Smartphone kaputt – und nun? Warum ich mir kein neues kaufe
Weiter nutzen, gebraucht kaufen, reparieren lassen oder doch selbst schrauben – eine Entscheidungshilfe
Ein unachtsamer Moment in der Stadt. Das Niesen bäumt sich auf und Taschentücher müssen her, das Smartphone klingelt, ein Griff in die Tasche nach beidem, ein zu großer Ruck – zack! – da liegt mein Smartphone auf den Pflastersteinen. Das Display zeigt nach unten und mir schwant bereits, was passiert ist: Dutzende Bruchlinien ziehen sich durch das Glas. Ein typischer Handyschaden eben, etwas hämisch in Internetslang auch »Spiderweb-App« genannt.
Mir ist nicht nach Lachen zumute. Wie so viele Menschen stehe ich nun vor der Entscheidung: Was tun mit dem Gerät?
Mein erster Gedanke: Ich kaufe einfach ein neues, das alte kommt auf den Schrott. Das klingt zwar nach einem Plan ohne viel Mühe – nachhaltig ist das aber nicht. Schließlich ist nur ein Teil des Smartphones kaputt. Ich mache mich auf die Suche. Welche Argumente gibt es für einen Neukauf oder eine Reparatur? Am Ende entscheide ich mich für etwas ganz anderes, und das aus guten Gründen.
Warum ein Neukauf für mich nicht infrage kommt
Mein Weg führt zunächst vor die Auslagen voller glänzender Neugeräte in einem Elektronikmarkt. Hier tun Herstellende alles dafür, die Neugeräte so attraktiv wie möglich erscheinen zu lassen. Ein eifriger Händler befeuert meinen Spontankauf mit allen Registern: »Die gibt es jetzt natürlich auch in der Lieblingsfarbe!«, »Keine Frage, randlose Displays sind total angesagt.« oder »Diese Kamera ist schon sehr hochauflösend.« und natürlich »Die Akkus halten viel länger als früher, versprochen!« Das Gerät am besten einfach »gleich mit nach Hause nehmen«, es ist »bereit in nur einer halben Stunde.«
Dazu erinnere ich mich an die Werbebotschaften der großen Marken, die mir seit Jahren suggerieren, dass es immer das neueste Gerät braucht, weil das den alten deutlich überlegen sei. Doch genau da gerate ich ins Stocken. Wofür brauche ich mein Smartphone? Chatten, surfen, Videos schauen, ab und zu ein Foto aufnehmen, telefonieren. Das alles konnte schon mein Smartphone von vor 5 Jahren absolut ausreichend. Und selbst meine alte Kamera lieferte mit einer
Tatsächlich sinnvoll wäre nur ein echtes technisches Upgrade für das Gerät, etwa die Fähigkeit zum gerade in Deutschland aufgebauten 5G-Internet, das in Zukunft etwa Spielestreaming auf das Smartphone möglich machen und die Handgeräte als Spieleplattformen attraktiver machen könnte. Doch das ist eben noch Zukunftsmusik, die Apps und Plattformen dazu nicht
Während ich erst mal den Rückzug antrete und mich vom verwirrten Fachverkäufer verabschiede, erhärten sich die Zweifel gegenüber einem spontanen Neukauf:
- Der Preis: Gerade herrscht eine weltweite
- Die Umwelt: Jedes neue Gerät ersetzt ein Altgerät, das entsorgt werden muss. So fallen in Deutschland
- Das soziale Gewissen: In jedem neuen Smartphone sind kritische Rohstoffe wie seltene Erden (aus China) oder Kobalt (aus der Demokratischen Republik Kongo) verbaut, die fast exklusiv in Ländern abgebaut werden, in denen Menschenrechte teilweise mit Füßen getreten werden.
Ich entschließe mich also dazu, mein Smartphone erst mal weiter zu verwenden. Da ich aber die »Spiderweb-App« loswerden möchte, bleibt mir nur die Reparatur. Doch die Garantie ist längst abgelaufen …
Smartphones selbst reparieren? So geht’s!
Die EU gibt an, 77% der EU-Bürger:innen würden generell lieber reparieren,
Wie also kann ich das Smartphone optimal reparieren? Kann ich den Reparaturshops in der Innenstadt zwischen Dönerbude und Zeitungskiosk eine sachgemäße Reparatur zutrauen? Oder sollte ich lieber einem der zahllosen Versandreparaturunternehmen vertrauen –
Dass sich Reparaturwillige schnell hilflos und überfordert fühlen, kennen Diana Prüfert und ihre Kolleg:innen gut.
Die Option, selbst zu reparieren, haben die meisten Menschen gar nicht auf dem Schirm. Dabei wäre das eigentlich die erste und naheliegendste. Denn gerade im Smartphonebereich kann eine professionelle Reparatur mitunter doch teuer werden.
Auch ich bin zunächst wenig überzeugt. Das Innenleben des eigenen Smartphones freilegen und daran herumschrauben – das klingt kompliziert und zum Scheitern verurteilt. Doch Diana Prüfert bemüht sich, mich zu motivieren: »Noch scheuen viele Menschen davor zurück. Doch gerade bei den häufigsten Reparaturen – Display und Akku – ist es gar nicht so kompliziert (und teuer), wie man denkt. Je nach Modell kosten die Ersatzteile nur 30–100 Euro für ältere Geräte. Doch das ist offenbar noch nicht in den Köpfen angekommen.«
Vielleicht aus gutem Grund, denn Hersteller haben wirtschaftlich kein Interesse an Reparaturen nach abgelaufener Garantie. Sie wollen lieber Neugeräte mit mehr Profit verkaufen oder Kund:innen an den hauseigenen Service binden – der oft sehr kostspielig ist.
Tatsächlich wird es einem schon schwer gemacht. So gibt es etwa Berichte von Apple, dass nach einer Reparatur von Drittanbietern die Touch-ID nicht mehr funktioniert hat und die Geräte nur in der hauseigenen Werkstatt mit spezieller Software repariert werden konnten. Oft ist das Hindernis der Ersatzteilmangel. Das heißt, je nach Hersteller sind die Ersatzteile nicht frei verfügbar oder werden nicht an Reparaturwerkstätten geliefert.
Um Abhilfe zu schaffen, bietet das Unternehmen von Diana Prüfert über 850 Ersatzteilpakete mitsamt den nötigen Werkzeugen und Videoanleitungen an: eine gefundene Marktlücke. Doch Prüfert gibt auch zu, dass Selbstreparatur Grenzen hat.
Welche? Das habe ich selbst an meinem Smartphone ausprobiert. Wenn du meine Erfahrungen lesen willst, dann klicke hier!
Eine Woche später liegt mein Smartphone aufgeschraubt samt Ersatzteilen vor
Laien wie mir hilft die Videoanleitung von kaputt.de zwar sehr, doch in der Praxis sind die Schrauben winzig und – zumindest für mich – auch mit dem richtigen Werkzeug alles andere als einfach zu handhaben. Dazu gehört mein Modell offenbar ausgerechnet zu jenen, die sich schlechter reparieren lassen, bestätigen auch Kommentare unter dem Anleitungsvideo. Ich hätte vorher nachlesen sollen. Ein Großteil des Innenlebens ist am Display befestigt, also genau dem Teil, das ich austauschen will. Nach und nach löse ich die Platinen und sortiere sie sorgfältig auf dem Schreibtisch. Doch ich merke, dass mir Bastelerfahrung und offenbar eine ruhige Hand fehlen. Immerhin kann nichts Schlimmes passieren, hat mir Diana Prüfert versichert: Nur im Umgang mit dem Akku solle ich vorsichtig sein, der enthalte entzündliche und auch giftige Stoffe, wenn er beschädigt werde. Aber ich hatte eh nicht vor, grobe Gewalt anzuwenden.
Nach 45 Minuten die Erlösung: Das Ersatzdisplay funktioniert! Ich fühle mich großartig – im ersten Moment. Nur zeigt sich im Laufe des Tages, dass das Display ab und zu von selbst ausgeht und erst nach einem Neustart wieder funktioniert. Ich habe den Schaden also zwar behoben, aber perfekt ist es nicht. Pech gehabt. Womöglich bin ich mit einer Verbindung leicht verrutscht oder es lag noch ein anderer Schaden vor. Immerhin war es ein kleines Abenteuer, und weil die Ersatzteile mit deutlich unter 100 Euro eher günstig waren, ärgere ich mich auch nicht. Dazu bin ich mit meinem Scheitern auch stark in der Minderheit, wie ich weiß.
Immerhin 92% der Menschen, die kaputt.de
Die gute Nachricht: In Zukunft dürfte Reparieren deutschlandweit noch einfacher werden. Denn seit März 2021 hat die EU das viel diskutierte »Recht auf Reparatur«
Mir hilft das allerdings wenig, denn mein Gerät ist trotz Reparatur nur eingeschränkt alltagstauglich. Was also tun?
Meine Lösung: 2 Jahre alt, refurbished, perfekt
Eine weitere Möglichkeit: gebrauchte Geräte kaufen. Deren Produktion inklusive Rohstoffverbrauch ist ja bereits erfolgt. Das schont damit genauso die Umwelt, wie das eigene Gerät weiterzuverwenden. Der Kauf eines Zweitgerätes unterstützt dazu nicht die herstellenden Unternehmen und ihre »Kultur des Neukaufs«, sondern ist ein Standbein einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise.
Hier gibt es mittlerweile namhafte Anbieter wie Refurbed, Green Panda, Backmarket oder Rebuy. Die Unternehmen arbeiten alle sehr ähnlich: Sie kaufen Altgeräte auf (oder tauschen sie bei Einkäufen gegen Rabatt ein), eigene
So fand ich nach kurzer Recherche mein neues Smartphone – ein Samsung S9, sogar in meiner Wunschfarbe Mattblau, für knapp über 200 Euro. Das war deutlich unter meinem kalkulierten Preis – selbst unter Beachtung des nicht geglückten Reparaturversuchs.
Auch damit bin ich nicht allein: Der Markt boomt, Rebuy rechnet auf Anfrage etwa mit einem jährlichen Zuwachs von 22,3% beim Handel mit Gebrauchtgeräten
Würden alle 84 Millionen abgelegten Mobiltelefone in Deutschland zweitverwertet, dann ergäbe dies eine Einsparung von 77,3 Tonnen CO2, eine Vermeidung von 28.949 Kilogramm Umweltgift. Die durch die Nichtherstellung von Neuprodukten eingesparten Metalle hätten einen aktuellen Wert von 214 Millionen Euro.
Am Ende musste ich mein altes Gerät weggeben. Aber das aufgearbeitete Gerät hat mein Gewissen dann doch beruhigt. Immerhin musste kein ganz neues Smartphone für mich produziert werden. Damit liege ich ganz auf Linie der Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung. Doch am Ende verlässt sich diese eben ganz darauf, dass Konsument:innen wie ich, die vor einer konkreten Entscheidung stehen, aus Gewissensgründen den nachhaltigeren Weg wählen und durch bewusstes Konsumverhalten etwas ändern.
Warum eigentlich? Ein Blick über den Tellerrand zu unseren Nachbarn nach Frankreich reicht, um zu sehen, wie sich Nachhaltigkeit bei kaputten Smartphones besser unterstützen lässt. Maßnahmen, die ich mir auch für meinen Fall gewünscht hätte:
- Gesetz gegen geplante Obsoleszenz: Ob meine gescheiterte Reparatur nicht doch an verborgenen Maßnahmen dagegen liegt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Denn die bewusste Verkürzung der Lebenszeit von Produkten liegt im finanziellen Interesse von Unternehmen, um Konsument:innen zum Kauf neuer Geräte zu zwingen. In Frankreich ist dies seit 2015 einfach verboten. Wer dennoch die Lebensdauer von Produkten bewusst reduziert, muss dort mit bis zu 2 Jahren Haft und einer Strafe von bis zu 300.000 Euro und 5% des Jahresumsatzes rechnen. Ähnliches für Deutschland fordert etwa auch Rebuy.
- Ein Reparaturindex: Wie reparierbar mein neues Smartphone in Zukunft ist, weiß ich nicht. Das geht anders: In Frankreich müssen seit Januar 2021 eine Reihe von Elektronikprodukten mit Informationen über die Reparierbarkeit ausgezeichnet sein –
Dieser Artikel ist Teil des journalistischen Projekts »Tu, was du für richtig hältst!«, das dir helfen soll, dein Verhalten mit deinen Idealen in Einklang zu bringen. Um mehr darüber zu erfahren und herauszufinden, wie groß die Lücke zwischen deinen Idealen und deinem Verhalten ist, klicke hier! Das Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Wuppertal Institut (WI) und wird gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Titelbild: Ali Abdul Rahman - CC0 1.0