Dieses Krankenhaus spart mit einer einfachen Idee Millionen. Wieso machen das nicht alle so?
Denn davon profitiert nicht nur das Management, sondern auch die Patienten.
Betten, die so viel Energie verschlingen, wie 4 Einfamilienhäuser. Davon gibt es in Deutschland Hunderttausende. In jedem von ihnen kann es um Leben und Tod gehen, denn
Ebenso groß wie die Menge an Energie, die ins Krankenhaus fließt, ist der Berg aus Abfall, der hier zusammenkommt: Von Omas Kekspackung über gebrauchte Verbände bis hin zu entnommenen Organen und Körperteilen, die gesondert entsorgt werden müssen, fällt eine Menge an. Du bist schon mit Rest-, Bio- und Plastikmüll überfordert? Im Krankenhaus wollen über 50 verschiedene Abfallarten korrekt entsorgt werden – die Champions League der Mülltrennung.
All das beansprucht eine weitere Ressource, von der die wenigsten Kliniken genug haben: Geld. Jedes dritte Krankenhaus schreibt rote Zahlen, nur jedes fünfte Haus erwartet zeitnah eine
Energie, Müll, Geld. Ich habe mich gefragt: Bleibt bei dieser Vielzahl von Problemen überhaupt Zeit – und vor allem Geld –, um nachhaltig zu denken? Oder bieten grüne Ideen sogar Chancen, damit mehr Krankenhäuser auf Dauer schwarze Zahlen schreiben?
Das Krankenhaus als Stadt in der Stadt
Angesichts dieser Größenordnungen ist es sinnvoll, dass
Schätzungen zufolge könnten durch Modernisierungen je nach Alter und Größe der Häuser rund 40% Strom und 32% Wärme
»Es gibt hier natürlich Einschränkungen: Investitionsmittel werden in der Regel primär für die bessere Versorgung der Patienten verwendet.« Ein wirklicher Konflikt sei dies aber erst mal nicht, Nachhaltigkeit hätte laut Eckhart Nagel trotzdem einen Platz auf der Agenda vieler Klinikleitungen.
Welchen Stellenwert solche Projekte tatsächlich haben, ist von Krankenhaus zu Krankenhaus so unterschiedlich wie die finanzielle Ausstattung der Häuser. Gewisse Muster lassen sich trotzdem erkennen: »Kliniken
Tatsächlich sind mit ein wenig Rechercheaufwand relativ viele Kliniken zu finden, die Maßnahmen ergriffen haben, um zum »Green Hospital« zu werden – davon auffällig viele Universitätskliniken. Wenige haben jedoch ein so umfassendes Konzept entwickelt wie das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Kann das »Grüne Uniklinikum Eppendorf« halten, was der Name verspricht?
Um herauszufinden, was hinter dieser Bezeichnung steht und ob es dabei um mehr geht, als ein paar aufs Dach der Klinik gestellte Solarzellen, habe ich mich auf den Weg nach Hamburg gemacht.
Meine Tour beginnt im dritten Stock eines unscheinbaren Gebäudes am Rande des Klinikgeländes. Hier ist der Geschäftsbereich für Sicherheit und Umwelt untergebracht.
Ich bin spät dran, meine Gesprächspartner Frank Dzukowski und Heiko Schlüter erwarten mich bereits. Ein verständnisvoll-mitleidiges Lächeln huscht über die Gesichter, als ich den kleinen Konferenzraum betrete. Die Schuld für mein Zuspätkommen schiebe ich Google Maps in die Schuhe, das mich zwar zuverlässig zum Klinikgelände navigiert hat – mir aber verheimlichte, dass das richtige Gebäude noch mal einen Kilometer Luftlinie von meinem Ankunftsort entfernt liegt.
»Man muss sich klarmachen, dass wir bei dieser Größe hier auch einen Energiebedarf haben, der mit allen Haushalten einer 80.000-Einwohner-Stadt vergleichbar ist«, beginnt Frank Dzukowski. Als Geschäftsführer für Energie ist er für die Versorgung der rund 100 Gebäude der Klinik zuständig, die zusammen fast so viel Energie verbrauchen wie die Stadt Flensburg. Ohne einen möglichst effizienten Umgang mit Energie könnte der Verbrauch aber auch spielend wesentlich größer sein. »Wir sprechen hier von energieintensiven Bereichen wie Operationssälen, Intensivstation, Laboren und dem zentralen Sterilisationsbereich zur Aufbereitung von Instrumenten und Medizinprodukten. Hinzu kommt, dass wir als Uniklinik medizinische Forschung betreiben. Die dafür nötigen medizinisch-wissenschaftlichen Geräte sind ebenfalls ein Faktor.«
Daher habe man das Leitbild »Grünes Universitätsklinikum Eppendorf« als eine von 5 zentralen Säulen des Selbstbildes der Klinik festgeschrieben – und in den vergangenen Jahren einiges an Taten folgen lassen:
- Energiehunger von Gebäuden reduzieren: Im Jahr 2013 wurde das neugebaute Blockheizkraftwerk in Betrieb genommen, das neben Strom auch Wärme und Klimatisierung bereitstellt. Mit dem anfallenden Dampf werden außerdem medizinische Instrumente sterilisiert. Durch die effizientere Technik im Klinikkomplex ging der Wärmeverbrauch in den vergangenen 5 Jahren zudem
- Logistik neu denken: Notaufnahme, Chirurgie oder Krebsstation. So unterschiedlich wie die Stationen sind auch die Materialien, die dort Tag für Tag benötigt werden. Das geht entweder per Kleinlaster, oder aber so:
Zahllose dieser kleinen Transportroboter flitzen in beachtlicher Geschwindigkeit durch die Katakomben unter dem Klinikgelände (solange kein unachtsamer Mitarbeiter den Weg versperrt), um alles, was tagtäglich benötigt wird, über Fahrstühle direkt auf Station zu liefern – emissionsfrei.
Aber wenn sich schon der Stationsbedarf emissionsarm bewegt, warum nicht auch die Mitarbeiter? Um ihnen den Arbeitsweg per Rad schmackhaft zu machen, gibt es auf dem Gelände neben Doktoren für Innere Medizin oder Herzchirurgie auch »Dr. Bike«, der sich um die Nöte von Drahteseln kümmert. Mitarbeiter, die mit dem Rad fahren, erhalten hier einen Nachlass auf Reparaturen und Service, was dazu geführt hat, dass inzwischen 1/3 von ihnen mit dem Rad zur Arbeit kommt. Und davon profitiert nicht nur das Klima, sondern auch der Verkehrsfluss rund um die »Stadt in der Stadt«. Und natürlich die Gesundheit des Gesundheitspersonals. - Mitarbeiter sensibilisieren: Auf der Verwaltungsebene ein Leitbild festzulegen ist das eine. Alle 11.000 Mitarbeiter dafür zu gewinnen das andere. Deswegen gibt es regelmäßige Fortbildungen zu Themen wie Energiesparen oder umsichtigen Umgang mit Ressourcen für Führungskräfte und neue Mitarbeiter. Dieser Punkt ist auch Eckhart Nagel, Direktor des Instituts für Medizinmanagement in Bayreuth, besonders wichtig: »Im Krankenhausbereich war es lange Jahre so, dass man alles, was man brauchte, unbeschränkt zur Verfügung hatte. Da konnte man stellenweise durchaus von Verschwendung sprechen. Diese Zeiten sind vorbei. Heute weiß jeder, dass
Die verschiedenen Maßnahmen haben eines gemein: Die Investitionen tragen sich durch Einsparungen nach einer gewissen Zeit selbst. Ist zum Beispiel die antiquierte Ölheizung erst einmal ausgemustert, kann von dem Geld, das bei den Energiekosten fortan gespart wird, der Kredit für die neue Heizung abgezahlt werden.
Klappt es nicht direkt mit dem Umbau, kann aber auch durch kleinere Maßnahmen schon viel erreicht werden, wie die vom Umweltministerium geförderten Weiterbildungen zum »Klimamanager« in Krankenhäusern beweisen. Die Klimamanager nutzen ihr neues Wissen dann etwa, um dafür zu sorgen, dass in OP-Sälen Bewegungsmelder eingebaut werden, die die Lüftung nur aktivieren, wenn der Raum auch wirklich genutzt wird. Allein durch einfache Maßnahmen wie diese konnten durch die Schulungen an 50 Kliniken 10% Energiekosten und 34.500 Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht
Eine Win-win-Situation für Krankenhäuser und Umwelt, die ganz pragmatische Gründe für mehr Nachhaltigkeit liefert – und damit eine Vorbildfunktion für private Kliniken hat. Davon ist auch Eckhart Nagel überzeugt: »Spätestens diese finanziellen Rahmenbedingungen führen dazu, dass unabhängig vom Träger mehr und mehr Klinikleitungen genauer hinschauen. Das gilt auch für die Abfallentsorgung, da hat man sich lange Zeit überhaupt keine Gedanken drüber gemacht«.
Um also ein echtes »Green Hospital« zu werden, reicht es nicht aus, Energie zu sparen und Fahrräder sowie E-Mobilität zu fördern. Wie steht es mit den riesigen Abfallbergen, die Tag für Tag im Krankenhaus anfallen?
Abfallmanagement ist mehr als Müll entsorgen
Heiko Schlüter hat einen kämpferischen Ton in der Stimme, während er mich durch die unterirdischen Gänge im UKE führt, die die verschiedenen Gebäude der Klinik miteinander verbinden. Seit über 25 Jahren widmet er sich dem Umweltschutz und Abfallmanagement im Krankenhaus. »Es gibt auch hier noch zu viele Menschen, die denken: ›Warum soll ich das jetzt in unterschiedliche Eimer schmeißen, die kippen doch unten eh alles wieder zusammen auf einen Haufen.‹ Das ist einfach Unsinn!«, ärgert er sich. Hartnäckige Abfallmythen wie diese sind nicht nur Gift für den Rohstoffkreislauf, sondern auch für die Klinikkasse: »Wenn sich deshalb am Ende im Container für Pappe noch Plastikfolie findet, werden dem Krankenhaus die Kosten für das Sortieren noch zusätzlich in Rechnung gestellt.«
Während wir uns unterhalten, müssen wir uns mittig im Gang halten, um mit den emsigen Transportrobotern nicht ins Gehege zu kommen, die blinkend an uns vorbeiflitzen. Auf dem Rückweg von den Stationen zum zentralen Lager schultern sie den Abfall, der von den Behandlungen der Patienten übrig bleibt.
