Wie wir mit mehr CO2 das Klima (und das Eis) retten
Für das Ozonloch sind Kühlschränke längst keine Bedrohung mehr. Für das Klima könnten sie aber verheerend werden. Helfen könnte ausgerechnet das »böse« CO2.
Herzlich willkommen in einer Utopie für den ganzen Planeten: Eine Gruppe bedeutender Staatschefs einigt sich auf ein Abkommen, das den Verbrauch von Gasen, die in der Erdatmosphäre großen Schaden anrichten, drastisch reduzieren soll. Das Besondere ist aber, dass den Versprechen tatsächlich auch Taten folgen: Die Staatsoberhäupter halten sich an die festen Quoten des Abkommens und erreichen ihr ambitioniertes Ziel.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Keineswegs: Das beschriebene Abkommen hat 2017 sein 30-jähriges Jubiläum gefeiert, die Rede ist vom
Ozonretter – und verkannter Klimaschützer
Obwohl der Beschluss vor allem auf den Schutz der Ozonschicht abzielte, erweist er sich heute ganz nebenbei als die mit Abstand effektivste Maßnahme im Klimaschutz, die die Menschheit bisher hervorgebracht hat – und stellt den Schutz des Regenwaldes und die Energiewende in den Schatten. Denn die verbannten Montreal-Gase fressen nicht nur ein Loch in die Ozonschicht, sondern sind auch
Heute, 30 Jahre nach Unterzeichnung des Protokolls, wird das Problem mit den Kühlschrank-Gasen wieder aktuell. Denn die neuen Kältemittel,
Ein neues Abkommen ist bereits in der Mache.
Aber warum sollte nicht ein zweites Mal funktionieren, was sich schon vor 30 Jahren bewährt hat? Ein neues Abkommen, das den Erfolg aus Montreal sogar noch übertreffen könnte, ist bereits in der Mache. Möglich macht das ausgerechnet die Mutter aller Treibhausgase: CO2. Das Gas könnte in den Klimaanlagen von morgen die Erderwärmung ausbremsen – und uns im doppelten Sinne vor dem Hitzekollaps retten.
Wir leben in einer kühlen Welt
Kühlung ist zwar aus dem Alltag fast nicht mehr wegzudenken, aber oft bleibt sie unbemerkt. Außer beim Kühlschrank in der Küche ist sie nämlich ein unauffälliger Begleiter – zum Beispiel von Sophie. Versuche im folgenden Abschnitt mitzuzählen, wie oft Kühlung an ihrem Tag eine Rolle spielt:
Montag, 7 Uhr, Sophies Morgenroutine beginnt: kurz duschen, Müsli essen und aus dem Haus. Viel Zeit dafür hat sie nicht, denn der Bus zum Museum für moderne Kunst, wo Sophie arbeitet, fährt gleich los. Dort angekommen, recherchiert sie online Informationen für die nächste Ausstellung. Um 12 Uhr gibt es in der Kantine Mittagessen; danach geht Sophie zum Arzt, eine Impfung für den nächsten Urlaub wartet. Abends kauft sie noch das Nötigste im Supermarkt ein und geht später mit einer Freundin ins Theater.
Hast du 7 oder 8 gezählt? Dann ist dir die Bedeutung von Kühlung schon bewusst und du kannst direkt weiterlesen. Wenn nicht,
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Montag 7 Uhr, Sophies Morgenroutine beginnt: kurz duschen,
Bernhard Siegele ist Leiter des globalen Programms Proklima der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Er setzt sich für umweltfreundliche Kühlung weltweit ein –
Kühlung sei »nicht nur Komfort, sondern vor allem auch Notwendigkeit«, meint Bernhard Siegele. Denn sie sorgt zum einen für die erfrischende Limonade im Sommer. Zum anderen machen Kühlschränke Nahrung länger haltbar und sind unabdingbar, um viele Medikamente wie etwa Impfstoffe aufzubewahren;
Klar ist: Auf Kühlung zu verzichten, ist keine ernst zu nehmende Alternative. Stattdessen sollten Ingenieure die richtigen Stellschrauben finden, die Kühlung grüner machen können. Und das geht vor allem über die Kältemittel.
Wie Kältemittel den Kühlschrank kühlen und den Planeten heizen
»Kältemittel« – der Begriff versprüht ungefähr so viel Charme wie ein staubiger Aktenstapel. Viele dieser künstlichen Stoffe sind allerdings Schwergewichte unter den Treibhausgasen und auf dem Weg zur grünen Kühlung kommt man nicht an ihnen vorbei.
»Kühlung ist nicht nur Komfort, sondern vor allem auch Notwendigkeit.«
Anzutreffen sind sie in Klimaanlage, Kühlschrank und Kühltruhe, weil die verschiedenen Geräte auf ein einziges Prinzip zurückgreifen, auf die
Während Kältemittel im Gefrierschrank so für Minusgrade sorgen, bringen sie – einmal in der Atmosphäre – unseren Planeten zum Schwitzen. Dabei gibt es 3 Gruppen oder
Im Vergleich mit CO2 schneiden
CO2 ist gefährlich für das Weltklima, weil wir so unglaublich viel davon emittieren – Kältemittel dagegen, weil schon winzige Mengen in der Atmosphäre
Wenn Kältemittel aber nur innerhalb des Kühlschranks arbeiten – wo liegt dann das Problem?
Warum bleiben Kältemittel nicht im Kühlschrank?
Kältemittel sind kein Treibstoff, den man ständig neu tanken muss. Sie entsprechen eher dem Motoröl, das – einmal im Gerät – den Motor immer aufs Neue schmiert. Wie das Motoröl sollte eigentlich auch das Kältemittel im Gerät bleiben. Doch genau so, wie sich auf dem Parkplatz immer wieder Ölflecken finden, entweichen auch die Gase ungewollt aus den Kühlschränken. Auf 2 Wegen gelangen sie in die Atmosphäre:
- Während des Betriebs: Bei Kühllastern und Autos rüttelt die ständige Bewegung an Dichtungen, bis sie sich lockern und Gas entweicht. Bei großen Kühlanlagen, zum Beispiel für riesige Lagerhallen, tritt Gas schon aus, wenn Mechaniker die Dichtungen vor Ort verschrauben. Diese Anlagen sind auch während des Betriebs noch viel schlechter versiegelt als ein Kühlschrank, der komplett abgedichtet aus der Fabrik kommt.
- Am Ende des Produktlebens entscheidet sich, ob das gesamte Kältemittel auf dem Schrottplatz austritt oder sachgerecht entsorgt wird.
Zwar kümmern sich schon viele Ingenieure so gut es geht um diese beiden Lecks. Gegen den rasanten Zuwachs an Kühlschränken – und damit neuen Lecks – sind sie allerdings machtlos.
Kälte wird immer wichtiger
Während die erste und die zweite Generation, also die größten Übeltäter, langsam vom Montreal-Protokoll in den Ruhestand geschickt werden, tritt die dritte Generation auf die Bühne der Klimagase. 2016 entwich schon mehr als 3-mal so viel der jüngsten Kältemittel in die Atmosphäre
Das hat 3 Ursachen:
- Montreal-Protokoll: Der Ausstieg aus den beiden älteren Generationen hat dazu geführt, dass Chemiker nach Alternativen gesucht haben. Die Umstellung auf die klimaschädliche dritte Generation war die einfachste Lösung.
- Steigender Wohlstand: Wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs können sich immer mehr Menschen eine Klimaanlage leisten.
- Hohe Temperaturen: Viele Länder, die gerade einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben, sind deutlich wärmer als die alten Industrienationen: Indien hat wegen seines Klimas
Allein die Kältemittel dritter Generation, die 2015 weltweit hergestellt wurden, würden bei einem Austritt in die Atmosphäre das Klima so sehr belasten wie die jährlichen Emissionen von 297
Je mehr der
In 2 Schritten zur grünen Kühlung
Wenn es in Frankfurt am Main Sommer wird, öffnen Barbara Gschrey und ihre Kollegen im Büro lieber die Fenster, als die Klimaanlage einzuschalten. Die Mitarbeiter des Büros für Umweltforschung und -beratung »Ökorecherche« wissen sehr genau, welche globalen Auswirkungen die Geräte haben. Sie fertigen Studien rund um die Klimagase an, vor allem für politische Institutionen wie das Umweltbundesamt. Barbara Gschrey weiß, dass »es heute für fast alle Anwendungen Alternativen gibt«.
Deswegen ist eine grüne Kühlung in nur 2 erprobten Schritten zu erreichen. Im ersten Schritt muss eine klimafreundliche vierte Generation Kältemittel her. Im zweiten Schritt müssen die bereits vorhandenen Mengen der ersten 3 schmutzigen Generationen verantwortungsvoll entsorgt werden.
- Natürliche Kältemittel: Ähnlich wie für die Küche
Aber dem Einsatz von natürlichen Kältemitteln liegen noch einige Steine im Weg: Ammoniak ist zum Beispiel giftig, Kohlenwasserstoffe sind entflammbar und CO2 arbeitet nur unter sehr hohem Druck – Eigenschaften, auf die Hersteller in der Gestaltung und Wartung der Geräte eingehen müssen.
Zudem muss das Personal, das Klimaanlagen installiert und wartet, entsprechend ausgebildet werden. Das sind Investitionen, die sich im Preis niederschlagen, der wegen kleiner Stückzahlen ohnehin zu hoch ist. Deswegen stemmt sich ein Teil der Industrie noch gegen die
Gleichzeitig beweisen Ingenieure, - Rückgewinnung: Alle alten Kältemittel, die noch im Umlauf sind, müssen am Ende des Produktlebens wiederverwendet und schlussendlich zerstört werden. Hier fehlt es an einer internationalen Richtlinie: Das Montreal-Protokoll regelt nur die Produktion und den Verbrauch, sagt aber nicht, was mit bereits vorhandenen Beständen passieren soll.
Auch hier hat die EU eine Vorbildfunktion. Die F-Gas-Verordnung regelt Emissionen der dritten Generation – nicht nur Produktion und Verbrauch. Um weniger zu emittieren, wird EU-weit an einer funktionierenden Entsorgung von Kältemitteln
Fast 30 Jahre nach dem Montreal-Protokoll erkannte die UN 2016 die erneute Bedrohung und raufte sich ein zweites Mal zusammen, um die Umwelt vor Kältemitteln zu retten. Die Mitgliedstaaten verabschiedeten ein Papier, das Bundesumweltministerin Barbara Hendricks einen
Die Kigali-Vereinbarung ist eine Riesenleistung der Staatengemeinschaft. Sie ist das bis jetzt einzige klimarelevante Umweltabkommen mit konkreten Verpflichtungen.
Bis jetzt haben 25 Vertragsstaaten die Vereinbarung ratifiziert – darunter
Die Vereinbarung sei »eine Riesenleistung«, meint Bernhard Siegele, der im Auftrag der Bundesregierung arbeitet. Barbara Gschrey von der unabhängigen Beratungsstelle nennt sie hingegen »einen ersten Schritt«. Denn nur die reichsten Länder müssen schon 2019 Verbrauch und Produktion reduzieren, wichtige Länder wie Indien folgen erst Das Ziel sollte sein, diese Stoffe überhaupt nicht mehr zu verwenden.
Ziel sein sollte, diese Stoffe überhaupt nicht mehr zu verwenden«, und nicht nur den Verbrauch um mindestens 80% zu reduzieren, wie es derzeit feststeht. An diesen Punkten sollte in ihren Augen nachverhandelt werden.
Eines steht fest: Eine möglichst starke Kigali-Vereinbarung hat enormes Potenzial, wenn die übrigen Staaten zustimmen. Ohne die Vereinbarung wäre das 2-Grad-Limit der
Weitere Informationen zu dieser Förderung findest du hier
Titelbild: ian dooley - CC0 1.0