet werden kann. Urin sei nach einem Monat frei von Giftstoffen, Kot müsse mehrere Monate lang getrocknet und dann kompostiert werden – laut Brovot das perfekte natürliche Düngemittel.
Die gesundheitlichen Vorteile: Die Ausscheidungen geraten nicht ins Grundwasser, und durch die Trennung werden keine Fliegen angezogen. Bei den Toiletten sind 2 Löcher im Boden: eines für Urin und eines für Kot. Beim Hocken über der Kotkammer lande der Urin automatisch im anderen Loch.
Ein Jahr nach dem Bau der Toiletten reiste ein Team der Ingenieure ohne Grenzen erneut nach Makali, darunter auch Brovot. Die Toiletten seien in einem guten Zustand gewesen, sagt sie. Begeistert zeigt sie sich vom Zustand des Kots in den Toiletten. Er habe eine sandige Konsistenz gehabt – wäre der Kot feucht gewesen, hätte es bedeutet, dass die Trennung von Urin nicht gut funktioniert. Außerdem habe sich bei Wissensabfragen an der Schule gezeigt, dass die Kinder dazugelernt hätten. »Jeden Tag wird ein Lied gesungen, bei dem die Kinder die 11 Schritte durchgehen, wie die Toilette funktioniert«, erzählt die angehende Ingenieurin. Eine wissenschaftliche

Die vor Ort ansässige Organisation sieht das Projekt bislang als Erfolg. »Die Toiletten werden inzwischen regelmäßig und sorgfältig benutzt«, erzählt Madam-Mitarbeiter Jalloh. Auch Eltern würden die Toiletten nutzen, wenn sie zu Terminen an die Schule kämen, sagt er.
Der Hygieneaspekt sei allerdings nicht ganz einfach zu vermitteln gewesen. Dieser sei inzwischen jedoch einer der größten Vorteile für alle Beteiligten: »Mit den Trockentrenntoiletten gibt es keine Fliegen und keinen Geruch.« Jalloh wünscht sich, dass das Projekt auch auf benachbarte Gemeinschaften ausgeweitet wird. Das ist bereits in Planung: 2022 wollen Madam und Ingenieure ohne Grenzen an 3 weiteren Schulen in der Umgebung Trockentrenntoiletten bauen.
Menschenwürdige Sanitärversorgung nicht allein Philanthrop:innen überlassen
Wie die allermeisten Bereiche menschlichen

Dennoch: »Bei der aktuellen Fortschrittsgeschwindigkeit wird es erst im 22. Jahrhundert Sanitäranlagen für alle geben«, heißt es im diesjährigen UN-Bericht zum Welttoilettentag. Um die Nummer 6 auf der Liste der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen,
Doch ist es schwierig, ein Problem zu bekämpfen, wenn bereits das Sprechen darüber mit Scham und Ekel behaftet ist. Innovative, von Philanthrop:innen gesponserte Klos sind nur bedingt in der Lage, daran etwas zu ändern. Auch wenn sie Teil der Lösung sein können, braucht es mehr, damit es nicht noch ein Jahrhundert dauert, bis die gesamte Weltbevölkerung Zugang zu ordentlichen Toiletten hat.
Nötig sind vor allem politischer Wille und mehr Wissen – auf allen Seiten.