Was wir übersehen, wenn von Barrierefreiheit die Rede ist
Constantin Grosch hat genug vom bloßen Gerede über Inklusionsthemen. Der Aktivist will endlich die Barrieren abbauen, die Menschen behindern. Dabei räumt er auch mit einigen Missverständnissen auf.
Als ich mich kurz vor dem Jahreswechsel mit Constantin Grosch am Bielefelder Campus treffe, um über Barrieren zu sprechen, habe ich klare Vorstellungen im Kopf: Wir würden über defekte Aufzüge sprechen, über Treppenstufen, nicht abgesenkte Busse und barrierefreie Hotelzimmer. Constantin Grosch will mir von seiner neuen Initiative berichten, die er gemeinsam mit Raúl Krauthausen ins Leben gerufen hat. Der Name und das Ziel der Initiative lauten gleich: Barrieren brechen.
Die beiden Initiatoren wollen zeigen, wo Menschen durch Barrieren behindert werden, und sie wollen mit der Unterstützung einer großen Community dazu beitragen, dass diese Barrieren verschwinden. »Fangen wir an, die Hürden zu entfernen, die uns bisher daran hindern, genauso an der Gesellschaft teilzuhaben wie Menschen ohne Behinderung. Eine nach der anderen«, heißt es dazu
»Es ist ein Kampf, dass man nicht auf seine Behinderung reduziert wird.« – Constantin Grosch, Inklusionsaktivist
Funktionierende Aufzüge, Rollstuhlrampen, Automaten mit Sprachsteuerung – das alles sind wichtige Bestandteile einer Welt, die Menschen nicht länger behindert. Doch Barrierefreiheit ist mehr, erklärt Constantin Grosch und nennt einige Beispiele: Behördenformulare, die alle Menschen verstehen können. Veranstaltungen mit Dolmetscher:innen für Gebärden und Leichte Sprache. Leitlinien und Schrift für Sehbehinderte. Hotels, die Zimmer für Begleitpersonen bereithalten und ein entsprechendes Buchungssystem anbieten. Ein Arbeitsmarkt, der allen offensteht und Menschen nicht hindert, ein eigenes Einkommen zu verdienen. Barrieren sind eben nicht nur materiell, sondern auch Ergebnis sozialer Handlungen und Strukturen. »Ich glaube, wir benötigen ein anderes Verständnis von Barrierefreiheit«, sagt Constantin Grosch.
Titelbild: Lukas Kapfer - copyright