Warum Populisten eine Gefahr fürs Weltklima sind
Ins nächste Europaparlament ziehen viel mehr Rechtspopulisten ein. Die meisten sind gegen Klimaschutz – aber einige ticken anders.
Beatrix von Storch hat ein vermeintliches Synonym für Klimaschutz gefunden:
Diese recht zufällig herausgegriffene Abstimmung passt in ein größeres Muster. Vereinfacht könnte man sagen: Rechtspopulisten tun sich schwer im Klimaschutz – und wenn mehr von ihnen ins nächste Europaparlament einziehen, gibt es noch mehr dicke Luft.
Die Wahrheit ist natürlich viel komplexer.
- Deutschland: Die AfD stellt den gesamten wissenschaftlichen Konsens über den vom Menschen verursachten Klimawandel infrage. Stattdessen führt sie ihre Anhänger mit der Aussage aufs schmelzende Glatteis,
- Frankreich: Der rechtsextreme Rassemblement National (früher: Front National) von Marine Le Pen lehnt den Weltklimarat UNFCCC als »kommunistische« Organisation ab, will aber mit Solar- und Biogasanlagen einen französischen »Klimapatriotismus« etablieren.
- Ungarn: Die Fidesz-Partei von Premierminister Viktor Orbán findet das Pariser Klimaschutzabkommen super, trägt auch die meisten Klimaschutzmaßnahmen in Brüssel mit, und setzt ausschließlich auf internationale Maßnahmen, um die Erderwärmung auszubremsen.
Diese 3 Beispiele genügen, um zu verstehen, dass das Spektrum der Einstellungen europäischer Populisten gegenüber dem Klimawandel wesentlich breiter ist, als man denken mag.
Deshalb haben sich Wissenschaftler des Berliner Thinktanks adelphi ausführlicher mit den Rechtspopulisten beschäftigt, die im Europaparlament sitzen. Ihre
Populisten und Klima
Hitzerekord um Hitzerekord, Ernteausfälle, tote Fische in Flüssen und Seen mit historisch niedrigen Pegelständen – wer sich bisher noch nicht mit der Klimakrise beschäftigt hatte,
In der Folge fuhren in Deutschland die Grünen
So langsam, aber sicher kommt das Bewusstsein für Klimaschutz in der Mitte der Gesellschaft an. Häufig übernehmen jedoch Rechtspopulisten die Rolle des »Hauptsache dagegen!«-Onkels von der Familienfeier – und das nicht mal besonders fundiert: »Wir haben festgestellt, dass die Parteiprogramme selten Klimapolitik abdecken, und wenn doch, dass die Positionen relativ simpel oder unterentwickelt sind«, schreiben die Autoren der adelphi-Studie. Das könne zum Teil auch daran liegen, dass die vergleichsweise jungen Parteien oft keine Erfahrung in Gesetzgebung haben, oder sich in ihren Reihen ganz einfach keine Klimaexperten finden. Die klimapolitische Position der AfD beispielsweise wurde zu großen Teilen von Menschen wie Michael Limburg und Horst-Joachim Lüdecke entwickelt, die mit ihrer zwielichtigen Organisation
Im Europa-Vergleich ist die AfD mit die schärfste Leugnerin der Klimaforschung. Die adelphi-Studie sortiert die Parteien nach ihrer Haltung zur Forschung in 3 Gruppen ein:
- Skeptisch:
Freiheitliche Partei Österreichs
Dänische Volkspartei
Konservative Volkspartei
Alternative für Deutschland
UK-Unabhängigkeitspartei
Freiheitspartei
Schwedendemokraten - Zwiegespalten:
Partei für Freiheit und direkte Demokratie
Nationale Sammlungsbewegung
Goldene Morgenröte
Ordnung und Gerechtigkeit
Fortschrittspartei
Vlaams Belang
Bulgarische Nationale Bewegung
Recht und Gerechtigkeit
Slowakische Nationalpartei
Schweizerische Volkspartei - Zustimmend:
Nationale Allianz
Während schon die wissenschaftliche Basis vielfach in Zweifel gezogen wird, vernachlässigen viele Rechtspopulisten erst recht die daraus resultierenden Zusammenhänge. Dabei geht es nicht nur um Artensterben und mehr Extremwetterereignisse, sondern besonders auch um ein Thema, das eigentlich zentral für die Rechtspopulisten Europas ist: Im globalen Süden zwingen Missernten und andere klimawandelbedingte Katastrophen Menschen dazu, ihre Heimatländer zu verlassen und ihr Heil in der Flucht zu suchen. Laut der adelphi-Studie haben nur 3 Parteien – Rassemblement National, FPÖ und Lega – diesen Zusammenhang auf dem Schirm. Sie befürchten demnach, dass Klimapolitik dazu genutzt wird, illegale Migration nach Europa zu legitimieren.
In den Programmen der unterschiedlichen Parteien wechseln sich laut der adelphi-Analyse 4 Argumentationsmuster gegen nationale Klimaschutzmaßnahmen ab:
- Wohlstandsschädlich: Die AfD befürchtet beispielsweise, dass die deutsche Wirtschaft ins Hintertreffen gerät, wenn sie ihren CO2-Ausstoß weiter senken soll. Für die polnische PiS und die rechtsextreme Goldene Morgenröte in Griechenland steht nicht zur Debatte, dass die Kohle- bzw. Ölvorkommen weitestmöglich ausgeschöpft werden sollen, da sie Vermögenswerte für das jeweilige Land bedeuten.
- Ungerecht: Die Finnenpartei glaubt, dass die Energiewende mit Preissteigerungen verbunden ist,
- Umweltschädlich: Die schweizerische SVP – die freilich nicht zur Wahl fürs Europaparlament steht – nennt Windräder »Landschaftsverschandler«, die AfD sieht dadurch nicht nur die schützenswerte Kulturlandschaft, sondern auch drumherum fliegende Vögel bedroht. Die Dänische Volkspartei will die Turbinen deshalb nur offshore aufstellen. Die Finnenpartei argumentiert mit vermeintlichen Gesundheitsschäden durch Vibrationen im Ultraschallbereich.
- Ineffizient: Die Schwedendemokraten finden, erst sollten CO2-Schwergewichte wie Indien und China handeln, bevor Schweden seine Emissionen (weltweiter Anteil: 1,5%) weiter reduziert. Die Ablehnung des wissenschaftlichen Konsenses führt auch zu Aussagen wie der von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache: Er hält nicht den Menschen für den Hauptverursacher des Klimawandels,
Bei solchen Positionen ist es kein Wunder, dass jeder Stimmenzuwachs für rechtspopulistische Parteien auch eine breitere Front gegen Klimaschutzmaßnahmen bedeutet.
Wie stimmen Rechtspopulisten ab?
In der zu Ende gehenden Wahlperiode halten die rechtspopulistischen Parteien rund 15% der Sitze des Europaparlaments. Laut der adelphi-Berechnungen sind sie jedoch für 48% aller Gegenstimmen in Klimafragen verantwortlich. Zwar gibt es Ausreißer wie die ungarische Regierungspartei Fidesz, die fast alle Klimaschutzmaßnahmen mitträgt. Die überwiegende Zahl der rechtspopulistischen Abgeordneten versucht jedoch nach Kräften, Klimaschutz auf europäischer Ebene auszubremsen.
Bei einzelnen Abstimmungen sind die Fronten sogar noch klarer: Als das EU-Parlament im Juni 2018
Im neunten Europaparlament, das am 26. Mai gewählt wird, dürfte der Sitzanteil der Rechtspopulisten weiter steigen. Jedes vierte Mandat könnte ihnen in die Hände fallen. Basierend auf diesen Prognosen und den Ergebnissen wichtiger Klima-Abstimmungen haben die adelphi-Forscher berechnet, welche Folgen das für die EU-Gesetzgebung hat: Die Nein-Stimmen in Klimafragen dürften dadurch im gesamten Parlament um 2 Prozentpunkte auf 19% ansteigen. Das ist zwar immer noch ein geringer Wert – allerdings ist das nur der Durchschnitt, und längst nicht alle Klimaschutzvorhaben werden von einer komfortablen Mehrheit unterstützt.
Was tun?
Den Vormarsch der Rechtspopulisten zu stoppen ist schon längst eine Herausforderung, der sich das restliche politische Spektrum verschrieben hat. Stella Schaller, eine der beiden Autoren der adelphi-Studie, macht im Telefon-Interview einige Vorschläge, wie das funktionieren könnte:
Klimapolitik darf eben nicht nur als grüne Umweltpolitik konzipiert werden, sondern als Gesellschaftspolitik, die grundlegend an wichtige transformative Prozesse herangeht, also eigentlich in alle gesellschaftlichen Bereiche hineindringt.
Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe, die automatisch in andere Bereiche hineinstrahlt – und
Deshalb warnt Schaller: »Klimapolitik muss ganzheitlich gedacht und geplant werden.« Besser als eine CO2-Steuer auf klimaschädliche Verbrauchsgüter wie Benzin, die ärmere Menschen proportional stärker belastet, sei etwa ein Steueraufschlag aufs Einkommen. In
Auch den Heimatbegriff, den viele Rechtspopulisten – Stichwort »Verschandelung« der »Kulturlandschaft« durch Windräder – eher rückwärtsgewandt nutzen, könnten sich Klimaschützer viel stärker zu eigen machen: »Man muss die Bedeutung der Klimapolitik für den Schutz der heimischen Natur und Artenvielfalt, für die Luftqualität und die eigene Gesundheit stärker in den Vordergrund stellen«, sagt Stella Schaller.
Entscheidend in der politischen Kommunikation dürfte jedoch sein, nicht nur auf die Stichworte der Rechtspopulisten zu reagieren, sondern proaktiv eigene Schwerpunkte zu setzen:
Wir plädieren dafür, dass demokratische Parteien ein positives, attraktives Zukunftsszenario ausgestalten. Wie sieht die Stadt von morgen aus? Wie wollen wir uns dort bewegen? Gibt es kostenlosen, gut vernetzten öffentlichen Nahverkehr? Weite begrünte Flächen? Fahren wir überhaupt noch selbst oder sind unsere Autos autonom unterwegs?
Je konkreter, je fassbarer eine Vorstellung von der Zukunft wird, desto eher sind Menschen bereit, sich darauf einzulassen. Die nächsten Monate werden zeigen, welche Angebote uns die einzelnen Parteien machen.
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily