Den Wehrdienst will niemand zurückhaben. Trotzdem brauchen wir ein Pflichtjahr
Das ist ein krasser Eingriff in die Freiheit junger Menschen. Aber es gibt gute Gründe, die ihn rechtfertigen.
Mein Zivildienst ist jetzt fast 10 Jahre her – und trotzdem denke ich noch häufig an die Zeit zurück. Das Wohnheim für
Jetzt, 7 Jahre später, wünscht sich die CDU-Basis laut ihrer Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer den Wehrdienst zurück. Die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat diesem Wunsch zwar schon eine Absage erteilt, aber bis dahin hatten bereits einige Politiker aus beiden Regierungsparteien eine andere Idee ins Spiel gebracht: Jeder junge Erwachsene – im Jahr wären das etwas mehr als
Noch ist die Idee nicht viel mehr als heiße Luft, von der sich zeigen wird, ob sie bis zur ersten Bundestagssitzung nach der Sommerpause durchhält oder ob sie sich verzieht, wie die
Wer profitiert von staatlichem Zwang?
Neben dem klassischen Wehr- und Zivildienst hätte ich mich damals auch für Umwelt oder Kultur engagieren können, und zwar sogar im Ausland. Auch beim aktuellen Modell, dem
Für viele ist die Vorstellung ein Albtraum, dass der Staat derart stark in die Freiheit junger Menschen eingreift, ihnen eines ihrer besten Lebensjahre verplant und unter Zwang die Ausbildung oder den Einstieg ins Berufsleben unterbricht. Ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr muss gut begründet werden. Günstige Hilfskräfte für fürsorgliche Pflege? Kein Argument, das muss das Gesundheitsministerium schon selbst schaffen. Nachwuchssorgen der Bundeswehr? Auch das wäre ein zu schwaches Argument – obwohl es ein positiver Nebeneffekt wäre, wenn die Bundeswehr dann ihre Rekrutier-Trupps nicht mehr auf Schulen und Jobmessen schicken würde, weil von selbst
Betrachtet man jedoch das große Ganze, so ergibt sich ein Argument, das staatlichen Zwang eher rechtfertigt: Der wahre Profiteur des Gesellschaftsdiensts wären in erster Linie nicht Krankenhäuser und Kasernen, sondern die Gesellschaft als Ganzes.
Der Schmelztiegel-Effekt
Welche positiven Auswirkungen ein Gesellschaftsdienst in Deutschland hätte, lässt sich erahnen, wenn man nach Israel blickt. Für die Staatsarchitektur spielt Es könnte so viel daraus werden, wenn man den jungen Leuten statt Schwertern Pflugscharen in die Hand drückt.
365 Tage voller Chancen
Als die Wehrpflicht vor 7 Jahren ausgesetzt wurde, hätte wohl kaum jemand gedacht, dass wir heute derart um gesellschaftlichen Zusammenhalt ringen würden. Ein Gesellschaftsjahr könnte ein Stück davon zurückbringen – und dieses Ziel rechtfertigt sogar, junge Menschen ein Jahr lang in Beschlag zu nehmen.
Statistisch gesehen werden die heute 20-Jährigen
Der Gesellschaftsdienst würde Egoismen ausbremsen.
Ein Stück weit würde so ein Jahr Egoismen und Individualismen ausbremsen, die in der Gesellschaft immer wieder sichtbar werden. Ein Gesellschaftsjahr würde junge Erwachsene etwas sozialer und aufmerksamer für die Belange anderer machen. Die meisten sind das natürlich auch ohne staatlichen Zwang – viele arbeiten nach der Schule
Mein Zivildienst hat mir vor allem Dankbarkeit für die eigene geistige Gesundheit und Respekt gegenüber Menschen in sozialen Berufen verschafft. Ich bin letztendlich nicht in einem sozialen Beruf gelandet, aber ich will diese prägende Zeit nicht missen. Natürlich kann man solche Erfahrungen auch neben dem Studium oder dem Beruf sammeln – es ist jedoch ungleich schwerer.
Der Zeitpunkt nach der allgemeinbildenden Schule, aber vor der spezialisierenden Berufsausbildung ist doppelt günstig: Entweder können junge Männer und Frauen hier bewusst andere Erfahrungen sammeln als
Was ein Gesellschaftsdienst kann – und was er nicht kann
Schon klar, ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr wird die Probleme Zivis werden den Pflegenotstand nicht aufhalten.
In diesem Bereich hat er viel Arbeit vor sich – aber Zivis werden ihm dabei keine Hilfe sein.
Ein wieder eingeführter Wehrdienst wird auch nicht die Bundeswehr zur Superarmee machen. Zwar ist die Lage gerade gefühlt etwas bedrohlicher als noch im Jahr 2011, aber wenn die NATO mit schnellen Eingreiftruppen, Kampfdrohnen, Cybereinheiten und überhaupt viel höheren Verteidigungsausgaben Russland abschrecken will, dann ist eine Hundertschaft Abiturienten dabei keine große Hilfe.
Aber das sind auch nicht die Erwartungen, die wir an junge Menschen richten sollten, die sich 12 Monate in den Dienst der Gesellschaft stellen. In diesem Jahr sollen sie in erster Linie reicher werden an persönlichen Erfahrungen – und dafür übrigens, wie schon bei Wehr- und Zivildienst, auch so bezahlt werden, dass sie mindestens ihre Kosten decken können.
Außerdem, und das ist die wichtigere Funktion, soll es sie in der Gesellschaft erden. Egal ob im Altenheim, einem Wattenmeer-Projekt oder doch beim Bund: Bei allen Tätigkeiten investiert man Zeit und Kraft für die übrigen 82 Millionen Menschen in Deutschland und trägt etwas zum Gelingen dieser Gesellschaft bei. Miteinander ist besser als gegeneinander – und wenn jeder einmal anpackt, haben am Ende alle etwas davon.
Mit Illustrationen von Michael Szyszka für Perspective Daily