Unzufrieden im Homeoffice? Das ist nicht (nur) deine Schuld
Wer zu Hause arbeitet, ist häufig auf sich allein gestellt. Eine Studie zeigt nun, wie entscheidend der Einfluss des Unternehmens darauf ist, ob die Work-Life-Balance gelingt. 7 Regeln, die jetzt helfen
Wo endet die Arbeit, wo beginnt das Privatleben? Im Betrieb ist diese Frage leicht zu beantworten. Niemand hält sich im Büro auf, im Geschäft, in der Fabrik oder auf der Baustelle, um dort die eigene Freizeit zu verbringen. Wer bei der Arbeit ist, arbeitet.
Im Homeoffice erscheint diese Grenze unklarer. Dort rückt die Fähigkeit der einzelnen Beschäftigten, sich selbst zu organisieren, stärker in den Vordergrund als in einem Büro. Für Selbstständige, die zu Hause arbeiten, ist es normal, auf sich allein gestellt zu sein. Doch gilt das auch für Angestellte eines Unternehmens?
Vorteile im Homeoffice für diese Vereinbarkeit gibt es viele:
- Beschäftigte sparen Pendelzeiten und gewinnen dadurch Zeit.
- Private Termine und Erledigungen lassen sich einfacher in den Arbeitsalltag integrieren.
- Beschäftigte können flexibler auf Öffnungs- und Schließzeiten von Kitas oder anderen Einrichtungen reagieren.
- Besorgungen für pflegebedürftige Angehörige können einfacher bewerkstelligt werden.
Zugleich stellt das Homeoffice eine große Herausforderung für die Vereinbarkeit dar, Stichwort »Work-Life-Blending«. Damit ist die Entwicklung gemeint, dass sich Arbeit und Privatleben durch ständige Erreichbarkeit, digitale Vernetzung und mobiles Arbeiten immer stärker vermischen.
Wie können wir also die Vorteile des heimischen Arbeitsplatzes nutzen,
Homeoffice ist keine Privatsache
Das Homeoffice sei nicht an sich gut oder schlecht, erklärt mir Studienautorin Yvonne Lott. »Es kommt auf die Bedingungen an. Wir sollten stärker dazu übergehen, zu fragen, wie die Arbeit im Homeoffice gestaltet wird.« Yvonne Lott untersuchte für die Studie vor allem die Bedeutung der betrieblichen Rahmenbedingungen fürs Arbeiten im Homeoffice. Außerdem wollte sie wissen, ob und wie sich die Heimarbeit auf die Work-Life-Balance auswirkt.
Sie fand heraus, dass bestimmte Faktoren dabei einen besonders großen Einfluss haben:
- Selbstbestimmung: Beschäftigte, die sich für die Arbeit im Homeoffice entscheiden können, sind weniger gestresst, erkranken seltener an Burn-out und Depressionen, wollen seltener kündigen und sind zufriedener in ihrem Job.
- Unterstützung: Homeoffice führt dann zu Vereinbarkeitsproblemen, wenn sich Beschäftigte von ihren Vorgesetzten und ihrem Team nicht unterstützt fühlen. Geben sie hingegen an, in Sachen Work-Life-Balance unterstützt zu werden, erleben sie Konflikte zwischen Beruf und Privatleben deutlich seltener.
- Fairness: Beschäftigte, die sich von ihren Vorgesetzten fair behandelt fühlen, fühlen sich im Homeoffice sicherer und weniger gestresst. Ihnen fällt es leichter, im Homeoffice eine Work-Life-Balance zu finden.
- Zeitkultur: Bietet ein Unternehmen flexible Arbeitszeiten für Führungspositionen sowie Aufstiegsmöglichkeiten für Teilzeitangestellte, ist die Wahrscheinlichkeit, positive Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice zu machen, deutlich höher.
- Kontakt: Vorgesetzte und Teammitglieder sollten keine Kontrolle ausüben, aber Kontakt halten, indem sie Informationen teilen. Wege dafür gibt es genug: Telefon, E-Mail, Videochats und Messenger.
- Leistungskriterien: Durch die in Deutschland noch immer verbreitete Präsenzkultur wird Leistung häufig danach bemessen, wie lange jemand am Arbeitsplatz ist. Das ist im Homeoffice weitgehend unsichtbar. Klare Beurteilungskriterien – zu denen Präsenz am Arbeitsplatz ausdrücklich nicht gehört – geben Beschäftigten im Homeoffice Sicherheit.
- Vertragliche Regelungen: Ist Homeoffice vertraglich geregelt, haben Beschäftigte ein verbrieftes Recht, zu Hause zu arbeiten. Sie sind dann nicht auf das Entgegenkommen ihrer Vorgesetzten angewiesen, ihnen die Arbeit zu Hause jedes Mal aufs Neue zu gewähren. Dort, wo klare betriebliche Regelungen fehlen, sehen Beschäftigte mehr Vereinbarkeitsprobleme im Homeoffice.
Aus diesem letzten Grund spricht sich Yvonne Lott auch für ein Recht aufs Arbeiten im Homeoffice aus. Wohlwissend, dass nicht alle Beschäftigten in den Genuss eines solchen Rechts kommen können. »Zugang zum Homeoffice haben in der Regel Beschäftigte in höheren betrieblichen Positionen. Damit ist die Möglichkeit, ortsflexibel zu arbeiten, ein Privileg einiger weniger im Betrieb«, schreibt sie dazu in der Studie.
»Bei Beschäftigten, die zu Hause arbeiten, entsteht der Eindruck: Ich muss etwas Besonderes zurückgeben.« – Yvonne Lott, »Hans-Böckler-Stiftung«
Für sie ändert das nichts daran, dass eine gesetzliche Regelung all jenen hilft, die theoretisch die Möglichkeit besitzen, zumindest teilweise zu Hause oder mobil zu arbeiten. Solange eine solche politische Lösung noch nicht existiert und Homeoffice-Regelungen auch im Betrieb eher auf mündlichen Absprachen beruhen, sehen sich Homeoffice-Beschäftigte stärker in der Pflicht, besonderes Arbeitsengagement und Leistungsstärke zu demonstrieren, sagt Yvonne Lott.
»Im Homeoffice arbeiten zu können wird häufig noch als Privileg angesehen. Bei Beschäftigten, die zu Hause arbeiten, entsteht der Eindruck: Ich muss etwas Besonderes zurückgeben.« Das führe dazu, dass Beschäftigte im Homeoffice dazu neigen, engagierter und länger zu arbeiten.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich die Diskussion ums Arbeiten im Homeoffice weniger auf individuelles Selbstmanagement und gelungene oder weniger gelungene Fallbeispiele konzentrieren sollte. Homeoffice ist keine Privatsache, sondern etwas, das stärker als bisher auf betrieblicher und staatlicher Ebene geregelt werden muss. Vertraglich festgehaltene Regelungen und ein Recht auf Homeoffice oder mobiles Arbeiten könnten ein wichtiger Schritt sein.
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Mit Illustrationen von Tobias Kaiser für Perspective Daily