Warum »Hier liest du, wie Muslime Gutes tun« keine gute Nachricht ist
Und warum diejenigen, die nicht zur Kölner Demo gegen Terror kamen, keine bösen Muslime sind.
Endlich sagt es mal einer! Das dachten sich wohl die, die während der Pressekonferenz des Konzertveranstalters Marek Lieberberg in Beifall ausbrachen.
»This is not my Islam and this is not my shit!« – Marek Lieberberg
Bevor irgendwer radikale Islamisten hinter der Warnung vermutet, wird Lieberberg persönlich: Die Muslime sollten endlich gegen den Terror »zu Zehntausenden auf die Straße« gehen und aufhören zu behaupten: »This is not my Islam and this is not my shit!«. So Lieberbergs Vision. Frei übersetzt: Wer an Allah glaubt, muss zeigen, dass er nicht aus demselben Holz geschnitzt ist wie Axt-Attentäter, Bombenbauer und Co.
Der Generalverdacht ist salonfähig geworden, und kaum jemand scheut sich noch davor, Terror und Muslime in einen Topf zu werfen und ordentlich durchzuschütteln. Wer die Wahl hat, hat die Qual: Guter Muslim oder böser Muslim, auf welcher Seite stehst du?
Guter Muslim oder böser Muslim?
Bist du ein »böser Muslim«, weil du nicht zum Friedensmarsch in Köln gegangen bist, um dich vom Terror zu distanzieren? Unter dem Slogan »Nicht mit uns!« sollten dort 10.000 Menschen gegen den radikal-islamistischen Terror demonstrieren,
Oder bist du ein »guter Muslim« wie die Muslime, die neuerdings die Schlagzeigen von »Good News« füllen?
Bin ich der einzige, der findet, dass es zu weit geht, wenn ein simpler Akt von Nächstenliebe zwischen 2 Frauen schon zur Nachricht wird?
Die Reaktionen in sozialen Medien auf die »Good ›Muslim‹ News« sind überwiegend positiv. Dabei offenbaren auch sie eine fragwürdige Perspektive:
An diesem Punkt zeigt sich, was jahrzehntelanges Stempel-Aufdrücken auf Menschen muslimischen Glaubens in Europa angerichtet hat. Ein Extrem wird gegen das andere aufgewogen, Terrorist oder Gutmensch – wen spielt der Muslim im aktuellen Kinokracher?
»Den Muslim gibt es nicht in 2D zu sehen.«
Doch alle, die sich dafür schon Karten besorgt haben, werden enttäuscht sein:
Erst dadurch kann man die Fülle an Zeichen wahrnehmen, die viele Muslime längst gegen Terrorismus gesetzt haben. Vor allem in mehrheitlich muslimischen Ländern stellen sie sich, ganz unaufgefordert, dem Problem des radikal-islamistischen Terrors. Denn dort ist die Gefahr groß: Seit Beginn des muslimischen Fastenmonats
Nicht nur deshalb gab es in den letzten Wochen viele Aktionen und Botschaften, die ein ganz anderes Bild zeigen, als es die hiesigen Kritiker und Lobhudler zu tun pflegen. Das zeigen dir diese 4 Beispiele:
- »Wir werden ihre Hassattacken mit Liedern der Liebe begegnen«
Alle Jahre wieder im Fastenmonat Ramadan präsentieren arabische Firmen und Fernsehsender Werbungen und Serien, die bestimmte Botschaften vermitteln. Dieses Jahr richteten sich diese ganz klar gegen radikal-islamistische Terroristen. Neben einer
Zu sehen ist ein
Zum Ende des Videos versammeln sich die Gläubigen und treten dem Attentäter entgegen. Ihr »Allahu akbar« – übersetzt: »Gott ist größer« – steht dem »Allahu akbar« des Terroristen gegenüber und beide klingen grundverschieden; eines hoffnungsvoll, das andere zerstörerisch. Den Finger am Auslöser, ergibt sich der Beinahe-Attentäter.Lasst uns Gewalt mit Barmherzigkeit sprengen. Lasst uns Extremismus für ein besseres Leben zerschlagen.
Das Youtube-Video wurde in den vergangenen 4 Wochen fast 8 Millionen Mal angeklickt. Das ist immer noch zu wenig in einer Zeit, in der Zeichen gegen Terror gefordert werden. Ein Grund dafür, dass es weniger geteilt wurde, lag wahrscheinlich an einer absichtlichen Falschinformation, für die es viel Kritik aus der arabischen Welt hagelte.
Als Symbol des Terrors wird der kleine Omran Daqneesh von einem Kinderschauspieler porträtiert. Das - Imame verweigern Begräbnisritual für Londoner Attentäter
Nach dem Anschlag auf der London Bridge Anfang Juni dieses Jahres, bei dem 3 Attentäter 8 Menschen töteten und Dutzende teils - Dinner for One
Um nicht nur »Muslime« und »Terror« nebeneinander zu stellen, hat es auch ein Video in diese Liste geschafft,
Mit versteckter Kamera wird ein älterer Mann gefilmt, der mitten im Berufsverkehr der ägyptischen Hauptstadt Kairo steht. Er hält ein Plakat hoch, auf dem geschrieben steht: »Ich begehe jeden Tag das Fastenbrechen allein«. Das sogenannte »Iftar« ist die Mahlzeit, die Muslime nach dem Sonnenuntergang zelebrieren, nachdem sie den ganzen Tag nichts gegessen und getrunken haben. Eine Gruppe junger Männer, ein Taxifahrer, eine Familienmutter, sie alle laden den wildfremden Mann ein, mit ihnen zu essen. Wieder andere gehen an ihm vorbei.
Das Video ist Teil der ägyptischen Fernsehshow »Das menschliche Dilemma«, in der auf der Straße Sozialexperimente durchgeführt werden. Dabei geht es meist darum, wie Menschen reagieren, wenn sie Zeugen von häuslicher Gewalt, Rassismus und Diskriminierung aufgrund von Religion, Herkunft, Geschlecht oder Alter werden.
- Die Ramadan-Kühlschränke
Eine ziemlich »coole« Aktion fand in Dubai statt. Die
Die Idee zu der Aktion hatte die australische Aktivistin Sumayyah Sayed, die im letzten Ramadan einen Kühlschrank vor ihr Haus stellte, um ihr Essen mit anderen zu teilen. In sozialen Medien kam das gut an, und innerhalb kürzester Zeit stellten mehr und mehr Menschen Kühlschränke vor ihren Häuser auf.
Höchste Zeit, dass muslimische Tierschützer, Feministinnen, Satiriker, Demokraten und Biobauern für das gesehen werden, was sie tun.
Was diese kleine Sammlung verdeutlicht: Wer Zeichen von Menschen muslimischen Glaubens fordert, sollte sie auch sehen können. Vor allem die, die nicht sensationsgeladen, sondern ganz alltäglich sind. Denn erst die Grautöne, also alles, was zwischen Gut und Böse liegt, macht den Menschen dahinter greifbar und schafft Vertrauen. Erst dann kommen wir an einen Punkt, an dem wir gemeinsam nicht nur effektiver gegen Terrorismus vorgehen können, sondern viele andere wichtige Themen anpacken, wie zum Beispiel Klimawandel, Feminismus und Demokratie.
Titelbild: dpa / Henning Kaiser - copyright