Wenn Waldpädagogin Kathrin Düser mit Schulkindern über die Klimakrise spricht, dann fängt sie bei deren Gefühlen an. Die Kinder sammeln Gegenstände im Wald, die sie mit den Klimaveränderungen verbinden, und legen sie nach Gefühlen sortiert auf den Boden: Freude, Unsicherheit, Angst und »das ist mir egal«. Zum Beispiel einen vertrockneten Zweig, den sie mit Waldbrand verbinden, in das Feld für die Angst.
»Wenn wir am Ende des Tages noch einmal über die Übung sprechen, sagen viele Kinder, dass sie es toll fanden, dass sie einmal ausdrücken durften, was sie zur Klimakrise fühlen«, sagt Kathrin. »Wenn ich über Gefühle spreche, bleibe ich nicht bei Wissen hängen, hinter dem ich mich verstecken kann. Die Gefühle haben etwas mit mir zu tun.«
Es ist wichtig, unsere Gefühle zur Klimakrise zuzulassen. Sie zeigen uns: Gerade läuft etwas so richtig schief. Und sie können ein Kompass sein, der uns hilft, zu erkennen, in welche Richtung wir gehen wollen. Sie helfen uns, ins Handeln zu kommen und etwas zu verändern. Deshalb stelle ich 5 wichtige Gefühle im Zusammenhang mit der Klimakrise vor und wie diese helfen können.
Klimaangst, auf Englisch
Es ist ein Privileg, die Angst noch wegschieben zu können.
Doch mit diesem Privileg geht auch Verantwortung einher: Wenn wir die Angst zulassen, können wir wirklich etwas verändern. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis,
Dazu befragten die Forschenden Menschen zu ihren Gefühlen zur Klimakrise und zu ihren Werten, ihrem Selbstverständnis sowie ihrem Handeln in Richtung Klimaschutz. Umweltfreundliche Werte waren zum Beispiel »Die Umwelt schützen: Natur und natürliche Ressourcen bewahren« oder »Die Erde respektieren: Harmonie mit der Natur und anderen Spezies«. Umweltfreundliches Handeln hieß zum Beispiel »Lokal produzierte Produkte kaufen« oder »An eine Umweltorganisation spenden«. Die Menschen, die sich immer wieder Sorgen wegen der Klimakrise machten, verhielten sich auch entsprechend.
Dinge, die der Klimakrise entgegenwirken, helfen auch gegen Klimaangst.
Vielleicht denkst du jetzt: Ihr braucht mir nicht sagen, ich soll meine Angst spüren, sie ist schon da – und belastet mich. Eines der besten Dinge, die du dagegen tun kannst: Dich mit anderen zusammentun, auf die Straße gehen, eine Initiative gründen, mit Menschen über die Klimakrise sprechen. Die Dinge, die uns helfen, die Klimakrise zu stoppen, sind auch die Dinge, die gegen die Klimaangst helfen. Dadurch, dass wir etwas tun, fühlen wir uns wieder
»Die Energie, die durch negative Gefühle entsteht, wird somit in Handeln umgeleitet. Dies wirkt Hilflosigkeit entgegen und vermittelt das positive Gefühl, gemeinsam etwas bewirken zu können«,
Wichtig ist, sich nicht von der Angst überwältigen zu lassen:
»Wut kann uns helfen, in Aktion zu kommen.«
»Wut zeigt uns, wo unsere Grenzen sind, wo Werte von uns verletzt werden. Wenn wir etwas ungerecht finden, werden wir wütend«, sagt Katharina van Bronswijk, Sprecherin der Psychologists for Future. »Und die Wut gibt uns die Energie, dagegen vorzugehen. Sie kann uns helfen, in Aktion zu kommen und etwas an den Umständen zu ändern.«
In ihrem Buch »Unruhig bleiben« schreibt die Wissenschaftstheoretikerin und Feministin Donna Haraway: »Denkende Menschen [müssen] lernen, mitzutrauern. ›Trauern heißt, mit einem Verlust zu verweilen und damit zu würdigen, was er bedeutet, wie die Welt sich verändert hat und wie wir selbst uns verändern müssen, unsere Beziehungen verändern müssen, um von hier aus vorwärtszugehen.‹«
Wie können wir mitbekommen, was gerade passiert, ohne zu trauern?
Die Folgen der Klimakrise spüren wir schon jetzt: Immer mehr Menschen sterben durch Naturkatastrophen und durch Hitze, Menschen werden verletzt, verlieren ihr Zuhause, Tierarten sterben aus, Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht. Wie können wir mitbekommen, was gerade passiert, ohne zu trauern?
Vielleicht spüren wir diese Trauer in uns, aber hören nicht zu, wollen gar nicht zuhören. Das glaubt zumindest die Ökonomin und Klimagerechtigkeitsaktivistin Tonny Nowshin. Sie sagt: »Je mehr Menschen aufhören, vor diesen Gefühlen und dieser Wahrheit wegzulaufen, desto schneller können wir einen Wandel
Wenn du von Menschen liest, die ihr Zuhause durch Stürme oder Überschwemmungen verlieren, oder ein Video von einem Koala mit Verbrennungen siehst – halte einmal ganz bewusst inne und erlaube dir, Trauer zu spüren.
Schuld kann dabei helfen, die Klimakrise zu bekämpfen.
Menschen im Globalen Norden vermeiden es oft, selbst Schuld zu fühlen.
Aaltola unterscheidet zwischen Schuld und Scham. Schuld fühlen wir, wenn wir uns falsch verhalten – in Bezug auf die Klimakrise also dann, wenn wir etwa viel fliegen oder Fleisch essen, aber auch dann, wenn wir an einer Wirtschaft und einem politischen System teilhaben, das die Klimakrise befeuert. Die Philosophin schreibt auch, dass es besonders Menschen im Globalen Norden oft vermeiden, selbst Schuld zu fühlen oder andere zu beschuldigen. Scham dagegen konzentriert sich auf die Person als Ganzes und nicht nur ihr Verhalten. Wir denken nicht, dass wir etwas Schlechtes getan haben, sondern dass wir schlecht sind. Wir schämen uns zum Beispiel, wenn andere uns kritisieren, und haben Angst, von anderen ausgeschlossen zu werden.
Heglar schreibt ebenfalls, dass Schuld hilfreich sein kann, weil uns das Gefühl zeigt, wenn wir uns entgegen unserer Werte verhalten, und uns so dabei hilft, das zu ändern. Insgesamt argumentiert sie dafür, sich weniger damit zu beschäftigen, ob wir selbst oder andere Menschen ihren Müll trennen oder Fleisch essen. Und unsere Energie darauf zu richten, auf die Straße zu gehen, politische Aktionen zu starten – alles zu tun, um die Industrie und die Politik zur Verantwortung zu ziehen. Heglar schreibt: »Es ist mir egal, wie ›grün‹ du dich verhältst.
Freude im Zusammenhang mit der Klimakrise? Das Gefühl liegt vielleicht am wenigsten nahe – aber auch positive Emotionen sind wichtig, wenn wir über Veränderungen hin zu mehr Klimaschutz nachdenken.
Das Gefühl, etwas zu bewegen, erfüllt uns und gibt uns Sinn im Leben.
Auch wenn wir sehen, was wir in Gruppen bewegen können, freuen wir uns. Durch das gemeinsame Engagement finden wir Freund:innen und bauen nährende Beziehungen auf. Das Gefühl, etwas zu bewegen, erfüllt uns und gibt uns Sinn im Leben. Das alles sind Erfahrungen, die dazu beitragen, dass wir uns über Veränderungen freuen, statt Angst zu haben, dass uns etwas weggenommen wird.
Wenn Kathrin Düser im Wald ihre Übung mit den Kindern macht, liegen die meisten Gegenstände am Ende oft beim Gefühl der Unsicherheit. Im Bereich »das ist mir egal« liegt fast nie etwas. Auch wenn wir unangenehme Gefühle gerne mal unterdrücken oder uns ablenken – wenn wir wirklich ehrlich mit uns sind, löst der Gedanke an die Klimakrise bei ganz vielen Gefühle aus.
Sobald wir diese Gefühle zulassen, ist die Klimakrise ganz nah bei uns. Sie macht uns Angst, sie macht uns wütend – sie betrifft uns ganz direkt. Die Gefühle da sein zu lassen, ist gar nicht so einfach. Aber wer sich traut, hat schon ganz viel erreicht. Die Umweltaktivistin und Autorin Joanna Macy hat das einmal so ausgedrückt: »Das Radikalste, was jeder von uns derzeit tun kann, ist, sich mit vollem Bewusstsein dem auszusetzen, was in der Welt passiert.«
Redaktion: Felix Austen
Dieser Artikel ist Teil des journalistischen Projekts »Tu, was du für richtig hältst!«, das dir helfen soll, dein Verhalten mit deinen Idealen in Einklang zu bringen. Um mehr darüber zu erfahren und herauszufinden, wie groß die Lücke zwischen deinen Idealen und deinem Verhalten ist, klicke hier! Das Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Wuppertal Institut (WI) und wird gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Titelbild: Denis Sazhin - CC BY 3.0
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