Vollkommen verwirrt? So wählst du das Richtige
Morgen also ist es so weit: die USA wählen. Endlich. Geprägt von Skandalen und Vorwürfen, war der Wahlkampf vor allem eins: emotional. Aber Gefühle vermitteln nicht unbedingt, welcher Kandidat unsere Interessen tatsächlich vertritt. Versuchen wir es also mal anders: Ein Crashkurs in Sachen Logik!
Donald Trump stützt sich auf das blau leuchtende Pult. Seine Rivalin Hillary Clinton steht neben ihm. Sie spricht nicht mit ihm, sondern in die Kamera. Beide werden umrahmt von Auszügen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Über ihnen thront ein Weißkopfseeadler, das Wappentier der USA. In seinem Schnabel trägt er ein Band mit dem Schriftzug
Im September dieses Jahres verfolgen 84 Millionen US-Amerikaner die 1. von insgesamt
Indem wir auf eine wertvolle Verbündete setzen: die Logik. Sie hilft uns dabei, Argumente zu entwirren und Schlussfolgerungen zu überprüfen – und das sogar dann,
»Du bist doof und deshalb hast du unrecht!«
Zurück zur 1. Präsidentschaftsdebatte im September. Thema Steuern. Hillary Clinton kritisiert Donald Trumps
Aber wenn ich mir so anschaue, was du vorschlägst, dann könnte man das als »Trump-Schlupfloch« bezeichnen, weil es dich und deine Geschäfte sehr bevorzugen würde.
Was sagt sie da eigentlich? Durch die Brille der Logik betrachtet, macht Clinton 2 Annahmen und kommt zu folgender Schlussfolgerung:
Annahme 1: Trump möchte die Steuern senken.
Annahme 2: Trump würde von Steuersenkungen profitieren.
Schlussfolgerung: Trumps Steuersenkungs-Pläne sind schlecht.
Die beiden Annahmen sind korrekt: Trump möchte die Steuern senken und
Die Wahrheit der Annahmen garantiert nicht die Wahrheit der Schlussfolgerung. – Die Logik
Das Argument ist also ungültig und der Zuschauer ergänzt in Gedanken den Zusammenhang, den Clinton nur andeutet:
Implizite Annahme 3: Wenn Trump von etwas profitiert und es dann selbst vorschlägt, kann das für alle anderen nicht gut sein.
Ist diese Annahme korrekt? Hätte Clinton ihre implizite Andeutung explizit geäußert, hätten ihr sicher viele Zuschauer widersprochen. Denn sie setzt sich nicht mit den Inhalten ihres Rivalen auseinander, sondern argumentiert gegen ihn als Person. Der Argumentationsfehler wird in der Logik als »Ad Hominem« bezeichnet: Clinton benutzt einen persönlichen Angriff, um die Position ihres Gegners schlechtzumachen.
Damit ist sie nicht allein. Ein paar Beispiele, die dir vielleicht bekannt vorkommen:
- Der Schauspieler
- Manche Menschen lehnen Impfungen ab, weil Pharmaunternehmen dafür werben und davon profitieren.
»In China ist ein Sack Reis umgefallen, natürlich hast du Zahnschmerzen!«
Ring frei für Runde 2 in der Präsidentschaftsdebatte. Wie sieht es bei Clintons politischem Gegner aus? Auch er verwirrt den Zuschauer mit seinen
In einer Stadt wie Chicago, in der innerhalb der letzten Jahre Tausende Menschen umgebracht wurden, […] tatsächlich wurden fast 4.000 Menschen umgebracht, seitdem Barack Obama Präsident ist.
Was meint die Logik zu dieser Argumentation?
Annahme 1: In den letzten Jahren wurden in Chicago 4.000 Menschen umgebracht.
Annahme 2: In den letzten Jahren war Barack Obama Präsident.
Trump stellt diese Aussagen in den Raum, ohne eine konkrete Schlussfolgerung zu ziehen. Die muss der Zuhörer selbst ziehen und ist dazu gezwungen. Denn ohne sie ergäben beide Sätze gemeinsam keinen Sinn:
Implizite Schlussfolgerung: Durch Obamas Präsidentschaft wurden in den letzten Jahren 4.000 Menschen umgebracht. Obama ist für die Mordrate in Chicago verantwortlich.
Würdest du der Schlussfolgerung zustimmen? Wahrscheinlich nicht. Das Problem ist zu komplex; das weiß vermutlich auch Trump. Er vertraut darauf, dass die Zuschauer den Zusammenhang vermuten und Obama die Schuld geben. Da Obama Demokrat ist, greift der Republikaner damit automatisch auch die Politik seiner Rivalin Clinton an.
Weil B zeitgleich zu A passiert, wird A als Grund für B angenommen. Das ist unzulässig. – Die Logik
Der hier vorliegende Argumentationsfehler heißt
- Eine Amokläuferin hat vor ihrer Tat
- Eine Partei wird in die Regierung gewählt und die Arbeitslosenrate sinkt. Im nächsten Wahlkampf schmückt sich die Partei damit.
- In der Zeitung liest jemand von »Flüchtlingsströmen«, die nach Deutschland kommen. Kurz darauf verliert er seinen Job. Nun macht die Person die Geflüchteten für den Jobverlust verantwortlich.
»Ich habe doch letzte Woche schon aufgeräumt. Soll ich das jetzt etwa jeden Tag machen?«
Auch in der 3. Präsidentschaftsdebatte werden wir fündig: Trump greift Clinton mit einem Argument
Sie will ein Single-Payer-System einführen, was ein Desaster wäre.
In einem Single-Payer-System kommt der Staat mit einer gesetzlichen Einheitskasse, finanziert aus Steuergeldern, für alle Kosten im Gesundheitswesen auf. Es wird zum Beispiel in Taiwan und Kanada genutzt. In Deutschland gibt es stattdessen gesetzliche und private Krankenkassen;
Interessant, aber was möchte Trump damit aussagen? Die Logik sieht sein Argument so:
Annahme 1: Das Single-Payer-System ist ein Desaster.
Annahme 2: Hillary Clinton als Präsidentin wird ein Single-Payer-System einführen.
Implizite Schlussfolgerung: Clinton sollte nicht Präsidentin werden.
Die Schlussfolgerung ist korrekt, die Logik ist zufrieden. Doch nun mischen sich ihre Freunde ein, die Fakten. Sie machen auf eine wichtige Tatsache aufmerksam:
Die Logik hat nicht bedacht, dass eine gültige Argumentation allein kein stichhaltiges Argument ausmacht. Dazu müssen alle Annahmen wahr sein (»Triftigkeit«). Auch das ist ein typischer Argumentationsfehler. In diesem Fall nutzt Trump einen sogenannten
Der »Strohmann« ist sehr beliebt und begegnet uns auch an anderer Stelle:
- Jemand wirft einem Feministen vor, er würde andere Männer hassen.
- In einer Rede am Knox College in Galesburg sagte Barack Obama 2013:
- Einer Fußballspielerin, die die Nationalhymne nicht mitsingt, wird vorgeworfen, dass sie Deutschland nicht möge.
Fassen wir also zusammen: Die Logik – und auch die Fakten – sind von einigen Argumenten im Präsidentschaftswahlkampf nicht begeistert. Fairerweise bleibt zu sagen, dass kaum jemand in der Lage ist, ohne Fehlschlüsse zu argumentieren. Wir haben uns daran auch in unserer Sprache gewöhnt.
Können wir also keiner Aussage mehr trauen?
Doch, das können wir. – Die Logik
Es ist durchaus möglich, dass eine Schlussfolgerung wahr ist, obwohl das Argument nicht logisch ist. Es ist wichtig, genau das im Blick zu behalten, wenn wir Argumente auswerten.
Doch wir brauchen die Logik auch, um uns und unseren Standpunkt besser zu verstehen. Um herauszufinden, wer auf politischer Ebene unsere Interessen vertritt, müssen wir zunächst verstehen, welche Interessen wir selbst haben. Das ist tatsächlich nicht immer offensichtlich und erfordert eine weitere Zutat: sich selbst zu hinterfragen. Um das zu ermöglichen, müssen wir eine logische Diskussion zulassen, die weniger emotional aufgeladenen ist.
Wie uns die Logik hilft, herauszufinden, wer unsere Interessen vertritt
Clinton, Trump und Co. wissen, dass sie bei den Zuschauern, Zuhörern und Lesern – also uns – besser ankommen, wenn sie mit Bildern und
Dann müsste Donald Trump die Pläne zur Krankenversicherung direkt kritisieren, um Hillary Clinton als Kandidatin zu disqualifizieren. Clinton müsste sich mit den Steuerkürzungsplänen von Trump auseinandersetzen, ohne ihren Kontrahenten als Person anzugreifen. Und die Zuschauer? Die könnten dann einfacher nachvollziehen, welcher Kandidat ihre Interessen vertritt.
Hand aufs Herz:
2017 steht in Deutschland die Bundestagswahl an.
Titelbild: dpa/newscon/Yin Bogu - copyright