Du wäschst dir täglich die Hände – warum nicht auch deinen Po?
Beim Anblick der leeren Supermarktregale, in denen sich einst Toilettenpapier stapelte, schüttelt unser Autor nur den Kopf. Ein guter Zeitpunkt, sich interkulturell über die Hygiene des Allerwertesten auszutauschen.
Als ich aus dem Libanon nach Deutschland zog, gingen mir alle möglichen positiven und negativen Konsequenzen meines Umzugs durch den Kopf. Dass ich eines Tages deutsche Supermärkte nach Toilettenpapier durchsuchen müsste, hätte ich mir damals nicht träumen lassen. Was ich auch nie gedacht hätte: wie viel Überwindung es mich hier kosten würde, fremde Toiletten zu benutzen. Was das eine mit dem anderen zu tun hat?
Die Antwort darauf ist vielleicht die Lösung für alle, die gerade ihre Papiervorräte schwinden sehen. Denn zu Hummus und Falafel könnte sich nach dieser Krise ein weiterer arabischer Exportschlager gesellen – mit Prädikat »ganz dringend nötig«.
Darf ich vorstellen? Das »Shattaf«
Ich wuchs als Muslim auf. Mit 13 Jahren musste ich den entsprechenden Religionsunterricht in meiner Schule besuchen. Das waren nicht die schönsten Stunden in der Woche, aber ich lernte dort einiges über unsere Traditionen und Rituale. Denn neben Beten und Fasten gibt es noch viele andere islamische Benimmregeln, auch hygienische. Zum Beispiel wie genau beim Niesen, Husten und Gähnen die Hand vor den Mund gehört. Doch eine Sache ließ mich besonders aufhorchen.
Obwohl der heiligste Prophet im Islam, Mohammad, meist in der Wüste lebte, forderte er seine Gefolgsleute dazu auf, sich den Hintern und den Intimbereich immer gründlich mit Wasser zu waschen.
Wann immer Allahs Gesandter (ﷺ) dem Ruf der Natur folgte, begleitete ich ihn zusammen mit einem anderen Jungen mit einem Becher voller Wasser. (Hisham kommentierte: ›Damit er sich damit seine Geschlechtsteile waschen konnte.‹)
Ich lernte später, dass das in vielen anderen Ländern auch praktiziert wird.
- Vor dem Toilettengang befüllst du das »Shattaf« – am besten mit lauwarmem Wasser. Wer keine mobile Dusche zu Hause hat, kann auch eine kleine Plastikflasche bemühen und ein paar Löcher in den Deckel stanzen.
- Lehne dich dann auf der Toilette nach vorne und gieße bzw. presse das Wasser von vorne zwischen die Beine. Auch wenn du den Hintern abspülst, bleibe in dieser Position. Denn wenn du deinen Po mit der Flasche von hinten spülst, können Bakterien von dort nach vorne in den Intimbereich wandern.
- Das braucht am Anfang wahrscheinlich die meiste Überwindung, aber: Benutze deine Hand zum Waschen, bis du dich sauber fühlst. Benutze keine Seife, denn das kann die Haut austrocknen.
- Trockne dich gut ab. Dafür kannst du natürlich auch Toilettenpapier benutzen, aber viel weniger davon, oder ein Handtuch, wie nach dem Duschen. Dann wasche dir die Hände gründlich mit Seife und fertig!
Wahrscheinlich wird beim ersten Mal viel Wasser danebengehen, aber mit etwas Übung ist die Hygiene für den Po auch auf der Arbeit zu schaffen. Millionen, vielleicht auch Milliarden Menschen können sich nicht irren!

Wo wird gewischt und wo gespült?
Denn jetzt mal ganz ehrlich: Was, denkst du, fühlt sich hygienischer an? Sich den Popo nach dem großen Geschäft mit Papier abzurubbeln oder ihn mit Wasser zu waschen? Oder anders gefragt: Wenn aus irgendeinem Grund deine eigenen Fäkalien auf deiner nackten Haut an Armen, Beinen oder sogar im Gesicht kleben, würdest du dann souverän mit einem Papiertaschentuch darüberwischen und die Sache wäre erledigt?
Mittlerweile ist die Podusche auch in der Lifestyle-Welt angekommen. In vielen Ratgebern zur Analhygiene belegen Ärzt:innen weltweit, dass eine Pflege mit Wasser am hygienischsten ist. Auch deshalb, weil mit Toilettenpapier oft Bakterien vom Anus in den Intimbereich bewegt werden und
Neben dem Hygienefaktor ist Toilettenpapier auch eine Ressourcenfrage. Laut des World Wildlife Fund hat
Ich verlange nicht, dass die Menschen auf der ganzen Welt aufhören, Toilettenpapier zu benutzen, und ihre Hintern mit Wasser waschen. Aber wenn ein paar Hamsterkauf-Geplagte nun aus der Not eine Tugend machen, können wir den umweltschädlichen Toilettenpapierverbrauch reduzieren – und nebenbei unsere Hygiene auf ein neues Niveau bringen sowie den kulturellen Austausch auf der Kloschüssel vertiefen.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily