Die »letzte Diktatur Europas« lässt ihre Bevölkerung mit Corona allein. Doch die organisiert sich längst selbst
Die Regierung der Republik Belarus verweigert bei sozialen Fragen schon lange die Arbeit. Aktivist:innen füllen die Lücken.
312 Coronatote und 54.680 Infizierte: Das ist der
Doch noch immer gibt es
Die Regierung
Doch seit Beginn der Pandemie fehlte es an Masken, Atemschutzgeräten und Schutzkleidung.
So wurden auf Crowdfundingplattformen wie
Unternehmen
Unter dem Dach der Initiative
Diese und viele andere Initiativen werden ohne Hilfe seitens des Staates gegründet. Der verbietet die Selbstorganisation zwar nicht, unterstützt sie aber auch kaum. Die finanziellen Ressourcen sind begrenzt, sodass Projekte wie »BYCOVID-19« oder NGOs allgemein ihre Finanzierung aus dem Ausland, von Privatpersonen oder Unternehmer:innen beziehen.
Kein einmaliges Phänomen
Neben dem Coronavirus gibt es viele andere Probleme in Belarus, die Menschen tagtäglich ohne die Hilfe des Staates angehen. Dazu gehört die
Der 33-jährige Alexander Makartschuk aus Baryssau wollte das ändern. Er selbst ist schwerbehindert und körperlich vollständig gelähmt. Trotzdem führt Alexander ein aktives Leben. Er lernte, mit seiner Stimme seinen Computer zu steuern, fand eine Arbeit als Systemadministrator und gründete im Jahr 2017
3 Jahre später bietet die Akademie 20 Kurse in verschiedenen Bereichen an: Dort können Menschen mit Behinderung nicht nur das Programmieren lernen, sondern auch, wie sie an Selbstvertrauen gewinnen können. Ziel der Kurse ist es, den Lernenden die Möglichkeit zu geben, Arbeit – und auch neue Freund:innen – zu finden.
Im IT-Bereich ist es einfacher als in anderen Bereichen, eine Stelle mit den richtigen Bedingungen für Menschen mit Behinderung zu finden: Homeoffice, flexibler Zeitplan, Teilzeitprojekte. Außerdem interessiert es niemanden, ob du ein Diplom hast oder nicht.
Im Mai 2017 hat Makartschuk die Startfinanzierung für seine Akademie auf der Crowdfundingplattform Imena eingesammelt. Bis heute haben über
Geschäft mit Herz und Seele
Auch belarussische Unternehmer:innen zeigen sich solidarisch und hilfsbereit. Dmitri Orekhov von der Software-Engineering-Firma EPAM, Sergey Brui von Vizor Games und Tamara Butova von IBM Belarus wollten helfen. Aus privatem Engagement für Waisenkinder, im Kinderhospiz oder im Rahmen von Programmierworkshops entstanden die Ausbildungsinitiativen
Jedes Jahr gibt es mehr Beispiele. Die Supermarktkette Sosedi (auf Deutsch: »Nachbarn«) stellt Waisenkinder und Menschen mit Behinderung in Geschäften mit sogenannten »leisen Kassen« ein, in denen auch Hörgeschädigte arbeiten. Belarussische IT-Spezialist:innen haben die Vereinigung Bildung für die Zukunft organisiert und eröffnen
All die engagierten Unternehmer:innen haben eines gemeinsam – sie helfen nicht nur in Einzelfällen, sondern gehen das Ganze systematisch an, um konkrete soziale Probleme zu lösen, für die eigentlich der Staat zuständig wäre.
Das Geld für soziale Projekte ist da und Unternehmen sind bereit, zu helfen. Sie wollen aber kein Geld verschwenden, zum Beispiel an schlechtes Management. Deshalb starten wir nun selbst Initiativen. Viele unserer Mitarbeiter beteiligen sich daran, sie erfinden ständig etwas und sind proaktiv. Ich sehe, wie diese Arbeit sie erfüllt.
Die Idee der »Venture Philanthropie«, die privates Kapital nutzt, um ökologische oder soziale Vorhaben zu unterstützen, gewinnt in Belarus an Popularität. Sie macht es möglich, nicht nur kurzfristig Projekte zu lancieren, sondern effiziente soziale Institutionen zu schaffen, die der Gesellschaft auf lange Sicht zugutekommen.
Obwohl die Regierung von Belarus politisch auf Autoritarismus, Unterordnung, Kontrolle und Bestrafung setzt, mischt sie sich in anderen Bereichen wenig ein – und tut selbst noch weniger.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Titelbild: BYCOVID-19 - copyright