Diese einfache Übung hilft bei Albträumen – trotzdem kennen sie die meisten Ärzt:innen nicht
Vor einem Jahr habe ich Sophie, die an Albträumen litt, auf der Suche nach Heilung begleitet. Heute schläft sie ruhig durch. Hier erfährst du, wie das ihr und 17 anderen Menschen gelungen ist.
Vor einem Jahr habe ich bei Perspective Daily über
Hier kannst du ihre ganze Geschichte nachlesen:
Ich habe sie seitdem auf ihrem Weg begleitet und dabei herausgefunden, was ihr und anderen Betroffenen auf der Suche nach Hilfe im Weg steht. Denn Sophie ist nur eine von vielen Betroffenen, schätzungsweise etwa 4,3 Millionen in Deutschland. Jeder
Heute ist Sophie geheilt. So hat sie es angestellt.
Diese Übung wirkt gegen hartnäckige Nachtgespenster
Woher kommen wiederkehrende Albträume?
Albträume gehen oft mit einer anderen Erkrankung, wie zum Beispiel der Depression, Angststörung oder posttraumatischen Belastungsstörung einher. Sie können aber auch ganz ohne Begleiterkrankung erscheinen – etwa als Reaktion auf eine traumatische Erfahrung, die die Albträume zuerst ausgelöst hatte, aber längst verarbeitet ist. Das Gehirn aber behält das Verhalten, Albträume zu produzieren, als Gewohnheit. Mit anderen Worten: Albträume können ein erlerntes Verhalten sein, dass man auch wieder verlernen kann.
Sophie hatte seit ihrer Kindheit Albträume. Die inzwischen 28-jährige Freiburgerin träumte davon, verfolgt, angeschossen und bedroht zu werden. Nachts ständig Krieg und Gewalttaten zu erleben, schlug ihr auch tagsüber stark auf die Stimmung. Als sie abends nicht mehr gern ins Bett ging – aus Angst, es könnte wieder eine Horrornacht bevorstehen –, erkannte sie, dass sich etwas ändern muss.
Um ihre Albträume zu vertreiben, habe ich Sophie geraten, die
Sie ist daher die Therapie der Wahl. Um sie zu erlernen, wandte sich Sophie an eine psychosoziale Beratungsstelle – ein Schritt, der ihr nicht leichtfiel. Dort übte ein Psychologe die IRT mit ihr ein. Und so geht es:
- Schritt 1: Aufschreiben. Schreibe einen Albtraum auf. Dabei ist es egal, ob es sich um einen aktuellen Traum handelt oder um einen, der lange her ist. Wähle einen aus, der dir noch bildlich in Erinnerung geblieben ist.
- Schritt 2: Umschreiben. Als Nächstes musst du kreativ werden und für die beängstigende Situation, der du im Traum ausgeliefert warst, eine neue Lösung suchen. Diese darf realistisch oder fiktiv sein. Träume folgen nicht der Logik und eine neue Geschichte muss das auch nicht. Wichtig ist nur, dass du nicht versuchst, der Situation zu entfliehen, sondern selbst aktiv wirst. Zum Beispiel: »Ich ziehe einen Zauberstab aus der Hosentasche und verwandle meinen Verfolger in einen Gartenzwerg.«
- Schritt 3: Üben. Du musst deine Lösung einüben, wie ein Drehbuch für die Situation. Und zwar täglich 5–10 Minuten über einen Zeitraum von 2 Wochen, immer mit dem gleichen Traum. Dabei gehst du einfach deine neue Lösung in Gedanken durch. Dann stellst du dir genau vor, wie es sich anfühlt, die Situation bewältigt zu haben.
Die Idee dahinter: Du trainierst dir im Wachzustand an, bei Angst nach kreativen Lösungsstrategien zu suchen. Das Gefühl von Angst ist dann nicht mehr mit einer Fluchtreaktion verknüpft, sondern mit der Gewissheit, dass du dir helfen
Es geht nicht darum, wie beim
Sophie war begeistert über den geringen Aufwand und den großen Erfolg:
Es hat funktioniert. Mir geht es gut, ich habe nur noch ganz selten Albträume. Und das Beste ist, dass ich jetzt keine Angst mehr vor neuen Albträumen habe, weil ich weiß, was ich dann dagegen tun kann.
Diese Methode ist leicht zu erlernen –
Die Übung heißt zwar »Imagery Rehearsal Therapy«, doch genaugenommen habe ich mit den Menschen am Telefon keine Therapie gemacht, sondern sie beraten. Reicht also ein keiner Anstoß als Hilfe zur Selbsthilfe, um Nachtgespenster zu vertreiben?
Funktioniert Albtraumhilfe auch bei Kindern?
Bei Kindern funktioniert die IRT übrigens auch. Dazu malen Kinder ein Bild, auf dem sie festhalten, was ihnen nachts Angst gemacht hat. Dann werden sie aufgefordert, noch etwas in das Bild zu malen, das ihnen in der dargestellten Situation helfen würde.
So geht Albtraumberatung per Telefon
Was ich bisher noch nicht erzählt habe: Ich bin nicht nur Journalistin, sondern auch Wissenschaftlerin und habe in den letzten Jahren an der Universität Osnabrück zu Träumen geforscht. Seit einem Jahr arbeite ich gemeinsam mit Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim an einer Studie. Dabei haben wir untersucht, inwiefern Menschen, die unter häufigen Albträumen leiden, sich mit der IRT im Alltag selbst helfen können. Das habe ich dabei herausgefunden:
Im Rahmen der Studie habe ich 28 Menschen die IRT-Übung gegen Albträume beigebracht – und zwar in einem 30-minütigen Telefongespräch. Dabei erklärte ich die Übung und führte sie gemeinsam mit den Teilnehmenden durch. 8 Wochen später wollte ich dann wissen, welchen Erfolg die Selbsthilfe hatte. Und siehe da: 18 von 28
»Meine Albträume sind zwar noch da, sie sind aber viel kürzer und fühlen sich viel weniger schlimm an als früher.« – Teilnehmerin der Studie
Dabei gefiel den Teilnehmenden besonders, das neue Skript gegen ihre Albträume selbst entwerfen zu können. In den umgeschriebenen Geschichten wurden die Träumer:innen selbst zur Heldenfigur: Eine Teilnehmerin, die in ihrem ursprünglichen Traum Einbrecher auf sich zukommen sah, sprach in ihrem neuen Skript die Einbrecher einfach an, die sich daraufhin peinlich berührt entschuldigten.
Die Teilnehmenden fühlten sich dadurch
Wenn Entlastung so einfach sein kann, warum suchen sich dann nicht alle Albträumenden diese Hilfe?

»Ich dachte, mein Arzt hält mich für bekloppt«
Wie schlimm die Situation tatsächlich ist, zeigte eine großangelegte
Ein Hindernis ist also die Angst vor Diskriminierung wegen psychischer Probleme. Einige der Albträumenden aus meiner Studie versuchten mit Freunden oder ihrer Familie über ihre Träume zu reden und berichteten von wenig empathischen Reaktionen: »Entspann dich doch mal« oder »Ach, geh zurück ins Bett« lauteten da einige Kommentare.
Andere Betroffene – wie Sophie – spüren zwar, dass sie ein Problem hatten, glauben aber nicht, dass es dafür überhaupt eine Heilung gibt. Dadurch erleben sie sich hilflos und halten Albträume für etwas Naturgegebenes.
»Ich habe Träume immer als etwas Naturgegebenes angesehen und habe es nicht für möglich gehalten, dass ich Einfluss auf sie nehmen kann.« – Sophie
Ein dritter Grund: Einige Albträumende befürchten, dass hinter ihren Träumen tiefsitzende Ängste stecken. Was diese Menschen nicht wissen: Albträume treten zwar oft gemeinsam mit anderen
Diskriminierung und mangelndes Wissen spielen dabei zusammen und machen Albträumenden die Suche nach Heilung schwer. Deshalb ist Aufklärung so wichtig. Das versuchen mehrere deutsche Universitäten und Institute über Informationswebsites über die »Imagery-Rehearsal-Therapie«. Was aber ist, wenn Betroffene gar nicht auf die Idee kommen, nach diesen Informationen zu suchen?
Wo finden Betroffene außerhalb des Internets Hilfe?
Geht das nicht auch in einer App?
Die IRT-Methode ließe sich sicher auch als App an Betroffene bringen. So könnte die Lösung direkt bei einer Suche im Appstore nach »Albträumen« gefunden werden. Vorbilder gibt es schon heute, etwa Apps, die bei Migräne zu Entspannungsübungen anleiten.
Wenn Menschen gesundheitliche Probleme haben, dann erfährt es meist der Hausarzt oder die Hausärztin zuerst. Auch bei Albträumen sind
Das Problem steckt im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage: Die Betroffenen wenden sich nicht an Ärzt:innen, weil sie es nicht für möglich halten, dass Albträume etwas sind, bei denen das helfen kann. Die Ärzt:innen treffen dadurch zu selten auf dieses Leiden, als dass Bedarf nach Fortbildungen bestünde.
Am Ende meiner Suche nach einer Lösung für Albträume steht also die Frage: Wie können wir Betroffenen besser helfen, sich Hilfe zu suchen?

- Stellschraube 1: Die Betroffenen. Auf meine Studie wurden die Betroffenen per Fragebogen im Schlaflabor und per E-Mail-Verteiler aufmerksam gemacht. Keiner hatte konkret Hilfe gesucht. Diese Erfahrung teilt auch die Psychologin und Traumforscherin Annika Gieselmann, die mit ihrer Arbeitsgruppe Klinische Psychologie an der Universität Düsseldorf an Albträumen forscht und Betroffene mit der IRT behandelt: »Es passiert immer durch Zufälle, dass die Leute zu uns kommen. Jemand liest einen Artikel und leitet ihn an jemanden weiter, der an Albträumen leidet.« Die Lösung der Traumforscherin lautet: über Vorträge versuchen, das Wissen der Universitäten über die IRT-Methode bekannter zu machen. »Und hoffen, dass jemand etwas damit anfangen kann und es weiterleitet.«
- Stellschraube 2: Die Ärzt:innen. Hausärzte und -ärztinnen können nicht alles wissen. Aber sie sollten möglichst viel schon einmal gehört haben und wissen, an wen sie Hilfesuchende gegebenenfalls vermitteln. Das Problem tritt nicht nur bei der Diagnose Albträume auf. Die Hausärztin Sabine Keck aus Osnabrück wünscht sich deshalb eine unterstützende Patientenverwaltungssoftware, die bei der Eingabe von Schlagwörtern entsprechende Fragebögen, Übungen und Tipps
Außerdem mangelt es einfach an Fortbildungen für Ärzt:innen, die das Thema Albträume angehen. Meine Suchanfrage bei derJürgen Tripp, Vorstandsreferent des »Deutschen Fachverbands für Verhaltenstherapie« – Quelle: privat - Stellschraube 3: Praxen. Im Wartezimmer bei meiner Hausärztin finde ich Broschüren über verschiedene Krankheiten. Über Albträume ist nichts dabei. Wie also gelangt mehr Material in die Wartezimmer der Praxen? Eine eher ernüchternde Antwort hat Jürgen Tripp, Vorstandsreferent der Deutschen Fachgesellschaft für Verhaltenstherapie: »Wenn wir als Verhaltenstherapieverband Ärzten Material über Albträume zuschicken, hätte ich die Befürchtung, dass das zu 95% in der Tonne landet.« Sie haben nicht die Zeit, alles zu sichten, was ihnen zugeschickt wird. Stattdessen schlägt Herr Tripp vor, Informationsmaterial über die IRT-Methode über Ärzteverbände zu verschicken: »Wenn so etwas bei Ärzten ankommen soll, dann muss das vom Hausärzteverband an all seine Mitglieder weitergegeben werden.« Schließlich sind alle Ärzt:innen Mitglieder in der Ärztekammer, die das wöchentlich erscheinende
- Stellschraube 4: Die Psychotherapeut:innen. Wer Psychotherapie anbietet, ist in der Regel beim Thema Albträume schon besser aufgestellt als andere Ärzt:innen. Etwa 60% von ihnen geben an, sich schon einmal über Albträume informiert zu
Am Ende ist Sophie zwar geheilt, doch zu viele Albträumende in Deutschland leiden weiter. Vor allem, weil die Aufgabe, aktuelle medizinische Forschungsergebnisse Ärzt:innen und Psycholog:innen zu vermitteln, nicht klar einer Organisation zugeordnet ist. Um Ärzt:innen, Psycholog:innen und die Öffentlichkeit zu erreichen, ist noch mehr Kommunikation zwischen Berufsverbänden, Fachgesellschaften, Fortbildungsinstituten und einzelnen Wissenschaftler:innen nötig. Um einen Beitrag dazu zu leisten, beschließe ich, zusammen mit Traumforscherin Annika Gieselmann aktiv zu werden. Im Interview für diesen Text entstand die Idee für ein gemeinsames Projekt: ein Aufklärungsvideo über Albträume.
Auch du kannst aktiv werden: Wenn jemand müde und gestresst aussieht, frag doch einfach mal nach, wie er oder sie geschlafen und geträumt hat.
Du suchst die Liste der Websites und Ansprechpartner? Dann klicke hier!
Liste der Websites und Ansprechpartner:
- Leitfaden zum Umgang mit Albträumen der DGSM (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin)
- Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim mit einer Albtraumsprechstunde für Erwachsene: Telefon: 0621 1703 1783
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über Albträume und andere Schlafstörungen bei Kindern:
- Zentrum für Psychotherapie Wiesbaden: Telefon: 0611-8907640
- Psychotherapeutische Ambulanz für Kinder und Jugendliche an der Universität Bielefeld: Telefon: 0521 106 2608
- Psychotherapeutische Institutsambulanz der Universität Düsseldorf: Telefon: 0211 811 3529
Wichtig: Dieser Text ersetzt keinen ärztlichen Rat! Für Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung ist die IRT nur dann geeignet, wenn parallel das Trauma therapeutisch bearbeitet wird.
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily