Diese ernsten Spiele bereiten auf echte Katastrophen vor
Ein Forschungsprojekt simuliert Feuerwehreinsätze und zeigt, was »Serious Games« wirklich können.
Es herrscht Trockenheit im Land. Hochsommerliche Temperaturen haben sich über Wochen hinweg hochgeschaukelt und die Wahrscheinlichkeit für den zündenden Funken steigt mit jedem Tag. Ein emsiger Krisenstab versucht, sich auf das Schlimmste vorzubereiten und die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren.
Doch alles passiert nur in einem Spiel.
Genauer gesagt handelt es sich um das
Die Leistung wird am Ende des Levels dokumentiert: Wie hoch ist der entstandene Schaden? Wie viele Verletzte gab es? Das sieht nach klassischem Videospiel aus, doch die daneben hängenden Karten sind echt und zeigen deutsche Gemeinden. Und der Stress der Probenden ist echt, so wie das, was sie dabei lernen.
An der Schnittstelle zwischen Spiel und Ernst wird hier etwas erprobt, das in Zukunft auch für das echte Leben vorbereiten soll – Zocken und Daddeln in den Diensten der Wissenschaft.
Was uns ein digitales Spiel über echte Katastrophen verrät
Trifft die Bevölkerung in der echten Welt auf eine Krise, dann sind die Menschen verunsichert und haben Angst. Diese Verunsicherung ist nachvollziehbar, schließlich besitzen Durchschnittsbürger:innen kaum Erfahrungswerte mit solchen Szenarien.
Das versuchte das Forschungsprojekt TEAMWORK unter der Leitung der Universität Paderborn herauszufinden. Schließlich ist es die Natur einer Krise, komplex, schwer überschaubar und weitreichend zu sein.
Neben der Erforschung des menschlichen Verhaltens setzte das Forschungsprojekt TEAMWORK genau da an: Mit ihrem Spiel realistische Szenarien simulieren und dabei den Teilnehmenden echtes Wissen und Erfahrungen vermitteln. Die Hoffnung der Forscher:innen: Durch das Spiel am Computer sollten die Probanden Krisen besser verstehen und eigene Entscheidungen besser treffen können – auch im Ernstfall.
Kann ein Computerspiel Training für den Ernstfall sein?
Die Spielumgebung im Forschungsprojekt TEAMWORK basiert dabei auf dem Computerspiel
Der im Spiel eingebaute
Aus dem Computerspiel zur Unterhaltung wird so ein Werkzeug, bei dem Bildung und Lernen im Vordergrund steht: ein sogenanntes Serious Game.
Wenn die Proband:innen des Forschungsprojektes diese Szenarien einstudieren, übernehmen sie dazu Rollen, die sich auch im echten Leben wiederfinden – wie Leitstelle, Verbandsführer:in und Zugführer:in. Während die Teilnehmer:innen das Spiel durchlaufen, werden sie beobachtet und bewertet.
In einer Simulation geht es darum, digitale Erfahrung in Wissen umzuwandeln, das in der Realität genutzt wird.
Ob sie gut abschneiden oder nicht, ist dabei nicht entscheidend, sondern der Transfer von Wissen aus dem ernsten Spiel in die echte Welt. »Der Transfereffekt ist aber nur dann sicher gegeben, wenn das Wissen im Anschluss untersucht werden kann«, erklärt Erziehungswissenschaftlerin Manuela Pietraß der Universität der Bundeswehr München. Die Universität ist einer der 6 wissenschaftlichen Partner des Forschungsprojektes und hat sich der medienpädagogischen Analyse gewidmet.
Manuela Pietraß schränkt aber auch ein: »Das Eintreten einer realen Katastrophe ist nicht in ein Forschungsprojekt einplanbar.« Deshalb kann schlecht überprüft werden, ob die Probanden das Gelernte auch anwenden.
Das Potenzial sei jedoch gegeben, da ist sich die Erziehungswissenschaftlerin sicher. Denn die Vorteile der Simulation am Computer sind bestechend: »Die Katastrophen sind in ihrem Ausmaß skalierbar und können so auf die besonders hohen Anforderungen in der Organisation und Koordination von Einsatzkräften und -mitteln vorbereiten, etwa bei Feuerwehr-Großeinsätzen.« Damit kommen sie auch für die Ausbildungsinhalte für echte Einsatzkräfte infrage.
»Serious Games« wirken, sagt die Wissenschaft. Aber …
Das Projekt TEAMWORK wurde 2019 abgeschlossen. Auch andere wissenschaftliche Studien zeigen, dass Serious Games grundsätzlich positive Lerneffekte bieten können. Die systematische Analyse von 25 Studien in
»Die aktive Teilnahme in solchen Simulationen ist ein wichtiges Instrument, da es den Spielern Freiräume bietet, eigene Lösungsstrategien auszuprobieren und deren Folgen zu erfahren. Etwas, das mit bisherigen Medien wie Film und realen Planspielen in der Form nicht umsetzbar ist«, betont Manuela Pietraß von der Universität der Bundeswehr München. Auch ihre Auswertung von TEAMWORK hat ergeben, dass spielbasierte Konzepte dabei helfen können,
Wäre das nicht etwas für jedermann?
Dank den technischen Möglichkeiten moderner Heimrechner könnten Serious Games theoretisch auch einer breiten Bevölkerung zur Verfügung stehen und sie so besser über Katastrophen informieren. Doch scheitert es bisher am hohen Entwicklungsaufwand. Vergleichbare Spiele wie Emergency 5 für andere Szenarien wie etwa Pandemien fehlen bisher. Sie entwickeln zu lassen, sodass sie etwa ein umfassendes Katastrophenszenario abbilden, ist technisch sehr anspruchsvoll und kostenintensiv. Das weiß auch Manuela Pietraß und hält Serious Games für die breite Bevölkerung für unwahrscheinlich. Auch fehlt daheim die Auswertung für den Lerneffekt.
Doch stehen Serious Games und ihre Forschung an der Schnittstelle von digitalem Spiel und ernster Übung derzeit noch am Anfang. Projekte wie TEAMWORK leisten dabei Pionierarbeit. Und in Zukunft, da gibt sich die Erziehungswissenschaftlerin Pietraß hoffnungsvoll, dürfte man deutlich mehr von dieser Methode hören – wenn nicht daheim am Computer, dann etwa als Teil kontrollierter Workshops zur Verbesserung des Einsatzwissens ehrenamtlicher Hilfskräfte.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Titelbild: EMERGENCY - CC0 1.0