Unzufrieden mit dem Fernsehprogramm? Dann gründe doch deinen eigenen Sender!
In den Niederlanden bewirbt sich ein neuer Kanal um Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. »Omroep Zwart« soll denjenigen eine Plattform bieten, deren Stimmen bisher untergegangen sind. Wie ist das möglich?
Eine Sendung über Rassismus ohne
Wohl kaum, erklärt mir Gianni Grot. Der niederländische Regisseur ist nicht überrascht, als ich ihm bei unserem Gespräch in Rotterdam von den Versäumnissen deutscher Rundfunkgesellschaften berichte. Ähnliches kennt er aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen in den Niederlanden.
Es mangelt schlichtweg an Diversität und Repräsentation in den Reihen der Medienmacher:innen. Hier in den Niederlanden gibt es keine 5 asiatischen Fernsehmoderator:innen. Nicht einmal 3.
In vielen Fernsehredaktionen fehle es daher an Menschen, die marginalisierte, historisch ausgeschlossene Perspektiven erkennen und
Schließlich trage das öffentlich-rechtliche Fernsehen eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Viele Menschen würden jedoch häufig ausgeschlossen und fühlten sich dem öffentlichen Leben daher oft weniger verbunden.
Genau das will Grot nun ändern – und gemeinsam mit seinem Partner,
Verschiedene Weltanschauungen auf 3 nationalen Kanälen
Um das zu verstehen, bedürfe es eines Blickes in die Vergangenheit, erklärt mir Mark Boukes, Assistenzprofessor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Amsterdam. Ursprünglich beruhe die gesamte niederländische Gesellschaft auf dem sogenannten Versäulungsmodell (auf Niederländisch: verzuiling), das die Aufteilung der Gesellschaft in Gruppen nach Religionen und politischen Überzeugungen beschreibt.
»Wenn ich in der Gesellschaft funktionieren will, muss ich das Gefühl haben dazuzugehören.« – Gianni Grot, Filmregisseur und Intendant, Omroep Zwart
Anders als in Deutschland entsprangen
So existiert noch heute ein System, in dem sich verschiedene Rundfunkgesellschaften die Sendezeit auf den zur Verfügung stehenden TV-Kanälen teilen. 2020 lieferten 9 öffentlich-rechtliche Anbieter Inhalte für
So entstehen neue Rundfunkgesellschaften
Da sich die Gesellschaft stets verändere, wandelten sich auch das Angebot und die Zusammensetzung der Rundfunkgesellschaften. Während manche Anbieter auf Anweisung der Regierung hin
Wenn die Menschen feststellen, dass überwiegend linksgerichtete Inhalte im öffentlichen Fernsehen gezeigt werden, dann kommt sicher eine rechtsgesinnte Institution oder Gruppe und fordert mehr Sendezeit für sich.
Dahinter steckt ein Rundfunksystem, das es allen Bürger:innen per Gesetz ermöglicht, die Gründung einer öffentlichen Rundfunkgesellschaft
- von mindestens 50.000 Mitgliedern unterstützt werden, die einen Jahresbeitrag von rund 8,50 Euro zahlen sowie
- sich von bereits existierenden Anbietern unterscheiden, zum Beispiel durch Inhalte oder Zielgruppen.
Omroep Zwart: Für mehr Diversität und Inklusion
Zurück zu Gianni Grot. Er kennt diese Voraussetzungen für die Gründung einer neuen Rundfunkgesellschaft genau. Während der
Wir wollen denjenigen Menschen eine Plattform bieten, deren Stimmen in der niederländischen Medienwelt bisher untergegangen sind oder die dort nie einen Platz gefunden haben.
Grot bemerkt, dass der niederländische Rundfunk zwar auf dem Ideal des internen Pluralismus basiere, vielen Mitbürger:innen – darunter vor allem Schwarzen Menschen oder Menschen aus der
Wir wollen sicherstellen, dass der niederländische Rundfunk vielfältig ist – sowohl vor als auch hinter der Kamera. Wir wollen neue Talente fördern und Fernsehen machen, das verschiedene Perspektiven bietet.
Das Vorhaben trifft einen Nerv: So versammelten sich innerhalb von 58 Tagen nach dem Launch der
Nun heißt es für Gianni Grot und sein Team: abwarten. Warten auf die Entscheidung der verantwortlichen Minister:innen darüber, ob Omroep Zwart eine Sendelizenz bekommen wird
Gegenwind von rechts
Bisher existiert Omroep Zwart also nur als Idee. Und die Meinungen darüber, ob aus dieser Idee auch Realität wird, sind gespalten. Gegenwind kommt vor allem von rechts, wo ein weiterer Anwärter auf die Sendelizenz auch gerade die Marke von 50.000 Mitgliedern geknackt hat.
Der Unterschied zwischen den beiden Aspiranten verdeutlicht die Nachteile des Versäulungsmodells, auf dem die niederländische Gesellschaft noch heute beruht: Zersplitterung und Spaltung. Ähnliche Strukturen spiegeln sich auch in der Parteienlandschaft wider.
Rassismus und andere Diskriminierungsformen wird Omroep Zwart auch mit einer Sendelizenz nicht beenden können. Jedenfalls nicht, solange die Unterdrückung noch Teil der niederländischen Gesellschaft ist. Wenn die Entscheidung der Minister:innen positiv ausfällt, besteht für Omroep Zwart jedoch die Chance, einen neuen öffentlichen Raum für Veränderung zu schaffen, Diversität und Inklusion zu fördern und Themen wie Antirassismus verstärkt in den Vordergrund zu rücken. Entscheiden sich die Minister:innen gegen den Sender, soll es privat weitergehen.
Redaktion: Katharina Wiegmann
Titelbild: Stephen Monterroso - CC0 1.0