»Wer in der Krise die Hand aufhält, darf nicht dem Gemeinwohl schaden«
Um die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abzufangen, stellt die Bundesregierung Milliarden bereit. Doch wer soll das Geld bekommen? Und wofür? Die »Bürgerbewegung Finanzwende« setzt sich dafür ein, dass das Geld bei den Richtigen landet.
12. Mai 2020
– 5 Minuten
Die Coronapandemie und ihre Folgen sind für Deutschland die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg,
Vor diesem Hintergrund erscheint es nur folgerichtig, dass die Minister:innen keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit lassen, sich dieser Herausforderung zu stellen. So wählte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ebenfalls von Anfang an martialische Worte:
Und er ließ Taten folgen:
Doch wer kontrolliert überhaupt, wohin die Gelder fließen und wofür sie letztendlich eingesetzt werden? Und welche Bedingungen müssen Unternehmen erfüllen, um vom Staat mit Steuergeld gestützt zu werden?
Diese Fragen habe ich Konrad Duffy gestellt, der sich für die Nichtregierungsorganisation für Reformen im internationalen Finanzwesen einsetzt.
Wenn der Staat Unternehmen finanziell unterstützt und ihnen so durch die Krise hilft, darf er dann wenigstens mitreden?
Konrad Duffy:
Bisher haben wir einen Flickenteppich an Auflagen, die intransparent und schwer zu überblicken sind. Kleine und mittlere Unternehmen, die von der KfW-Bank Kredite unter einer Million Euro bekommen, dürfen keine Dividenden oder Boni auszahlen. Zudem dürfen die Gehälter der Geschäftsführung jährlich nicht höher als 150.000 Euro sein.
Für größere Unternehmen gibt es aktuell keine Auflagen bei Krediten. Erst wenn Staatshilfen von 500 Millionen Euro oder mehr gezahlt werden, gibt es wieder Bedingungen. Eine, um genau zu sein: Die Empfänger sind zu einer »Selbstverpflichtung« angehalten. Wie diese aussehen soll, wissen wir bislang nicht.
Und dann gibt es natürlich noch das auflagenfreie Kurzarbeitergeld.
Es gilt also: Je größer die Summen, desto weniger Auflagen?
Konrad Duffy:
An manchen Stellen ist das genau der Fall. Wie das zustande kam, muss man auch erst mal verstehen, vor allem weil sich die Bundesregierung mit sinnvollen Auflagen eigentlich profilieren könnte. Es würde doch Sinn ergeben, wenn die großen Unternehmen zumindest an die gleichen Konditionen gebunden wären wie die kleinen und mittleren.
Dänemark ist da wesentlich strenger, Unterstützungsmaßnahmen wurden an strenge Bedingungen geknüpft. So sollen Unternehmen, die Gewinne in Steueroasen verstecken und so das Gemeinwesen um Einnahmen prellen, keine Hilfen erhalten. Wie ist der Stand bei uns?
Konrad Duffy:
Erst seitdem Dänemark sich dazu entschlossen hat, die Hilfen an Auflagen zu binden, ist das Ganze bei uns überhaupt zum Thema geworden. Aktuell werden in Deutschland hauptsächlich Dividenden, Boni und Aktienrückkäufe diskutiert. wie wir es nennen, ist von der Bundesregierung jedoch bisher noch fast gar nicht besprochen worden. Leider.
In Dänemark und auch Frankreich hingegen sollen Unternehmen, die ihren Sitz in Schattenfinanzzentren haben, nun auch keine Hilfen aus Steuermitteln erhalten. Das ist ein guter Schritt, auch wenn für Finanzwende die Definition der beiden Länder, was ein Schattenfinanzzentrum ist, nicht weitgehend genug ist.
Woher können wir denn wissen, welche Unternehmen Gewinne ins Ausland verschieben und sich so vor Steuerzahlungen drücken?
Konrad Duffy:
Grundlage dafür ist die 2016 im Auftrag des EU-Rats erstellte
Diese Liste umfasst jedoch nur 12 Länder, alle außerhalb der EU. Die Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network hat sich diese Liste schon vor Corona einmal genauer angesehen und festgestellt, dass die Länder darauf nur für 7% der Schattenfinanzaktivitäten weltweit verantwortlich sind. Diese EU-Liste ist also absolut unzureichend.
Das Tax Justice Network führt eine das ist ein guter Anfang, aber ist eben auch nicht vollständig.
Daher ist unsere Forderung, dass große Unternehmen, die Hilfen erhalten, ein Country-by-Country-Reporting erstellen müssen, damit wir überhaupt erst mal einen Überblick bekommen können und die Rolle von den Niederlanden, Malta, Luxemburg und vielen weiteren mehr in den Vordergrund rückt.
Wäre mehr Transparenz durch ein »Country-by-Country-Reporting« nicht auch ein Fortschritt für die Zeit nach Corona?
Konrad Duffy:
In jedem Fall. Es ist ein Instrument, das bereits fertig ausgearbeitet bereitliegt. Sogar die EU-Kommission hat dahingehend schon Vorschläge gemacht. Erst im November 2019 gab es eine Abstimmung dazu im Europäischen Rat der Regierungschefs. Die großen Länder wie Frankreich, Italien und Spanien wären alle dabei – nur Deutschland hat sich als einziges großes Land enthalten. Dagegen gestimmt haben Irland, Malta, Luxemburg und die Niederlande.
In diesem Video erfährst du, was ein »Country-by-Country-Reporting« ist und wie es funktioniert.
Das ist nicht das erste Mal,
Konrad Duffy:
Es ist ein frustrierendes Spiel, das Deutschland hier spielt. aber bei EU-Abstimmungen wird sich dann gegen konkrete Maßnahmen gestellt.
Wenn man alle Programme zusammennimmt, hat die Bundesregierung jetzt insgesamt 1,2 Billionen Euro gegen die Krise mobilisiert. Das ist so eine unvorstellbar große Summe an Steuergeldern, spätestens hierfür sollten strenge Regeln für Transparenz bei großen Unternehmen gelten.
Das Country-by-Country-Reporting ist ein notwendiger Schritt, ohne den wir die wirklichen Probleme der Gewinnverschiebungen und Steuertricks nicht angehen können. Deshalb ist ein Einstieg hier nun wichtig. Große Unternehmen, die der Staat unterstützt hat, sollten jährlich einen solchen Report veröffentlichen. Wer in der Krise die Hand aufhält und Hunderte Millionen Euro erhält, darf nicht parallel dem Gemeinwohl schaden.
Steuergelder als Staatshilfen in Anspruch nehmen und gleichzeitig das Gemeinwesen mit Steuertricks um viel Geld bringen, gibt es für so etwas Präzedenzfälle?
Konrad Duffy:
Da sieht man die Parallelen zur Bankenkrise von 2008, in der man Banken gerettet hat, die teilweise gleichzeitig durch unlautere Geschäfte wie Cum-Ex-Geschäfte die Staatskasse plünderten.
Hier erfährst du alles über die Cum-Ex-Geschäfte, die jeden einzelnen Bundesbürger 390 Euro gekostet haben:
Ein weiteres Beispiel: 2015 hat die EU-Kommission zumindest die europäischen Kreditinstitute zu einem Country-by-Country-Reporting verpflichtet. Da kam zum Beispiel heraus, dass die Deutsche Bank auf Malta ähnlich wie VW in Luxemburg 4 Mitarbeiter hat, die für einen Umsatz von 80 Millionen Euro gesorgt haben sollen. Das ist extrem bitter, das kann man niemandem erklären. Diese Erfahrung muss uns eine Lehre sein, dass wir nicht naiv sein dürfen. Es geht hier um Steuergelder, da hat der Staat die Verpflichtung gegenüber uns allen, da genau hinzusehen.
Den Appell »Keine Staatshilfen für Steuertrickser und Klimasünder!« der Bürgerbewegung Finanzwende kannst du hier unterzeichnen.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit hat wenig Reibungspotenzial: Wer würde schon ernsthaft behaupten, für weniger Gerechtigkeit zu sein? Chris zeigt, wie das konkreter geht. Dafür hat er erst Politik und Geschichte studiert und dann als Berater gearbeitet. Er macht die Bremsklötze ausfindig, die bei der Gesundheitsversorgung, Chancengleichheit und Bildung im Weg liegen – und räumt sie aus dem Weg!