Nach diesem Text schläfst du besser
Warum wir nicht mehr gut schlafen (und wie wir es wieder lernen).
Wann haben wir eigentlich verlernt, gut zu schlafen?
Mittlerweile erscheinen im Wochentakt neue Studien, die die Bedeutung von ausreichend erholsamem Schlaf belegen. Doch Deutschland schläft schlecht – und ist damit nicht allein.
Wahrscheinlich kennst du das auch: Abends liegst du unruhig im Bett, wälzt dich von einer Seite auf die andere, hängst Gedanken vom Tag nach, schaltest dann doch noch mal das Smartphone oder den Laptop an, um dich abzulenken, und schläfst erst viel später ein – nur um am Morgen kaum erholt vom Wecker wachgerüttelt zu werden. Was anekdotisch klingen mag, ist Alltag:
- Über das müde Deutschland berichtet die DAK-Gesundheit (2017) 80% der deutschen Arbeitnehmer haben Schlafprobleme.
- 34% der Deutschen Der Beurer Schlafatlas 2017 ist die aktuellste und umfangreichste Studie zum Schlafverhalten der Deutschen schlafen zu wenig. Bei Eltern und Managern liegt die Zahl sogar deutlich höher.
- 31% der Deutschen klagen über erhebliche Anlaufschwierigkeiten am Morgen.
- 30% nicken tagsüber gelegentlich ein, ein Anzeichen für chronischen Schlafmangel.
Das hat Folgen, nicht nur für den Einzelnen, sondern für die ganze Gesellschaft. Wer etwa müde arbeitet, leistet weniger und kann schlechter Entscheidungen treffen. Müdigkeit im Straßenverkehr erhöht das Unfallrisiko. Unsere Wirtschaft Diese Studie untersuchte 5 OECD-Länder auf die Schäden durch Schlafmangel (2016) kostet das Milliarden.
Wann also haben wir verlernt zu schlafen – und wie können wir es wieder lernen?
Im Internet kursieren zahllose gut gemeinte Tipps auf Ratgeberseiten. Wir haben mit Wissenschaftlern diskutiert und ihre Lösungen in der Redaktion von Perspective Daily und mit neugierigen Lesern ausprobiert.

So wurden wir alle schlaflos
– Arianna Huffington in Die Schlaf-Revolution (2016)
Die bekannte amerikanische Autorin und Gründerin der Huffington Post
schläft heute hervorragend; am liebsten in einem pinken Pyjama und mit einer warmen Milch mit Honig auf dem Nachttisch. Das war nicht immer so. Sie hat eine ernstzunehmende »Schlaf-Krise« hinter sich. Nachdem sie völlig überarbeitet und ausgelaugt 2007 einen Zusammenbruch erlitten hat, macht sie sich auf Ursachensuche – und wird fündig: In ihrem Buch Die Schlaf-Revolution beschreibt sie die als eine, die es verlernt hat, richtig zu schlafen:- Viel zu arbeiten und mit wenig Schlaf auszukommen, gehört in der modernen Arbeitswelt mittlerweile zum guten Ton – und gilt als Zeichen von Engagement.
- Vor allem unter jungen Menschen gilt Schlaf als Spaßbremse und Produktivitäts-Killer. Man will schließlich
- Langer und tiefer Schlaf wird mit Faulheit und nicht mit Gesundheit assoziiert.
Das sind jedoch nur die Symptome, deren Ursachen tiefer liegen und nicht allein auf Arbeits- und Ausbildungswelt beschränkt sind. Das weiß Manfred Betz. Er ist Professor im Fachbereich Gesundheit der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen und beschäftigt sich intensiv mit Jugendlichen und ihrem Schlafverhalten.
– Manfred Betz, Schlafforscher
Der Schlafforscher hat dafür 3 Gründe parat:
- Medienkonsum: Digitale Bildschirmmedien sind heute fester Bestandteil unseres Lebens – längst nicht nur für die
- Hier fragt Maren Urner, warum ihr keiner das Wundermittel Bewegung verschreibt Sitzen und Bildschirm: Der menschliche Körper ist nicht für stundenlanges Sitzen gemacht. Im Büro, Klassenraum oder Hörsaal verbringen wir die meiste Zeit sitzend – häufig vorm Vielen Menschen fehlt hier ein Ausgleich an Bewegung.
- Leben gegen die Diese Studie untersucht die Schlafgewohnheiten von Jugendlichen (2012) bis 8 oder 9 Uhr. Doch Arbeits- und Schulzeiten (plus Pendelwege) zwingen uns zum Frühaufstehen, gegen unsere biologische Uhr. Das macht auf Dauer müde und weniger konzentrationsfähig. Die gesündere Vor allem Jugendliche sind abends länger aktiv und würden morgens länger schlafen –
Leistungsdruck, die Angst, nachts etwas zu verpassen, und unsere In diesem Text fragt sich Dirk Walbrühl, wie wir unser Smartphone klüger nutzen können ständige Erreichbarkeit durch soziale Medien führen zu einem Leben nach dem Motto: »Schlafen kann ich, Tatsächlich konnte experimentell gezeigt werden, dass Ratten bei totalem Schlafentzug innerhalb von 2 bis 3 Wochen sterben (englisch, 2002) wenn ich tot bin.«

Zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank
Eine der ersten Google-Ergänzungsvorschläge auf die Anfrage »warum bin ich« lautet: »so müde«.
Wer sowieso Schlafforscher Jürgen Zulley schreibt in seinem Buch vom guten Schlaf, warum uns zu wenig Nachtruhe dick, dumm und krank macht schlecht schläft, unterschätzt leicht die Bedeutung eines wirklich erholsamen Schlafes. Während der Nacht liegt unser Körper alles andere als »tot« oder funktionslos da. Im schlafenden Gehirn finden lebensnotwendige Prozesse statt. Dabei ist nicht nur die Länge des Schlafes entscheidend, sondern auch seine
Welche Funktionen Schlaf eigentlich für unseren Körper hat und welche Risiken schlechter Schlaf mit sich bringt, haben Wissenschaftler überall auf der Welt mittlerweile sehr gut untersucht. Eine davon ist Anna Heidbreder, die als Fachärztin für Neurologie im Bereich Schlafmedizin am Universitätsklinikum Münster arbeitet und krankhaften Schlaf erforscht.
– Anna Heidbreder, Neurologin und Schlafforscherin
- Körperliche Fitness: Der Zusammenhang zwischen Schlafentzug und Übergewicht ist mittlerweile gut erforscht. Im Tiefschlaf werden Diese Studie zeigt die metabolischen Konsequenzen von Schlaf und Schlafentzug (2008) unseren Appetit steuern. Fehlen sie, essen wir unbewusst mehr. ausgeschüttet, die
- Geistige Fitness: Im Schlaf werden neuronale Verknüpfungen gebildet und Gedächtnisinhalte neu strukturiert. Dies fördert die kognitive Außerdem löst unser Gehirn im Schlaf Probleme, ohne dass wir es merken. Zum Beispiel konnten schlafend eine versteckte Regel in einer Zahlenfolge entdecken. Am Sprichwort »schlaf drüber« ist also tatsächlich etwas dran.
- Gedächtnis: Im Schlaf übertragen wir Erinnerungen aus unserem Unser Gehirn selektiert dabei wertvolle Informationen. Im Traumschlaf wir Erinnerungen, legen das tagsüber Gelernte ab und prägen uns neu gelernte Bewegungsabläufe ein. Morgens sind wir also tatsächlich klüger als abends.
- Gesundheit: Über den Tag im Gehirn angesammelte Giftige Stoffwechselprodukte aus dem Gehirn zu spülen, ist lebensnotwendig (englisch, 2013) Giftstoffe werden nachts abgebaut. Das erhält die Schlaf baut außerdem Stress ab und stärkt damit das Immunsystem.

Gesunder Schlaf ist erholsam und rund
Wer dies regelmäßig nicht schafft und sich morgens häufig kaum erholt fühlt, leidet medizinisch an einer sogenannten »Schlafstörung« – oder womöglich an einer der 80 verschiedenen Erkrankungen des Schlafes wieSchlaftrunken Auto zu fahren, ist etwa genauso riskant, wie
Schlechter Schlaf und Schlafmangel haben ernste Folgen und Risiken für die Gesundheit: Sie führen zu Konzentrationsschwäche und einem Diese Studie fasst die Gesundheitsrisiken von Schlafmangel zusammen (2007) eingeschränkten Urteilsvermögen. Außerdem kann anhaltender Schlafmangel zu Maria Müller zeigt in diesem Text, wie Menschen mit Fahrradfahren für psychische Krankheiten sensibilisieren psychischen Problemen und erhöht das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen, Übergewicht und Bluthochdruck. Medizinische Studien bringen Schlafentzug auch mit Diabetes, Alzheimer und Krebs
Nicht umsonst legen über 20 Diese Metastudie analysiert den Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Mortalität (2010) unsere Lebensspanne.
Studien nahe: verkürzt auchTrotzdem erkennen viele Menschen erst spät, dass ein dauerhaftes Problem vorliegt, 17,3% der Deutschen haben schon einmal Schlafmittel genommen Schlafmittel, So wenden sich Patienten erst spät und an einen Facharzt.
Man schläft »halt einfach mal schlecht.« Dazu verschreiben viele Hausärzte einfach ein
– Anna Heidbreder
Höchste Zeit also, das Thema Schlaf endlich ernst zu nehmen und etwas gegen das nächtliche Herumwälzen zu unternehmen.
So werden wir zur »guter-Schlaf-Gesellschaft«
Doch damit wir alle auf Dauer besser schlafen, sind mindestens 3 Schritte nötig, die teilweise aufeinander aufbauen:
- Anerkennung: Wir sollten anfangen, den Schlaf als Teil unserer Gesundheitsvorsorge zu betrachten. Das beginnt schon bei der Art, wie wir darüber sprechen: »Langschläfer« etwa sind keine »Faulpelze«, sondern haben vielleicht einfach »den Dreh raus«.
- Kultureller Wandel: Umdenken beim Thema Schlaf ist angesagt, auch bei Unternehmen. Erste Anzeichen dafür finden sich in den USA: Google, Nike, Huffington Post und die NASA haben Sleep.org stellt US-amerikanische schlummerfreundliche Unternehmen vor (2015) »Nap rooms« eingerichtet und ermöglichen Mitarbeitern den Sie haben die Vorteile von ausgeruhten Mitarbeitern erkannt.
- Persönliche Lösungen: Am Ende kann nur jeder Einzelne für seinen guten Schlaf sorgen. Lösungsansätze gibt es viele, auch technische: Gibt man etwa im englischsprachigen App Store von Apple »Schlaf« ein, finden sich über Im deutschen App Store für Android gibt es immerhin 250 Schlaf-Apps 5.000 Apps – sie spielen Schlafmusik oder überwachen die Körperfunktionen.
Die eine Lösung für guten Schlaf für alle gibt es nicht. Das wäre so, als »würde man einen Koch nach 3 Rezepten fragen, die allen schmecken«, erklären Fabian Krapf und Utz Niklas Walter. Die beiden Gesundheits- und Sportwissenschaftler kennen sich mit individuellen Schlafbedürfnissen und Problemen aus. Gemeinsam haben sie der »Kultur des schlechten Schlafens« den Kampf angesagt. Dazu bieten sie gemeinsam mit weiteren Experten Schlafberatungen für Unternehmen an und gründen gerade das Start-up www.letsleep.de soll auch Deutschlands größte Schlaf-Community entstehen.
ein Online-Schlafcoaching für Jedermann. Unter
– Utz Niklas Walter von letsleep
Gerade die schnelle und anonyme Online-Beratung könnte vor allem für diejenigen Menschen eine Hilfe sein, die sich eigene Schlafprobleme noch nicht eingestehen. Denn die beiden Pioniere einer »guter-Schlaf-Gesellschaft« sind sich sicher: Bereits kleine Änderungen im eigenen Maren Urner zeigt dir in diesem Text, wie du schlechte Gewohnheiten brichst Verhalten können den eigenen Schlaf erheblich verbessern.
Die vielversprechendsten Tipps unserer Gesprächspartner haben wir mit 40 Schlafverbesserern getestet. Mit dabei waren neugierige Leser, aber auch Mitglieder aus der Redaktion von Perspective Daily.

Die 5 Ergebnisse unseres besser-schlafen-Experiments
Vor einigen Wochen haben wir Redaktionsmitglieder und Leser gebeten, ein Detail
Keine dieser Veränderungen sollten viel Überwindung kosten, sondern ohne große Vorbereitung schon am ersten Abend einzuhalten sein.Die positiven Rückmeldungen nach einer Woche, die teilweise seitenlang waren, haben uns dann aber doch überrascht und führten zum wichtigsten Ergebnis: Auch wenn es kein Patentrezept für guten Schlaf gibt, sind die folgenden 5 Tipps zumindest das Ausprobieren wert!
- Stehe beim ersten Weckerklingeln auf: Auch wenn es Spaß macht, sich noch einmal umzudrehen – verzichte morgens auf die Snooze-Taste.
- Keine Technik im Bett: Fahre eine Stunde vor dem Schlafengehen alle Technik herunter, damit auch du besser herunterfahren kannst. Also kein Handy, keinen Laptop, keinen Fernseher und keine Spielekonsole im Bett!
- Schlafe kühler: Auch wenn es kuschelig ist, sich dick einzumummeln, versuche unter einer dünneren Decke zu schlafen und etwa 18 Grad Celsius in deinem Schlafzimmer zu erreichen – ohne dabei zu frieren. Frische Luft von außen hilft beim Einschlafen.
- Schlafe im Dunkeln: Elektronische Lichter wie Stand-by-Leuchten, Akku-Lampen oder blinkende Geräte, vor allem die mit
- Finde dein Schlaf-Ritual: Versuche vor dem Schlafen jeden Abend
Du willst sie heute Abend selbst ausprobieren? Schreib uns in den Diskussionen deine Erfahrungen! Wir wünschen für heute Abend: Guten Schlaf!
Katharina Lüth studiert Cognitive Science in Osnabrück, hat von Mai bis August ein Praktikum in der Redaktion von Perspective Daily gemacht und forscht zum Thema Schlaf und Traum.
Mit Illustrationen von Luzie Bayreuther für Perspective Daily
Die Diskussionen sind leider nur für Mitglieder verfügbar.