Warum es eine gute Idee ist, in Konfliktregionen einzukaufen
Safran aus Afghanistan, Tee aus Myanmar: Ein Berliner Start-up bringt Spezialitäten aus Krisengebieten nach Deutschland. Hilft das den Menschen vor Ort?
Alles fing an mit einigen Kilogramm Safran im Handgepäck auf einem Flug von Kabul nach Berlin. Salem El-Mogaddedi und Gernot Würtenberger kamen gerade von einer Afghanistan-Reise zurück. El-Mogaddedis Vater, der in der humanitären Hilfe tätig ist, hatte die beiden eingeladen.
Vor Ort wollten sie NGOs besuchen und ein paar gute Bilder für die Websites der Organisationen machen, so lautete der Deal. Für Salem El-Mogaddedi sei es außerdem eine Gelegenheit gewesen, das Land seiner Großeltern kennenzulernen, wie er im Interview erzählt.
Doch es sollte noch viel mehr daraus entstehen: Zufällig hörten die beiden Berliner von einem Projekt in Herat, einer Stadt im Westen des Landes,
Die beiden hatten nur eine vage Vorstellung, was sie damit anfangen sollten. Weiterverkaufen, klar, das lag auf der Hand. Aber sie wollten auch die Geschichte der Frauen erzählen.
Seit mittlerweile 3 Jahren verkaufen die beiden Gründer Safran aus Afghanistan, Tee aus Myanmar und
Es werden zwar viele Produkte aus dem globalen Süden im fairen Handel verkauft – aber wenn man diese Produkte auf einer Weltkarte verzeichnet, dann gibt es kaum Überschneidungen mit den Gebieten, in denen gerade Konflikte oder Krisen stattfinden.
Aus Afghanistan komme gerade kein einziges Produkt außer Opium, so El-Mogaddedi. Natürlich sei es wichtig, humanitäre Hilfe zu leisten; mit Conflictfood haben er und sein Team es sich allerdings zur Aufgabe gemacht, direkten Handel mit Menschen aus Konfliktregionen zu treiben und damit wirtschaftliche Strukturen in Krisenzeiten zu stärken. »Direkt« heißt dabei, dass es keine Zwischenhändler gibt; die Berliner wollen den Kontakt auf Augenhöhe mit den Produzentinnen.
»Wir sind kein Charity-Projekt«
Die Preise von Conflictfood sind stolz: 1 Gramm Safran gibt es ab 19 Euro. »Wir wollen davon leben, wir sind kein Charity-Projekt«, sagt El-Mogaddedi. Wichtig sei es aber zu verstehen, warum die Produkte so viel kosten. Im Fall des afghanischen Frauenkollektivs haben die Berliner schlicht nachgefragt, wie viel Geld die Frauen brauchen – und die genannte Summe dann auch bezahlt.
»Krieg, Terror, Armut – das ist immer nur die eine Seite der Medaille. Wir wollen die Menschen zeigen, die in diesen Ländern leben und dort einen Alltag haben« – Salem El-Mogaddedi, Gründer von »Conflictfood«
Auch für die Verpackung und den Druck der beiliegenden Informationsmaterialien – Rezeptkarten und ein Journal mit Geschichten aus dem jeweiligen Land – bezahlen die Unternehmer mehr, als sie eigentlich müssten. Die Gläser mit Schraubverschluss, in denen der Safran geliefert wird, werden in Brandenburg produziert, die Kartons in einem Inklusionsbetrieb gleich um die Ecke des Berliner Büros. Wörter wie »nachhaltig« und »verantwortungsvoll« fallen sehr oft im Gespräch mit Salem El-Mogaddedi.
Conflictfood verlässt sich auf erfahrene Netzwerkpartner in den Regionen, die den Unternehmern in Berlin ab und zu neue Produkte vorschlagen. Die Produkte gelangen also meist eher über NGOs und Hilfsorganisationen in den Online-Shop, als dass die beiden Gründer auf der Suche nach neuen Projekten durch die Welt jetten. »Wir reisen nicht blind in irgendwelche Länder.« Manchmal sei das auch gar nicht möglich.
Kaffee aus dem Jemen stünde beispielsweise schon länger auf ihrer Liste. Ein Kollektiv vor Ort hat ihnen vor Kurzem grüne Bohnen geschickt, die sie nun in Berlin rösten und testen lassen wollen. Wenn die Qualität stimmt, könnte der Kaffee eines der nächsten Angebote im Online-Shop sein – dafür müsse sich aber erst etwas an der dramatischen Situation im Jemen ändern.
Du weißt nicht so genau, was im Jemen eigentlich los ist? Dann lies jetzt dieses Interview von Juliane Metzker mit dem jemenitischen Politologen Farea al-Muslimi:
»Aktuell würden wir das Produkt gar nicht aus dem Land kriegen«, erzählt El-Mogaddedi. Die Häfen seien dicht, der Warenversand müsse dann über die Kriegspartei Saudi-Arabien laufen. Damit wäre für Conflictfood eine rote Linie überschritten. Gleiches gelte für Kontakte, die über das Assad-Regime in Syrien laufen müssten.
Dafür steht Kaffee aus einem UN-Projekt in Myanmar in den Startlöchern. Auch dort haben ehemalige Opium-Bauern inzwischen umgesattelt.
Conflictfood verkauft keine Produkte für den Massenmarkt, und in den Konfliktregionen selbst bietet der Handel mit den Berlinern allenfalls punktuelle Unterstützung. Um »Skalierbarkeit« – Start-up-Jargon für das Potenzial eines Unternehmens, in die Breite zu wachsen – geht es hier aber wohl auch nicht. »Wir versuchen, Geschichten zu transportieren – aber auf eine sinnliche Art und Weise«, sagt Salem El-Mogaddedi.
Titelbild: Conflictfood - copyright