Gekaufter Bundestag: Bricht dieser Vorstoß die Macht der Lobbyist:innen?
Seit Jahren kritisieren Aktivist:innen geheime Einflussnahme auf die Politik. Nun hat sich die Große Koalition auf ein neues Lobbyregister geeinigt. Hält es, was es verspricht?
Dubiose Parteispenden, Lobbyist:innen, die sich im Bundestag die Klinke in die Hand geben, oder Politiker:innen, die direkt nach ihrer Mandatszeit in die Privatwirtschaft abtauchen – seit 2005 recherchiert die Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol, was hinter den Kulissen in den Zentren der Macht vor sich geht.
Doch dieser Tage kommt der eingetragene Verein mit seiner Arbeit kaum noch hinterher: »Bitte entschuldigen Sie, aber die Union produziert momentan derart viele Korruptionsskandale, dass wir kaum noch hinterherkommen«, begrüßt mich Timo Lange von Lobbycontrol, als ich ihn nach einigem Hin und Her endlich ans Telefon bekomme.
Gleich gegen 2 Unionspolitiker wird derzeit wegen Korruptionsverdachts ermittelt. Sowohl der bisherige Fraktionsvizechef der CSU, Georg Nüßlein, als auch der CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel stehen in Verdacht,
Nur wenige Monate zuvor sorgte die
Seit Jahren fordern Nichtregierungsorganisationen wie Lobbycontrol ein Lobbyregister, um gegen geheime Einflussnahme auf der politischen Bühne vorzugehen. Nun hat sich die Bundesregierung in einem Kompromiss auf ein solches geeinigt.
Doch was kann das neue Register? Ist es ein scharfes Schwert im Kampf gegen Korruption und unlautere Beeinflussung – oder doch nur ein Luftschloss?
Das Lobbyregister – Transparenzoffensive oder Mogelpackung?
Die Einigung der Großen Koalition sieht künftig ein gesetzliches, öffentlich einsehbares Lobbyregister vor. Hier müssen sich vom Prinzip her alle eintragen, die Interessen gegenüber der Politik vertreten und politischen Einfluss auf Bundestagsabgeordnete, Ministerien und die Bundesregierung nehmen wollen. Zudem müssen die Auftraggebenden die Anzahl ihrer Lobbyist:innen und die finanziellen Aufwendungen offenlegen.
Ob so Lobbyskandale der Vergangenheit angehören könnten, möchte ich von Timo Lange von Lobbycontrol wissen: »Ob zum Beispiel ein Herr zu Guttenberg im Auftrag von Wirecard im Bundestag unterwegs ist, können wir Stand jetzt künftig im Lobbyregister nachlesen. Generell erfahren wir dann, wer sich dort bewegt und wer die Auftraggebenden sind. Das gilt gerade auch für ehemalige Abgeordnete und Ministerialbeamte, aber auch etwa für Agenturen und Anwaltskanzleien, die für Unternehmen und Verbände tätig sind.«
Zahl der Lobbyist:innen im Deutschen Bundestag: 764
Im Sommer vergangenen Jahres war Bewegung in die langanhaltende Debatte im Bundestag gekommen – wenn auch nicht ganz freiwillig: »Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es stets erst die großen Skandale wie im Fall Amthor braucht, um die festgefahrenen politischen Diskussionen voranzutreiben«, betont Timo Lange. »Das beobachten wir leider öfter, wenn es um eigentlich sinnvolle Regeln im Bereich Transparenz und den Umgang mit Interessenskonflikten geht.«
Ihren Widerstand gegen das Register begründeten Kritiker:innen aus den Unionsparteien unter anderem mit zusätzlich anfallender Bürokratie und der generellen Notwendigkeit, Expertise von externen Fachleuten einholen zu müssen. Bis zuletzt drohte das Lobbyregister noch an diesen Bedenken zu scheitern. Erst als der Koalitionspartner SPD von der noch weiter gehenden Forderung eines sogenannten »legislativen Fußabdrucks« abrückte, kam der Kompromiss zustande. Die Fußabdruckmaßnahme hätte vorgesehen, dass lückenlos offengelegt wird, welche Lobbyist:innen konkret an einem Gesetz mitgewirkt haben.
Wichtiger Schritt statt großer Wurf
Timo Lange von Lobbycontrol sieht mit dem Lobbyregister trotzdem einen wichtigen Schritt in Richtung Transparenz gemacht, auch wenn deutliche Lücken und Schwächen bleiben. Besonders der fehlende Fußabdruck sei ärgerlich. Dass die Union nun überhaupt offen für das Register sei, ist laut Lange wohl darauf zurückzuführen, dass die Union den eigenen Wähler:innen nicht länger erklären könne, warum hier seit Jahren auf die Bremse getreten worden sei.
Zahl der Abgeordneten im Deutschen Bundestag: 709
Daher begrüßt er die Einigung als wichtigen Etappensieg: »Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist deutlich umfassender und besser als das, womit wir in die Diskussion gestartet sind. Der jetzige Entwurf schafft eine klare gesetzliche Grundlage, die sowohl für Parlament als auch die Regierung gilt. Bei Verstößen gibt es dann künftig eine klare Ordnungswidrigkeit, die Ermittlungen mit polizeilichen Mitteln nach sich ziehen und mit bis zu 50.000 Euro Bußgeld belegt werden kann. Damit würden wir, Stand jetzt, im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht dastehen.«
Stand jetzt bedeutet allerdings, dass die Einigung der Koalition nun noch in Gesetzestext gegossen werden muss. Hier müsse noch Acht gegeben werden, dass nichts verwässert werde, so Lange. Gleichzeitig sei es aber auf der anderen Seite im Rahmen der weiteren parlamentarischen Beratungen noch möglich nachzuschärfen. So sind neben dem fehlenden legislativen Fußabdruck aktuell noch die Interessenverbände von Arbeitgeber:innen und -nehmer:innen sowie Religionsgemeinschaften von der Eintragung in das Lobbyregister ausgenommen.
Eines ist dabei relativ sicher: Zurückrudern dürfte angesichts der aktuellen Korruptionsaffären rund um die Coronaschutzmasken wohl keine Option für die Unionsparteien sein.
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Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily