Wie ein australischer Medienmogul die Klimakrise verschleiert und so die Zukunft seines Landes verheizt
Rupert Murdoch ist der Mann hinter »Fox News«. Auch in Australien kontrolliert er Fernsehen und Presse. Wie er seinen Einfluss nutzt, um Fakten zu unterdrücken, Menschen in die Irre zu führen – und seine Männer an der Macht zu halten.
Eine lächelnde junge Frau, die sich bei strahlendem Sonnenschein an einem Verkaufsstand mit einem Mann unterhält: So zu sehen auf dem Titelbild eines gewöhnlichen
Wohl kaum jemand hätte Anstoß an dem harmlosen Artikel genommen – wäre er nicht prominent auf der Titelseite der größten Tageszeitung Australiens erschienen,
Und zwar während zeitgleich die verheerendsten Buschbrände in der Geschichte des Landes wüten und bereits mehr als 20 Menschen und schätzungsweise einer Milliarde Tiere
Vor diesem Hintergrund wirkt der Artikel auf der Titelseite an diesem 2. Januar 2020 deplatziert. Vergleicht man ihn nun noch mit anderen Aufmachern großer internationaler Tageszeitungen, wie es der englische Guardian getan hat, wird deutlich: Während die weltweiten Schlagzeilen vor Bildern des Infernos geradezu überquollen, war im unmittelbar betroffenen Land keine Spur von Feuer zu sehen.
Doch nicht nur für The Australian schienen die Buschbrände nicht das drängendste aktuelle Thema des Landes zu sein. Nur einen Tag zuvor fand die meistgelesene Tageszeitung Australiens, die Herald Sun, erst auf Seite 4 der Neujahrsausgabe Platz für das Unglück. Und das, obwohl Tausende Bewohner des Staates Victoria unmittelbar durch die Feuer bedroht waren und schwarze Rauchschwaden über dessen Hauptstadt Melbourne hingen.
Eines haben die beiden großen Tageszeitungen jedenfalls gemein: Sie gehören zu News Corp, dem weltweit aktiven Medienimperium des Milliardärs Rupert Murdoch.
Ein Zufall? Oder doch Teil eines größeren Bildes?
Eine mögliche Erklärung wäre: Die (Nicht-)Wahl der Schlagzeilen soll die immer deutlicher werdenden Auswirkungen der Klimakrise verschleiern und von den Profiteuren der Umweltzerstörung ablenken.
Und dafür gibt es einige Hinweise.
Australien, die Wiege des Murdoch-Imperiums
Der Milliardär Rupert Murdoch hat eine besondere Beziehung zu Australien, denn »Down Under« ist sowohl sein Geburtsland als auch die Wiege seines Medienimperiums. Sein Aufstieg begann bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts, als er 1956 mit dem Kauf einer finanziell angeschlagenen Tageszeitung im Westen Australiens den Grundstein für sein global aktives Medienkonglomerat News Corp legte.
Nach und nach erwarb er immer mehr lokale australische Zeitungen in allen Bundesstaaten des Landes, wobei der Kauf des in der einwohnerreichsten Stadt Sydney erscheinenden The Daily Mirror im Jahr 1960 den vorläufigen Höhepunkt darstellte. 1964 gründete er dann mit The Australian die erste und bis heute einzige australienweit erscheinende Tageszeitung für ein breites Publikum.
Im Zuge seiner Expansion in ganz Australien entwickelte Murdoch eine Art Prototyp der modernen Boulevardzeitung: viel Sport, viele Skandale und ein Fokus auf möglichst sensationelle Überschriften.
Mit diesem Konzept brachte es Murdoch zum einflussreichsten Medienmacher Australiens, bevor er sich seit Ende der 60er-Jahre verstärkt Großbritannien und später in den 80er-Jahren auch den USA als Geschäftsfeld widmete. 1985 änderte er seine Staatsbürgerschaft von australisch zu US-amerikanisch, sein Einfluss auf Australien durch News Corp blieb jedoch unverändert.
Heute vertreibt News Corp Australia 142 Zeitungen, 30 Magazine sowie dazugehörige Internetpräsenzen. Hinzu kommt ein eigener Pay-TV-Sender, TV-Nachrichtenkanäle, Marktforschungsinstitute, der Vertrieb von Spielfilmen sowie eine Mehrheitsbeteiligung an einem der größten Rugbyvereine des Landes, den Brisbane Broncos. Durch diese
Wenn du erfahren möchtest, wie Rupert Murdoch und andere Milliardäre ganz ohne Zensur und Bestechung Einfluss auf den Rest der Welt nehmen, dann lies diesen Text:
Ein Kontinent zwischen Klimakrise und Murdoch-Presse
Seine enorme Reichweite setzt Murdochs News Corp weltweit seit jeher ein, um das politische Geschehen in seinem Sinne zu beeinflussen. In Australien äußerte sich das in den vergangenen Jahren besonders stark in der öffentlichen Diskussion im Umgang mit der Klimakrise, deren Auswirkungen nachweislich kein entwickeltes Land so sehr bedrohen wie
Paradoxerweise ist Australien gleichzeitig aber auch eines der anfälligsten Länder für
Das war nicht immer so.
Es ist nicht lange her, da war Australien eines der ersten Länder, das über die Einführung einer
Es war das Jahr 2010, als die Australian Labor Party (ALP) unter Premierministerin Julia Gillard mit einer Minderheitsregierung an die Macht kam. Gillard war nicht nur die erste Frau an der Spitze Australiens in der Geschichte, sondern brachte auch einen Gesetzentwurf für eine CO2-Steuer ins Parlament ein.
Tony Abbot, der damalige Oppositionsführer, verkündete daraufhin, dass es eine solche Steuer im Falle eines Wahlsieges seiner Liberal Party of Australia (LPA), die auch heute aktuell die Regierung Australiens stellt, nicht geben würde.
Eine Position, für die er schon bald einen mächtigen Unterstützer finden sollte: Im Jahr 2011 traf sich Oppositionsführer Abbot mit Rupert Murdoch, der seine Sympathie für die Opposition bekundete und dies auch seine Redakteure wissen ließ.
Von diesem Zeitpunkt an sah sich die Minderheitsregierung Gillard ständigen Attacken der Murdoch-Presse ausgesetzt, die die CO2-Steuer und die Asylpolitik Australiens zu den alles bestimmenden Themen für den nächsten Wahlkampf machten.
Ungeachtet dessen passierte die CO2-Steuer Ende 2011 den australischen Senat und trat schließlich am 1. Juli 2012 in Kraft.
Die Allianz zwischen Murdoch-Medien und liberal-konservativen Parteien
Kurz vor der entscheidenden Wahl 2013 entsandte Murdoch dann sogar einen seiner treuesten und einflussreichsten Angestellten, den New-York-Post-Redakteur Col Allan, nach Sydney, um die News-Corp-Berichterstattung zu leiten. Allan ist als radikal konservativ bekannt und hatte einige Jahre zuvor in den USA in den Wahlkämpfen 2008 und 2012 bereits Stimmung gegen Barack Obama gemacht.
So titelte Murdochs Daily Telegraph, bei dem die »Leihgabe« Col Allan für nur 5 Wochen tätig war, schließlich am Tag des Urnengangs in großen Lettern:
Endlich habt ihr die Chance dazu … DIESES GESINDEL AUS DEM AMT ZU JAGEN
Die Opposition siegte – und hielt Wort: 2014 begrub die neue Regierungskoalition aus Liberalen und Konservativen unter Tony Abbott die CO2-Steuer,
Zwar lässt sich nicht genau sagen, wie groß der Einfluss von Murdoch auf den Wahlsieg Abotts tatsächlich war. Der Kurs seiner reichweitenstarken Medien war jedoch klar: Eine
Und nicht nur das: Nicht selten wurde im Zuge der Kampagne gleich der menschengemachte Klimawandel an sich infrage gestellt, wie einer der bekanntesten Intellektuellen Australiens,
In der echten Welt akzeptieren 99 Wissenschaftler den Klimawandel und nur einer leugnet ihn. In der Alice-im-Wunderland-Welt von Chris Mitchell, dem Chefredakteur von »The Australian«, waren die Beiträge der Leugner mit 10 zu 1 in der Überzahl.
Murdoch hingegen dürfte die Berichterstattung gut gefallen haben, denn sie spiegelt seine eigene Sichtweise zum Thema Klimawandel wider, wie aus einem
Der Klimawandel findet schon ebenso lange statt, wie unser Planet existiert. Und es wird immer ein bisschen weitergehen. Zurzeit schmilzt der Nordpol, aber der Südpol wird immer größer. Solche Dinge passieren. Wie groß ist unser Anteil daran, mit den Emissionen und so weiter? Was Australien betrifft? Im Großen und Ganzen.
Es ist diese Sichtweise eines milliardenschweren Medienmoguls, die nicht nur das Ende der australischen CO2-Steuer befeuerte, sondern den gesamten politischen Kurs des Landes für die folgenden Jahre nachhaltig beeinflussen sollte.
Bis hin zu den katastrophalen Buschfeuern, die wir heute erleben müssen.
Klimakatastrophe? Welche Klimakatastrophe? Warum die zögerliche Reaktion auf die Buschbrände nicht überraschen kann
Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der politischen Landschaft Australiens und der Rolle von Rupert Murdochs News Corp erscheinen die aktuellen Ereignisse in Australien in einem anderen Licht.
16.12.2019: Phase 1 – Schweigen und Ignoranz
Mitte Dezember sind die Buschbrände – trotz der zu dieser Jahreszeit üblichen Buschfeuersaison –
Während zunehmend auch Zehntausende freiwillige Feuerwehrleute gegen die Flammen kämpfen, ist eine Person nicht zu sehen: Premierminister Scott Morrison. Gerüchte machen die Runde, dass er sich mit seiner Familie weit weg in Hawaii aufhalte, um dort Urlaub zu machen. Sein Büro dementiert dies mehrfach, obwohl in sozialen Medien Fotos auftauchen, die ihn posierend mit Touristen zeigen.
Der Künstler Scottie Marsh stellte den australischen Premierminister auf diese Weise dar. Das Graffiti wurde wenige Tage später von Unbekannten wieder übermalt.
Die Redakteure und Kolumnisten von News Corp zählen trotz einer zunehmend aufgebrachten Öffentlichkeit zu den lautesten Verteidigern von Premierminister Morrison,
30.12.2019: Phase 2 – Verharmlosung und Ablenkung
Ende Dezember bewarb The Australian dann im großen Stil ein Interview mit dem Energieminister des Landes, Angus Taylor, in dem er unter anderem sagte, der Druck durch die Vereinten Nationen zu mehr Engagement gegen die Klimakrise sei zum Scheitern verurteilt und man solle sich stattdessen auf das Finden technischer Lösungen konzentrieren,
Wenig später
Nahezu alle Behauptungen stellten sich als falsch oder zumindest geschönt heraus, wie der Leiter des Zentrums für Klima- und Energiepolitik der Australischen Nationaluniversität klarstellt:
Ich würde den Artikel von Taylor als selektive Verwendung von Statistiken beschreiben, die den Emissionsverlauf von Australien gut aussehen lassen, obwohl sie in Wahrheit gar nicht gut aussehen.
Genauer gesagt: Laut dem »Climate Change Performance Index« rangieren Australiens Bemühungen zum Einsparen von Emissionen auf dem sechstschlechtesten Platz
07.01.2020: Phase 3 – Ablenkungsmanöver der Brandstifter-Bots
In der ersten Woche des Jahres 2020 gewinnt ein gänzlich neuer, weiterer Faktor der Desinformation an Gewicht: Unter dem Hashtag #ArsonEmergency, also »Brandstiftungs-Notstand«, werden Hunderte Tweets abgesetzt, die fälschlicherweise Brandstifter als
Unter dem Hashtag wird dieser Faktor überbetont und so gezielt von der Bedeutung des Klimawandels für die derzeit besonders intensiven und langanhaltenden Brände
Timothy Graham, Dozent für digitale Medien an der Queensland University of Technology, identifizierte 315 Twitter-Accounts, die für 1.203 Tweets mit diesem Hashtag verantwortlich waren. Unter diesen stellte Graham eine verdächtig hohe Zahl an Accounts fest, die sich wie
Wenn du mehr über die Funktionsweise von Bots, ihre Rolle für moderne Propaganda und mögliche Gegenmaßnahmen erfahren willst, möchte ich dir diesen Text meines Kollegen Dirk Walbrühl ans Herz legen:
Viele verdächtige Accounts, die in der Vergangenheit bereits als Trump-Unterstützer in Erscheinung traten, waren laut Graham zudem unter den Hashtags #australiafire und #bushfireaustralia aktiv und stärkten so den Eindruck, dass die Brände eher auf einen »Brandstifter-Notstand« als auf die Klimakrise zurückzuführen seien.
Von Australien raus in die Welt
Am Ende wirken die Geschehnisse der letzten 10 Jahre in Australien fast wie eine Art Drehbuch dafür, wie die Öffentlichkeit beim Thema Klimakrise gezielt beeinflusst oder zumindest verunsichert werden kann.
Die Folgen der Desinformation von breiten Bevölkerungsschichten lassen sich heute an Untersuchungen ablesen, bei denen Menschen nach ihrer Einschätzung des Gefahrenpotenzials der Klimaveränderungen befragt werden:
Während verständlich ist, dass Menschen in Regionen mit politischen Unruhen unmittelbare Gefahren für sich selbst eher woanders verorten, fällt auf, dass aus der westlichen Welt besonders Australien, das Vereinigte Königreich und vor allem die USA im unteren Drittel rangieren. Also einerseits Länder, die politisch stark polarisiert sind. Andererseits Länder, in denen Rupert Murdochs Medienimperium seit Jahrzehnten besonders einflussreich ist.
Passend dazu griffen zum Beispiel der einflussreiche Fox-News-Moderator
Und auch einige Rechtspopulisten der AfD nutzen die Theorie hierzulande, um Stimmung gegen »grüne Umweltbestimmungen« zu machen:
Desinformation kennt keine Grenzen. Genau wie die Klimakrise.
Doch es tut sich auch etwas in der anderen Richtung.
So wuchs die öffentliche Kritik gegenüber der Art der Berichterstattung der Murdoch-Medien im englischsprachigen Ausland zuletzt so weit an, dass
Angesichts seiner Statements aus der Vergangenheit und der Arbeit seiner Angestellten eine mehr als fadenscheinige Behauptung.
Das ist scheinbar inzwischen nicht nur einer Mitarbeiterin von News Corp in Australien aufgefallen, die aufgrund der »verantwortungslosen Berichterstattung« ihres Arbeitgebers
Und auch mehr und mehr Australier haben die Nase voll von der Situation in ihrem Land: Premierminister Scott Morrison stürzte zuletzt in den Umfragewerten ab – trotz Rückendeckung der Murdoch-Presse. Zusätzlich stieg durch die Buschfeuer auch die internationale Aufmerksamkeit für die Rolle Australiens als größter Kohleexporteur der Welt deutlich,
Sicher ist angesichts dieser Entwicklungen wohl, dass Auftritte wie etwa jener, bei dem Morrison allen Ernstes ein Stück Kohle mit in das australische Parlament brachte, um zu zeigen, dass die Menschen keine Angst zu haben bräuchten, endgültig der Vergangenheit angehören werden:
Derweil brennt der australische Busch weiter.
Inzwischen hat Morrison
Schade, dass es dafür so weit kommen musste.
Titelbild: Perspective Daily - copyright