Die Zeit ist reif für das Grundeinkommen. Was du jetzt darüber wissen musst
Große Krisen bieten die Chance für große Veränderungen. Hier sind 5 Thesen, wie ein gerechtes Grundeinkommen gelingen kann.
Vielleicht ist die Zeit jetzt gekommen. Während sich die Bundesregierung mit Hilfen in Milliardenhöhe gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie stemmt, denken viele über eine ganz andere Lösung nach: Warum nicht allen Menschen direkt Geld zukommen lassen? Oder anders ausgedrückt: ein bedingungsloses Grundeinkommen in Coronazeiten für alle!
Genau das fordert zum Beispiel die Modedesignerin Tonia Merz.
Die Überlegung dahinter ist: Wenn der Staat so unvorstellbar viel Geld in die Hand nimmt, dafür aber Millionen von Anträgen per Hand bearbeiten muss und am Ende doch nicht alle in wirtschaftliche Not geratenen Menschen erreicht – wäre es dann nicht viel einfacher, ihnen gleich ein Grundeinkommen auszuzahlen?
Corona verleiht dieser Idee neuen Auftrieb. Dass sogar Papst Franziskus laut über die Einführung eines Grundeinkommens
Natürlich gibt es verschiedene Ansichten darüber, wann der richtige Zeitpunkt für einen Praxistest gekommen ist und welches Modell am besten funktioniert. Daher muss jetzt geklärt werden, was ein Grundeinkommen eigentlich leisten soll – und was nicht.
In 5 Thesen versuchen wir, Antworten darauf zu finden.
1. Ein Grundeinkommen muss die Welt gerechter machen, nicht Ungerechtigkeit zementieren
Die Bundesrepublik ist nicht nur ein demokratischer Bundesstaat, in dem sich die besten Argumente durchsetzen sollen. Sie ist auch ein sozialer Bundesstaat, da kennt das Grundgesetz keine Diskussionen. Laut Bundesverfassungsgericht ist dieser Staat damit dazu verpflichtet, sich um einen
Was aber nun als »gerecht« empfunden wird, kann sich je nach Perspektive gewaltig unterscheiden und beschäftigt Philosoph:innen bereits seit vielen Jahrhunderten. Im Kontext des Sozialstaates
Unter sozialer Gerechtigkeit ist ein Verteilungsprinzip zu verstehen, welches jeder Bevölkerungsgruppe die Möglichkeit einer wirtschaftlichen und kulturellen Existenz auf angemessenem Niveau gewährleisten soll.
Oder provokanter gesagt: Dass in Deutschland niemand verhungern muss und (zumindest theoretisch) ein Recht auf ein Dach über dem Kopf hat, reicht nicht. Auch Hartz IV reicht dafür nicht, was schon allein an der Existenz von fast
Ob ein bedingungsloses Grundeinkommen unabhängig von Einkommen und Vermögen nach dem Gießkannenprinzip wirklich gerechter ist, steht auf einem anderen Blatt. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge beschreibt es so:
Milliardären denselben Geldbetrag wie Müllwerkern und Multijobberinnen zu zahlen, verfehlt das Ziel einer ›austeilenden Gerechtigkeit‹ (Aristoteles), weil die sozialen Gegensätze nicht beseitigt, sondern zementiert würden.
Daher darf eine derart mächtige wie revolutionäre Idee wie ein Grundeinkommen weder in
Genau an diesem Punkt verbirgt sich die Chance eines Grundeinkommens für Demokratie und soziale Gerechtigkeit: Umverteilung von oben nach unten (mehr dazu in These 4) durch ein Grundeinkommen, das sich an den individuellen Lebensverhältnissen orientiert, heißt dann nämlich auch: Machtumverteilung von Wenigen hin zu Vielen. Das wäre ein Schritt hin zu einer Demokratie, in der alle Menschen theoretisch die gleichen Chancen haben.
2. Wir brauchen einen Systemwechsel
Wenn alle, die ein Grundeinkommen beziehen, jeden Monat den gleichen Betrag auf ihr Konto überwiesen bekommen, ohne etwas Bestimmtes dafür tun zu müssen, ist man dem Ziel der Chancengleichheit schon ein ganzes Stück nähergekommen. Heute sind wir davon noch weit entfernt,
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily