Lach doch mal ... über den Islamischen Staat?
Ist Lachen über Terroristen, Fremdenhass und Diskriminierung gesund?
2 Männer in traditionell saudischen Gewändern und eine junge Frau mit Kopftuch betreten lächelnd eine Wohnung. Der erste trägt ein hübsch geflochtenes Einkaufskörbchen. Darin sind dekorative, selbst gebastelte, leuchtend rote Sprengstoffkörper drapiert. Rasch stellt die junge Frau ihre vollen Discounter-Tüten vom Einkauf ab, während die Männer sofort die explosiven Mitbringsel begutachten.
Als musikalische Begleitung gibt es in dem Youtube-Video einen Ohrwurm aus der Werbeindustrie in etwas abgewandelter Form:
Voll gepackt mit Sprengstoffsachen, die den Teufel glücklich machen, hinein ins Höllenfeuer. Mit ISIS-Weltansichten quälen, töten und vernichten, hinein ins Höllenfeuer. Jag’ dich doch hoch, drück’ auf den Knopf, benutz’ nie wieder deinen Kopf! Mit IS ins Höllenfeuer.
Noch schnell wetzen die beiden Märtyrer in spe die Säbel, wäre ja schade, wenn sie stumpf blieben. Währenddessen lässt ihre Komplizin den Koran in der Schublade verschwinden, um Platz zu schaffen für ein Tablett voll mit Butterfly-Messern, einer Pistole und noch mehr Sprengstoff. Auf dem Bildschirm steht zum Abschluss des Videos geschrieben: »ISIS quälen. töten. vernichten.«
Ist das noch lustig?
Für die 5 Youtuber von
Vor gut einem Jahr riefen sie das Satire-Kalifat für ihr Empörium aus. Der Name Datteltäter ist ihre Wortneuschöpfung mit Provokationsbonus, bestehend aus den Worten
Eroberungszug der lustigen Migranten
Die sogenannte Migrant-Comedy-Szene in Deutschland wächst. Comedians wie der in Deutschland geborene
»Wenn wir in eurer Gesellschaft nicht mitmachen dürfen, machen wir eure Sprache kaputt« – Jilet Ayse
Seinem Beispiel sind auch Künstler wie
Multikulturelle Comedy, die die Marotten von Migranten, Muslimen und der überwiegend nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft auf die Schippe nimmt, hat längst Einzug in die Welt des deutschen Bühnen-Entertainments gehalten. Das schafft Raum für interkulturelle Begegnungen, denn das Publikum setzt sich aus unterschiedlichen Nationen, Ethnien und Religionen zusammen. Ist das Anti-Rassismus-Arbeit mit Humor?
Die Migrant-Comedy ist ein junges Phänomen, das Vorurteile und Absurditäten im Umgang mit den verschiedenen Kulturen entlarvt, anprangert und lächerlich macht. In Deutschland lebende Minderheiten mit Migrationsbiografie haben in der 2. und 3. Generation ein neues und anderes Selbstbewusstsein als ihre Eltern oder Großeltern. Viele verstehen sich als selbstverständlicher Teil der deutschen Gesellschaft, haben mittlerweile deutsche Wurzeln und leben oft mühelos in 2 Kulturen.
Humor kann Stereotype in ihrer Absurdität entlarven. Primär sind es Standard-Stereotype wie: Bildungsresistenz, Fanatismus, Abschottung oder Sozialschmarotzertum. Und genau diese werden in unseren Satire-Videos problematisiert.
Hier zieht die Migrant-Comedy-Szene ganz klar an einem Strang, wenn sie gegen Vorurteile und Stereotype gegenüber Migranten auf die Bühne gehen.
Seit 2011 ist auch Comedian
»Ich glaube, ich gehe heute einen Ungläubigen töten«
Die wachsende Szene der Migrant-Comedy zeigt, dass Humor helfen kann, kulturelle Stigmatisierungen zu überwinden. Aber kann Humor eine echte Brückenfunktion in der interkulturellen Begegnung einnehmen? Professor
Mit Blick auf eine Brückenfunktion sollten wir 2 Gruppen beachten. Jene, die Vorurteile haben, und jene, die von ihnen betroffen sind. Für Menschen, die ständig Vorurteile oder sogar menschenfeindliche Bilder hören, ist migrantische Comedy ein medialer und kultureller Raum für Zugehörigkeit. Ob auch eine Brücke zu denen, die Vorurteile und menschenfeindliche Einstellungen, Gefühle und Weltbilder haben, gebaut werden kann, hängt davon ab, ob sich diese Menschen durch Humor in ihren geglaubten Wahrheiten erschüttern lassen.
Genau das versuchen die Datteltäter in ihren Videos zu zeigen: Zunächst bleibt einem das Lachen fast im Halse stecken. Ein leichtes Unbehagen schleicht sich auch ein, wenn die 5 Youtuber vor der Kamera gähnend und räkelnd den Tag mit der Aussage beginnen: »Ich glaube, ich gehe heute mal einen Ungläubigen töten!«
Ein entscheidender Konfliktmoment für den Zuschauer, meint auch Professor Andreas Zick: »Humor kann mit Stereotypen so spielen, dass jene, die daran glauben, durcheinandergeraten. Die bewusste Abwertung zu durchbrechen, ist viel schwerer. Wichtig dabei ist, dass Humor sich nicht an Feindbildern abarbeitet, sondern die Motive der Abwertung thematisiert. Guter Multikulti-Humor muss am besten Konflikte erzeugen, die dann zu einer Veränderung führen, indem er weitergegebene Kategorien vom Fremden und Stereotype lächerlich macht.«
Humor macht resistent
In einem weiteren Video bettelt die Datteltäterin Nemi, dass ihr endlich das Kopftuch abgenommen werden solle. Ihr Gegenüber habe ihr nicht auf das Kopftuch geschaut, sondern unverschämterweise in die Augen. Ihm schleudert sie dafür totale Empörung entgegen. »Lasst uns endlich alle unsere Kopftücher abnehmen!«, ruft sie enthusiastisch-flehend. Dabei betont sie, zu allem entschlossen, dass sie sich jetzt erst einmal einen Mini-Rock kaufen werde, um endlich frei zu sein. Nur so könne sie dann endlich auch eigenständig denken.
Mit der Zeitung ihres permanent in Schweigen gehüllten und als Nichtmuslim dargestellten Clip-Kollegen haut sie zu guter Letzt richtig auf den Tisch:
Damit Fremd- und Feindbilder gar nicht erst entstehen, kommt Humor auch präventiv oder als Intervention im Rahmen des interkulturellen Miteinanders zum Einsatz. Das kann funktionieren, wie es die Datteltäter auf ihrem Satire-Kanal zeigen. Immer wieder werden in Schulen die Videos der 5 Youtuber im Unterricht eingesetzt, um die Schülerinnen und Schüler mittels Humor für
Schluss mit lustig!
Humor ist nicht nur Geschmackssache, sondern immer auch ein Kommunikationsprozess. Dazu gehört zum einen die Absicht des Humor-Schaffenden und zum anderen, wie der gewählte Humor vom Empfänger wahrgenommen wird. Rein rechtlich gibt es Stolperfallen, die bei Missachtung alles andere als komische Konsequenzen haben können.
Im besten Fall gelingt es, an den bisherigen Denk- und Emotionsmustern zu rütteln, um das eigene Hinterfragen dieser Gedankenkonstrukte zu ermöglichen. Das ist allerdings nicht die einzige Herausforderung, der sich die Migrant-Comedy-Szene stellen muss. Auch rein rechtlich gibt es Stolperfallen, die bei Missachtung alles andere als komische Konsequenzen haben können.
Der sogenannte
Wenn Google ein Imam wäre
»Okay, Google, suche mir Steinigung im Koran«, fragt ein junger Mann den fleischgewordenen Google-Imam. Der antwortet postwendend: »Okay. Das steht zwar nicht im Koran, aber da habe ich für dich Afghanistan und Saudi-Arabien.« Der Google-Imam reicht ein paar Unterlagen über den vollgepackten Schreibtisch. Der User ist jedoch nicht zufrieden und verfeinert die Suche. »Koran. Ehebruch. Steine. Werfen.« Erneut ist der Google-Imam angestrengt, aber gibt sich Mühe zu antworten: »Ja, kenne ich. Machen viele, steht aber nicht im Koran!« Der User wirkt immer noch nicht zufrieden und setzt ein weiteres Mal nach:
Auch Fragen zu Islamfeindlichkeit finden ihren Platz. Wenn der nächste User nach »Pappaufsteller deutsche Frau« verlangt oder nach Flüchtlingsfallen fragt, ist das Schmunzeln, trotz der schwierigen Thematik, gewollt und wichtig.
Neben der witzigen Aufmachung klären die Youtuber damit auch über Fremd- und Feindbilder auf, indem sie widerspiegeln, welche gängigen Fragen im Kontext Islam, Islamfeindlichkeit und Terrorismus derzeit Hochkonjunktur haben.
Für die Macher von Datteltäter ist das Ziel ihrer Arbeit klar: »Wir wählen Humor und Satire als Mittel der Unterhaltung. Wir wollen zum Nachdenken anregen, das Eis brechen, um brückenschlagend zwischen der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Community zu wirken. Wir sehen uns in der Pflicht, etwas gegen die zunehmenden Diskriminierungen und rassistischen Angriffe auf Muslime zu starten, was auch unserem muslimischen Selbstverständnis entspricht: mit den verfügbaren Kapazitäten und Mitteln nützlich zu sein«, erklärt Farah Bouamar abschließend.
Die Migrant-Comedy-Szene ist nicht nur eine weitere Facette im bunten Potpourri der deutschsprachigen Humorlandschaft, sondern kann kulturell verbindend wirken. Vielleicht ist diese junge Comedy-Community auch ein Beweis für eine gelungene Integration, die den Muslimen in Deutschland gern mehrheitlich abgesprochen wird. Migrant-Comedy ist eine wichtige, mutige Bewegung, die hoffentlich weiterhin dazu beiträgt, Kulturen zu verbinden – denn was kann verbindender sein, als gemeinsam zu lachen? Humor ist eben nicht nur, wenn wir trotzdem lachen.
Titelbild: Moshtari Hilal - copyright