In diesem arabischen Land sind Homosexuelle bald keine Verbrecher mehr
Es waren Europäer, die Schwulsein in arabischen Ländern unter Strafe stellten – und es sind Araber, die das heute wieder ausbügeln dürfen.
Es ist gar nicht so lange her, dass zum Beispiel in Frankreich und Deutschland
Dagegen ziehen heute
»Arabiens schwule Party-Metropole«
Schwulenbars, die
Im Nahen Osten, wo in Ländern wie Saudi-Arabien, dem Irak oder Katar noch die Todesstrafe auf Homo-Sex stehen kann, ist Helem einzigartig. »Im Moment kann diese Organisation nur im Libanon existieren«, sagt
Heute ist Azzi Direktor der
Anal-Tests, um den gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr nachzuweisen
Frei und sicher leben, das gibt es für ihn nicht, solange libanesischen Schwulen und
Prügel, Kidnapping und Missbrauch – derartige Gewalt gegen libanesische LGBTIs geht häufig sogar
Ohne staatlichen Schutz für LGBTIs werden Hassverbrechen nicht seltener. Georges Azzi gehört zu einem Kollektiv von libanesischen Anwälten und Aktivisten, die versuchen, homophobe Strukturen in staatlichen Institutionen aufzulösen. Dafür nutzen sie eine Taktik, die sie von ihrem an Klientelismus und Korruption krankenden Staat kennen: Sie schaffen Verbündete.
Die Polizei, dein Freund und Feind
Georges Azzi fehlt die starke Linke. Mit ihr wäre alles viel leichter, so glaubt er: »Es waren Arbeiterparteien, die sich weltweit zuerst gegen Kriminalisierung von Homosexuellen einsetzten. Nur leider gibt es im Libanon keine starke Linke, von der wir fordern könnten: Ihr seid Sozialisten, deshalb müsst ihr euch für unsere Rechte stark machen.«
Obwohl im Libanon eine parlamentarische Demokratie herrscht, teilt sich
Jeder widernatürliche Sexualverkehr kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden.
Deshalb versuchen die Homoaktivisten an vielen Fronten, die Konsequenzen von § 534 für LGBTIs zu reduzieren. Die erste Baustelle: die Exekutive. Nach geltendem Gesetz könnte die Polizei Azzi jederzeit auf der Straße verhaften. »Wir sind immer noch auf die Gnade jedes einzelnen Polizisten angewiesen, selbst auf die des rangniedrigsten.« Ließe ein Polizist Recht vor Gnade ergehen, würde Azzi mit hoher Wahrscheinlichkeit in der berühmt-berüchtigten Hobeich-Polizeistation landen, in die alle in Beirut aufgegriffenen Transsexuelle und Schwule überstellt werden.
Für sie ist Hobeich nichts anderes als eine Folterkammer, denn dort wurden die meisten Anal-Tests durchgeführt und sollen
Unter den gegebenen Umständen ist es uns lieber, dass wir die Sittenwächter alle auf einem Haufen zusammen haben, denn so wissen wir, wo wir die Inhaftierten finden können.
Mittlerweile arbeitet die Homorechtsorganisation Helem inoffiziell mit den Polizisten vor Ort zusammen, auch mit dem Polizeichef der Station. »Sie wissen, dass Schwule, Lesben und Transsexuelle von Helem juristischen Beistand bekommen können, und viele Polizisten rufen uns sogar von sich aus an«, sagt Georges Azzi.
Immerhin. Schlimmer trifft es die Schwulen unter den rund eine Million Syrern, die in den Libanon geflüchtet sind. Sie sind weniger mit der Gesetzeslage oder mit Organisationen wie Helem vertraut – und stehen ohnehin stärker unter Druck: Seit der Flüchtlingskrise, die im Libanon im Jahr 2012 begann, werden sie nicht selten Opfer rassistischer Übergriffe. »Werden syrische Schwule eingesackt, werden wir nicht kontaktiert. Und wir können keine Polizisten zur Kooperation zwingen. Es ist immer noch ein Privileg, dass eine unabhängige NGO diesen Zugang zu Inhaftierten bekommt«, betont Azzi. Er hofft, mit mehr Verbündeten innerhalb der Polizei auch den schwulen syrischen Geflüchteten besser helfen zu können.
Europäischer Import: Schwulenparagraf 534
Es gibt noch einen anderen Weg, die Strafverfolgung von Homosexuellen zu schwächen: keine Verurteilungen mehr. Daran arbeitet Menschenrechtsanwalt Karim Nammour. Er ist Teil des Kollektivs der
Nammour hat ein Lebensmotto, das auf Leinwand geschrieben jedem ins Auge sticht, der sein Büro in Beirut betritt: »Think Outside The Box« – er will außerhalb von eingefahrenen Bahnen denken. Deshalb arbeitet er als Anwalt in 2 für den Libanon sehr speziellen Gebieten, der Entkriminalisierung von
»Man glaubt es kaum, aber wir hatten bis in die 1970er-Jahre eine ähnlich emanzipierte LGBTI-Bewegung wie in Europa. Doch der
Ein Happy End im Libanon wird wohl auf sich warten lassen: Dass § 534 aus dem libanesischen Strafgesetzbuch verschwindet, damit rechnet Nammour in naher Zukunft nicht. Doch er hofft, dass immer mehr Richter sich gegen eine Verurteilung von LGBTIs auf der Basis dieses Paragrafen entscheiden, bis es keiner mehr tut und eine aktive Strafverfolgung eingestellt wird.
Seit dem Jahr 2009 gab es nur 4 Richter, die ausgelebte
Erst dem vierten Richter, Rabih Maalouf, gelang es, ein schwules Pärchen freizusprechen, indem er Homo-Sex nicht als Straftat betrachtete. »Er bezeichnete Homosexualität als ein natürliches Recht und eine persönliche Wahl«, erklärt Nammour. Maaloufs Argumentation beruft sich auf das Naturrecht, also bestimmte Rechte, die allen Menschen unabhängig von menschengemachten Rechtsordnungen zustehen. Ob es ein solches Naturrecht gibt, ist rechtsphilosophisch sehr umstritten. Dass ein Richter sein Urteil naturrechtlich begründet, ist ungewöhnlich.
Viele libanesische Parlamentarier waren außer sich nach dem Richterspruch und forderten eine Rücknahme.
Allerdings sieht der Anwalt in Maaloufs Richterspruch aus dem Januar 2017 die Chance, daraus einen Präzedenzfall zu machen. Auf dessen Basis könnten in Zukunft mehr Richter LGBTIs freisprechen und eine liberale Auslegung des Paragrafen fördern.
Keine Ehe für alle
»In Deutschland ist es noch gar nicht so lange her, dass Homosexualität entkriminalisiert wurde«, erinnert Nammour. Die Strategie, die er zur Lähmung von § 534 vorschlägt, hat Ähnlichkeit mit der Aufhebung des »Schwulenparagrafen« 175 aus dem deutschen Strafgesetzbuch vor
»Wir fragen nicht nach Homorechten wie in Europa.«
Dass sich die libanesische Regierung eines Tages wie in Deutschland Gedanken um eine
Dabei haben die LGBTI-Aktivisten im Libanon schon einiges erreicht: Razzien der Polizei in Schwulenkinos und Clubs kommen nur noch sehr selten vor. Viel weniger libanesische LGBTIs als noch vor 12 Jahren landen wegen ihrer Sexualität vor Gericht. Und wenn es passiert, dann berichten selbst libanesische Medien darüber und schaffen so mehr Öffentlichkeit für die Forderungen der Homoaktivisten.
Dennoch, solange § 534 weiterexistiert, schwebt er als Damoklesschwert über den Köpfen von Homo- und Transsexuellen im Libanon. Aber die Klinge setzt langsam Rost an. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie zerbricht.
Titelbild: picture alliance / AP Photo / Hussein Malla - copyright