3 einfache Maßnahmen, die eine Million Krebserkrankungen verhindern könnten
In kaum einem EU-Staat ist die Regulierung von Tabak so lax wie in Deutschland. Entscheidet sich die Bundesregierung jetzt für konsequente Maßnahmen, könnten Millionen von Menschen vor lebensbedrohlichen Krankheiten geschützt werden.
Geld oder Gesundheit?
Die Coronakrise hat gezeigt, dass bei politischen Entscheidungen in Deutschland manchmal ganz klar die Gesundheit der Bevölkerung im Vordergrund steht – auch wenn es der Wirtschaft schadet.
Das ist in gewisser Weise erstaunlich, weil es für das Gegenteil in der Vergangenheit genügend Beispiele gibt.
Besonders deutlich wird das an den politischen Maßnahmen gegen Tabakkonsum. Die gibt es hierzulande nämlich kaum – und wenn doch, dann nur halbherzig und mit vielen Ausnahmen.
Augenscheinlich ist das fehlende Verbot für Tabakwerbung, dabei wäre dies nur eine logische Umsetzung des auch von Deutschland bereits im Jahr 2004 ratifizierten »WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC)«. Die anderen EU-Länder machen es nämlich genau so vor: Nachdem Bulgarien im Jahr 2016 Werbeplakate für Zigaretten verboten hat, ist Deutschland das letzte Land der gesamten EU, in dem Tabakkonzerne die Öffentlichkeit mit verharmlosender Werbung irreführen dürfen.
Warum eigentlich?
Es kommt Bewegung in die Sache
»Während man in anderen Ländern wesentlich forscher vorgegangen ist und umfassende Rauchverbote in Bars und Kneipen und Werbeeinschränkungen eingeführt hat, hat Deutschland weit weniger getan«, beklagt auch Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Sie selbst hatte sich 2018 in ihrer Funktion als Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention des DKFZ als Sachverständige
Dabei ist diese Forderung bei Weitem nicht neu. Grüne und Linke bringen sie immer wieder ein. Und 2016 gab es einen Gesetzentwurf der damaligen Großen Koalition. »Der wurde jedoch von den wirtschaftsnahen Teilen der CDU/CSU komplett blockiert. Als die Legislaturperiode dann endete, war der Entwurf wieder vom Tisch«, erzählt Ute Mons.
Für sie ist diese mangelnde Entscheidungskraft bisher frustrierend, weil sie die Gesundheit der Bürger:innen riskiert. Mons und ihre Kollegen beim DKFZ haben ermittelt, dass jede fünfte Krebsneuerkrankung in Deutschland auf Tabakrauch zurückgeht. Zwar sei die Zahl der Raucher hierzulande in den letzten Jahren konstant zurückgegangen. Dennoch sei der Anteil der rauchenden Bevölkerung in Deutschland mit 26,4% der Männer und 18,6% der Frauen im internationalen Vergleich noch immer sehr hoch.
Selbst wenn der kontinuierliche Rückgang der letzten Jahre anhalte, würde die Zahl der Raucher:innen laut aktueller Modellrechnungen des DKFZ im Jahr 2050 noch immer bei 14,8% der Männer und 10,2% der Frauen liegen. Gute Gründe also, endlich etwas zu tun.
Und tatsächlich scheint jetzt etwas Bewegung in die Sache zu kommen. Innerhalb der CDU wurde ein Kompromiss gefunden, der die Chancen
Diese Maßnahmen würden wirklich helfen
Denn die Tabakindustrie hat längst reagiert, wie Mons erklärt: »Es geht dabei aktuell nur um ein Außenwerbeverbot. Darauf hat sich die Tabakindustrie schon längst eingestellt und wirbt schon jetzt über viele andere Kanäle im Internet oder auf Festivals. Das Außenverbot ist weniger als wir wirklich bräuchten – und andere Länder schon lange tun.«
Würde Deutschland einen ähnlichen Weg einschlagen und konsequentere politische Entscheidungen treffen, könnte die Zahl der Krebsfälle in Deutschland laut Modellrechnungen des Deutschen Krebsforschungszentrums bis 2050 um bis zu eine Million reduziert werden. Die Modellrechnungen sind Teil der DKFZ-Studie, die die potenziellen Auswirkungen von 3 konkreten Maßnahmen errechnet hat.
Die Einführung dieser 3 Maßnahmen bietet zudem noch weit größeres Potenzial: »Unsere Studie fokussiert die Krebserkrankungen, die potenziell verhinderten Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und schweren Atemwegserkrankungen sind da noch gar nicht mit drin«, betont Ute Mons.
Einfach nur mit dem Finger auf die Raucher:innen zu zeigen sei hingegen der falsche Weg: »Man kann den Menschen so viel sagen, wie man will, dass sie nicht so viel rauchen, sich mehr bewegen oder gesünder ernähren sollen. Die Rahmenbedingungen sind aber oft so, dass es den Menschen unnötig schwer gemacht wird. Darüber macht sich die Politik viel zu wenig Gedanken«, so Mons.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily