Hört auf, Corona für die Klimakrise zu instrumentalisieren!
Seit Beginn der Pandemie kursieren Meldungen im Netz, welche die positiven Auswirkungen von Corona auf die Klimakrise bejubeln. Warum ich das problematisch finde.
In diesen Tagen bekomme ich wiederholt Kettenbriefe per Whatsapp weitergeleitet, in denen steht, man solle doch das Positive an Corona betrachten: Delfine und Schwäne würden wieder in den kristallklaren Kanälen in Italien schwimmen,
Ich schließe dann die Augen, atme tief durch und zähle bis 10, um Kurzschlussreaktionen zu vermeiden, die ich bereuen könnte.
An sich ist es schön, dass die Schwäne in Venedigs Kanälen sauberes Wasser haben.
Gerade in krisenhaften Zeiten klammert man sich an jeden Strohhalm, der Gutes verspricht.
Manchmal ist man in dieser Sehnsucht nach den guten Nachrichten auch bereit, nicht genau hinzuschauen:
Doch das aus dem Kontext gerissene Delfinvideo ging anschließend viral und mit ihm die Überzeugung: Die Natur atmet auf, weil der Mensch sich (endlich) zurückgezogen hat.
Das Originalvideo aus dem Hafen von Cagliari
Man kann natürlich optimistisch darauf hoffen, dass Nachrichten von dem, was möglich ist, Menschen dazu animieren, nach der Krise bewusster zu handeln und den Status quo umso mehr infrage zu stellen.
Dennoch wünsche ich mir, dass wir (und damit meine ich alle, die das Klima schützen wollen) einen Moment innehalten, bevor wir unseren Jubel in Wort, Bild und Ton ins Internet stellen und uns fragen: Zu welchem Preis passiert das hier alles eigentlich gerade?
Denn die Währung, in der gezahlt wird, heißt Menschenleben. Damit will ich nicht unnötig dramatisieren.
Irgendwo etwas Gutes
Ich verstehe: Man freut sich im ersten Moment und braucht die kurzweilige Erleichterung, dass das Ganze doch irgendwo etwas Gutes hat, in diesen angespannten Zeiten. Die daran anschließende Verantwortung liegt darin, von dieser ersten spontanen Emotion zurückzutreten und einen Moment das größere Bild zu betrachten.
Corona ist nicht der Retter des Weltklimas
Es ist generell ethisch problematisch, Krisen gegeneinander aufzuwiegen. Die Klimakrise ist nach wie vor da. Das sollten wir nicht vergessen. Corona, ein Virus, das viele Menschen an den Rand ihrer Existenz bringt, eine enorme mentale und physische Herausforderung für alle darstellt und am Ende Leben kostet, können wir so nicht zum Retter des Weltklimas erklären.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Bilder und Worte, die ausdrücken, was viele fühlen und auch das Positive nicht außer Acht lassen, sind wichtig in diesen Zeiten. Besonders wenn sie dazu beitragen, dass Menschen sich (wieder) als Gemeinschaft und weniger als miteinander konkurrierende Individuen begreifen.
Ich möchte mich aber an den Dingen erfreuen, die aus freien Stücken entstehen –
Das sind die Dinge, die mich wirklich freuen – nicht temporäre CO2-Abweichungen, die viel zu teuer erkauft sind.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily