Wie Neuseeland Glück zum Maß aller Dinge macht
Das Bruttoinlandsprodukt ist ein Auslaufmodell. Neuseeland hat das erkannt und macht die Gesundheit und Zufriedenheit seiner Bürger zur Maßeinheit für Fortschritt. Vorhang auf für das »Wellbeing Budget«!
26% Wirtschaftswachstum – dieser Traum eines jeden Ökonomen wurde laut dem irischen Statistikbüro im Jahr 2015 zur Realität.
Auch wenn man denken könnte, die Nachricht sei nach einer durchzechten Nacht in einem Pub entstanden:
Doch Zahlen können täuschen.
Tatsächlich wuchs das irische Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur deswegen so stark, weil in der Republik internationale Konzernriesen wie Apple, Microsoft oder Starbucks ihre Geschäfte »abrechnen«. In einem konkreten Fall hatte Apple schlicht die Rechte an Patenten und geistigem Eigentum an eine Tochterfirma mit Sitz in Irland verkauft,
Die Iren nicht. Tatsächlich erholte sich das Land erst im Jahr 2015 langsam von der Finanzkrise und der anschließenden Sparpolitik.
Am Fall Irland zeigt sich, wie wenig aussagekräftig das BIP sein kann, das für manche Ökonomen bis heute das Maß aller Dinge ist. Dass es auch anders geht, zeigt ein Land am anderen Ende der Welt. Neuseeland denkt um – und gibt seiner Wirtschaft ganz andere Ziele.
Das Wellbeing-Budget: Lebensqualität statt Wachstumsfetisch
Die neuseeländische Regierung setzt seit Ende Mai dieses Jahres auf das
Das BIP allein garantiert weder einen steigenden Lebensstandard, noch berücksichtigt es, wer genau profitiert und wer auf der Strecke bleibt.
Daher müssten, so Ardern, alle Ausgaben einer Regierung es zum Ziel haben, die Gesundheit und Lebensqualität der Bürger sicherzustellen,
Mit dem neuen »Wellbeing Budget« müssen sich alle Regierungsausgaben künftig an 5 übergeordneten Zielen orientieren:
- Verbesserung der psychischen Gesundheit
- Reduzierung von Kinderarmut
- Wandel der Wirtschaft hin zu weniger CO2-Ausstoß
- Förderung der Digitalwirtschaft
- Unterstützung der indigenen Bevölkerung
Dass es sich hierbei nicht um Lippenbekenntnisse handelt, sieht man an den geplanten Investitionen. Der größte Posten des Haushalts 2019 ist der neu aufgelegte Fonds für mentale Gesundheit, der satte 1,9 Milliarden
Die Gegner des »Wellbeing Budgets«, darunter die national-konservative Partei und der
Doch genau darum geht es: Lebensqualität statt Wachstum um jeden Preis.
Ob der Ansatz tatsächlich Erfolg hat, muss sich zeigen. Und genau das will Neuseeland mit einem neuen System aus 61 Indikatoren, die künftig zusätzlich zur Wachstumsrate der Wirtschaft herangezogen werden. Diese reichen von der Einsamkeitsrate der Bürger über ihr Vertrauen in staatliche Institutionen – bis hin zu Messdaten über die Umwelt wie zum Beispiel die Wasserqualität.
Ein mutiger Schritt, denn die Regierung geht mit dieser radikalen Wende natürlich auch ein Risiko ein. Bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr werden die Wählerinnen und Wähler auch darüber abstimmen, ob sie diesen Weg mitgehen wollen, auch wenn die Ergebnisse erst mittel- und langfristig zu erwarten sind.
Schenken die Neuseeländer Jacinda Ardern und ihrer Regierung erneut ihr Vertrauen, könnte dies ein echter Wendepunkt für Regierungshandeln in aller Welt sein – hin zu einer Wirtschaft, die dem Menschen dient, und nicht umgekehrt.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily