Befreit die Sprache von Covid-19!
»Kontaktwarnung«, »Coronazis«, »Säuberungen« – die Pandemie formt unsere Sprache um. Wir sollten dringend darüber sprechen, wie wir darüber sprechen.
Unwillkürlich muss ich mitten in der Redaktionskonferenz zucken. Der Satz, der in meinem Kopf seltsam widerhallt, ist: »Ich hatte gestern Kontakt mit David.«
- Kontakt.
- Risikokontakt.
- Kontaktwarnung.
- Kontaktpersonennachverfolgung.
- War David infiziert?
Was mein Verstand in dem Augenblick an Assoziationen aufruft, kommt nicht von ungefähr. »Kontakt« gehört zu jenen Wörtern, die für die Pandemie zentral sind und sich in vielen Covid-19-Vokabeln wiederfinden. Dabei war an dieser Stelle gar nichts davon gemeint gewesen – sondern nur ein harmloser Telefonanruf unter Kollegen.
Später am Abend telefoniere ich selbst beim Einkaufen im Supermarkt und merke erst spät die besorgten Blicke und das Stirnrunzeln um mich herum. Offenbar versucht man, mich einzuschätzen. Was habe ich nur gesagt? Ach ja, das: »Ich will meinen Kopf freimachen. Ich denke, ich gehe heute Abend ein wenig spazieren.«
- Spazierengehen.
- Corona-Spaziergänge.
- Proteste getarnt als Spaziergänge.
- Gewalt bei Spaziergängen.
- »Spazierengehen« neben Neonazis.
- Gehört »der« etwa dazu?
Mit Illustrationen von Aelfleda Clackson für Perspective Daily