Tag für Tag kommen so enorme Mengen zusammen – im Durchschnitt ganze 6 Kilogramm pro Patient. Und die haben es in sich: Von der Chipstüte der Besucher über Gummihandschuhe bis hin zu leeren Blutkonserven und Medikamentenfläschchen ist da alles dabei. Hinzu kommen brisante Stoffe wie radioaktive, infektiöse oder organische Materialien. Besonders für letztere gibt es strenge gesetzliche Auflagen zum Schutz von Patienten und Mitarbeitern, hinter denen Nachhaltigkeitsaspekte zurückstehen müssen. Und das ist auch gut so: Kein Patient muss sich ängstigen, dass die Infusionsnadel nicht steril ist, nur weil weniger Verpackung genutzt wird.
»Die eigentlichen Probleme gehen vielmehr schon damit los, wie die Produkte von Herstellern angeliefert werden«, erklärt Heiko Schlüter. So würden zum Beispiel einzeln verpackte, sterile Spritzen in großen Plastikbeuteln geliefert, die wiederum in Kartons verpackt sind.
Generell steige die Menge solcher Verpackungen für Verpackungen immer weiter an. 5.000 Tonnen sind es jährlich allein im UKE, in ganz Deutschland fallen sogar 4,8 Millionen Tonnen an. Damit gelten Krankenhäuser als der fünftgrößte Müllproduzent in Deutschland.
»Hier müssen wir die Hersteller in die Pflicht nehmen, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen«, so Heiko Schlüter. Beispiel Tabletten: Jeder kennt die silbern glänzenden Verpackungen, aus denen man seine Pille herausdrückt. Für Krankenhäuser sind die genauso verpackt wie in der Apotheke um die Ecke. Bei den Mengen ist das völlig unnötig. Um Abhilfe zu schaffen, werden die Tabletten im UKE inzwischen ohne Plastik als sogenanntes »Schüttgut« angeliefert. »Das sollten Einkäufer direkt mit in die Ausschreibungen aufnehmen. Dann wissen die Anbieter irgendwann: ›Wenn wir den Zuschlag kriegen wollen, müssen wir umdenken‹«, so Heiko Schlüter.
»Wir wollen irgendwie an all diese Rohstoffe rankommen!« – Heiko Schlüter
Als sich am Ende unseres Ausfluges in die Katakomben die Fahrstuhltüren wieder öffnen, ist schon die Dämmerung angebrochen. Nachdem Heiko Schlüter und ich uns verabschiedet haben, spricht mich an der Fahrradwerkstatt von Dr. Bike ein junger Arzt an. Auf die Frage hin, wo er Verbesserungspotenzial in Sachen Abfall bei seiner täglichen Arbeit sehe, fallen ihm prompt einige Punkte ein, die ihm nicht einleuchten: »Häufig kommen bestimmte Behandlungsinstrumente in eingeschweißten Sets mit bis zu 30 Teilen zu uns auf die Station. In der Praxis braucht man dann aber manchmal nur ein bestimmtes Utensil aus der Packung. Der Rest muss dann aus hygienischen Gründen ungenutzt entsorgt werden.« Auch im Bereich »Papierloses Krankenhaus« gebe es noch Verbesserungspotenzial, da Patientenakten nun zwar elektronisch abrufbar seien, im Alltagsgeschäft aber immer noch unzählige Papierdokumente anfallen würden.
Langweilig dürfte es Heiko Schlüter und seinen Kollegen also nicht so schnell werden. Der Wille zur Veränderung ist am UKE deutlich zu spüren. Die innovativen Projekte vom hochmodernen Blockheizkraftwerk über Dr. Bike bis hin zum Umdenken beim Abfallmanagement zeigen, dass Effizienz und Nachhaltigkeit nicht an den Realitäten im Krankenhausalltag scheitern. Im Gegenteil: Hier hat man verstanden – und bewiesen –, dass sie 2 Seiten derselben Medaille sind.
Noch sind sie in Eppendorf damit die Ausnahme: Nur ungefähr jedes zehnte öffentliche Krankenhaus arbeitet daran, nachhaltiger zu werden, bei den
Vielleicht ändert sich das endlich, wenn sich herumspricht, dass sich mit dem Ressourcenschonen auch die Ressource Geld schonen lässt. Die Uniklinik Hamburg-Eppendorf zeigt, was geht!
Weitere Informationen zu dieser Förderung findest du hier!
Titelbild: Chris Vielhaus - copyright