7 Wege, wie wir in der Coronazeit zu besseren Umweltschützer:innen werden
In der Krise haben wir alte Gewohnheiten ersetzt, Nachbarschaft und Natur neu entdeckt und anders gearbeitet. Unbewusst ist unser Verhalten so umweltfreundlicher geworden. Was wir jetzt tun können, damit das so bleibt.
Die Coronakrise hat unser aller Leben verändert. Wir bleiben häufiger zu Hause, verbringen die Zeit mit unseren Mitmenschen eher auf Abstand, bewegen uns anders durch die Stadt und unsere Nachbarschaft. Viele von uns denken auch anders darüber nach, wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen. Und schließlich hat all das auch in unserem Inneren Veränderungen bewirkt; vielleicht sind wir einsamer als zuvor, haben sogar Angehörige verloren. Vielleicht erleben wir soziale Benachteiligung und Zukunftsängste zurzeit ganz besonders stark. Vielleicht sind wir aber auch entspannter und geduldiger geworden, weil wir weniger Freizeitstress haben.
Als Umweltpsycholog:innen aus der
Werden unsere Lebensstile genügsamer? Können wir neue, nachhaltige Gewohnheiten entwickeln? Nehmen wir durch die Coronakrise den Klimawandel anders wahr? Und verändert sich unser Verhältnis zur Natur, weil wir öfter im Wald und in Parks unterwegs sind?
Wir alle können an diesem entscheidenden Punkt der Coronakrise nun verschiedene Wege nehmen. Als Umweltpsycholog:innen haben wir 7 Wegweiser für Interessierte und Umweltschutzgruppen herausgearbeitet – um einen Weg in Richtung der sozial-ökologischen Transformation zu gehen.
1. Wegweiser: Neue Gewohnheiten schaffen
Gewohnheiten vereinfachen unser Leben, weil sie die Komplexität
Die derzeitige Ausnahmesituation durch die Covid-19-Pandemie bietet uns daher die seltene Chance, unser Verhalten in vielen Bereichen zu verändern und umweltschädigende Gewohnheiten aufzubrechen. Weil die Läden geschlossen waren, sind viele Menschen durch den Park geradelt, anstatt mit dem Auto zum Shopping zu fahren; Flugreisen haben Videokonferenzen Platz gemacht. Warum bleiben wir nicht dabei?
Was wir tun können, um jetzt, da viele Restriktionen wieder gelockert werden, nicht in die alten Muster zurückzufallen:
- Neue Gewohnheiten behalten wir eher bei, wenn sie angenehm sind und uns Spaß machen. Vielleicht merken wir nach gut moderierten Videokonferenzen, dass wir uns die lange Anfahrt künftig sparen können? Und vielleicht behalten wir praktische, kurzfristig verbreitete Radwege ja auch in Zukunft bei.
- Wenn wir auch unseren Mitmenschen dabei helfen wollen, neue umweltschützende Gewohnheiten zu etablieren, können wir den Nutzen ihres Verhaltens für die Umwelt betonen und unsere authentische Wertschätzung dafür äußern. Ein »Klasse, dass du jetzt mit dem Fahrrad zur Arbeit kommst; das ist auch super für die Umwelt!« bringt viel.
- In manchen Bereichen hat die Coronakrise allerdings auch weniger umweltfreundliche Gewohnheiten etabliert – wie den Umstieg von öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Pkw. Das zeigt, dass es nach wie vor notwendig ist, die uns umgebenden Strukturen zu verändern, zum Beispiel indem wir uns dafür einsetzen, dass der Nahverkehr dauerhaft kostenlos wird.
2. Wegweiser: Genügsamkeit und das gute Leben
Wir müssen unsere Emissionen absolut senken und die Ausbeutung von
Menschen entscheiden sich für ein suffizientes Verhalten, wenn das Weniger für sie ein Mehr an Lebensqualität bedeutet. Sie tauschen das Auto etwa dann gegen das Fahrrad ein, wenn sie frische Luft und körperliche Bewegung wollen. Weil Menschen Suffizienz bewusst und aus freien Stücken wählen, unterscheidet sich Suffizienz deutlich von unfreiwilligem Verzicht durch Armut, regulierende Gesetze oder Coronamaßnahmen.
Wie wir in Krisenzeiten genügsamer werden können:
- Wir können diese Phase nutzen, um uns selbst oder gemeinsam mit anderen zu überlegen: Was ist das gute Leben? Was hat Bestand, wenn uns vieles genommen wird? Wie habe ich meinen ökologischen Fußabdruck während der Coronazeit verändert? Kann ich einige der umweltfreundlichen Veränderungen, die mir gutgetan haben, beibehalten?
- Wir können unsere Suffizienz stärken, indem wir uns in Achtsamkeit üben, uns Zeit nehmen für bewussten Genuss anstatt für ressourcenintensives Shopping oder Reisen, und damit nicht-materielle Quellen für unser Wohlbefinden entdecken.
3. Wegweiser: Neue Pfade für psychologische Grundbedürfnisse
Die Befriedigung
Die Maßnahmen zur Coronapandemie erschweren es vielen Menschen, ihre psychologischen Grundbedürfnisse wie bisher zu erfüllen.
So können wir psychologische Grundbedürfnisse jetzt stärken:
- Jetzt aktiv zu werden, etwa in Form von einfachen ökologischen Do-it-yourself-Ideen oder digitalen Demonstrationen, kann Erfolgserlebnisse erzeugen und Kompetenz stärken.
- Umweltschutzgruppen können soziale Eingebundenheit derzeit durch gegenseitige Unterstützung, Austausch in digitalen Räumen und ein offenes und wertschätzendes Gruppenklima stärken.
- Wir können kreative Wege finden, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und eigene Werte auszuleben, zum Beispiel durch partizipative Entscheidungselemente in Gruppen und in der Politik.
- Wir können bewusst darauf achten, dass es uns und anderen in den 3 Bereichen soziale Eingebundenheit, Kompetenz und Autonomie gut geht.
4. Wegweiser: Neues soziales Miteinander entdecken
Wir leben und handeln nicht nur als einzelne Wesen. Der
Angesichts der internationalen Dimension der Coronapandemie können wir eine
So können wir durch Gruppenzugehörigkeit nachhaltiges Verhalten fördern:
- Die globale Identität stärken. Dazu können wir im Kontext der Pandemie auf unsere Vernetzung mit allen Menschen hinweisen. Auch positiver Kontakt über Ländergrenzen hinweg fördert die globale Identität – während der Pandemie erworbene Kompetenzen mit Onlinekommunikation können wir dafür nutzen.
- Umweltgruppen können aktuell relevante Identitäten als Zielgruppe ihrer Kampagnen adressieren, zum Beispiel Familien oder Wohngemeinschaften.
- »Think global, act local«: Dies ist die Zeit, um den lokalen Umweltschutz zu stärken und so eine Identifikation mit der Nachbarschaft aufzubauen. Das kann in Form von nachbarschaftlichen Gemeingütern wie Reparaturwerkstätten oder Gemeinschaftsgärten passieren, über Bürgerpartizipation und regionale Wirtschaftskreisläufe.
5. Wegweiser: Selbstwirksamkeit erwecken
Können wir durch unser Engagement etwas bewegen? Oder erleben wir es als wirkungslos? Unsere Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, durch das eigene Handeln unsere Ziele erreichen zu können, leistet einen wichtigen Beitrag zu unserem Bedürfnis nach Kompetenz.
Vor dem Ausbruch der Coronapandemie konnten sich viele Umweltaktive nicht vorstellen, dass Regierungen so schnell auf Krisen reagieren, große Teile der Bevölkerung sich solidarisieren und selbst restriktive politische Maßnahmen unterstützen würden. Jetzt sehen wir, zu welchen Maßnahmen wir imstande sind, wenn der politische und gesellschaftliche Wille vorhanden ist – eine Erfahrung der kollektiven Wirksamkeit. Gleichzeitig fühlen sich viele Umweltschützer:innen wenig selbstwirksam, weil der direkte Kontakt von Angesicht zu Angesicht mit Gruppenmitgliedern und herkömmliche Aktionsformen wie
Demgegenüber könnte die allgemeine Selbstwirksamkeit in der Bevölkerung zurzeit gestärkt sein, da die Bedeutung von
Wie wir unsere Selbstwirksamkeit aufrechterhalten können:
- Umweltschutzkampagnen können auf diesem Gefühl der gesteigerten Selbstwirksamkeit und der kollektiven Wirksamkeit aufbauen, indem sie sich gezielt auf dieses Gefühl beziehen: »Wir setzen uns gemeinsam für den Umweltschutz ein und du bist entscheidend dafür!«
- Die Coronamaßnahmen zeigen uns zudem: Umweltschützendes Verhalten muss verständlich und einfach umsetzbar sein, um keine Selbstwirksamkeit zu verlieren.
6. Wegweiser: Bedachte Krisenkommunikation
Es gibt einige Faktoren, die die Klimakrise und die Coronapandemie verbindet: Beide Krisen haben ein hohes Katastrophenpotenzial, in beiden Fällen müssen wir mit viel Unklarheit umgehen, was die Auswirkungen und den Wissensstand betrifft, und in beiden Fällen können wir die Bedrohungen weitgehend (noch) nicht am eigenen Leib erfahren. Wir sind also nicht so unmittelbar betroffen wie bei einer Trinkwasserknappheit im eigenen Stadtteil.
Was die Coronakrise jedoch davon abhebt: Sie ist komplett neu, eskaliert schneller als die Klimakrise, betrifft unsere Mitmenschen ganz konkret und ist
Objektiv betrachtet ist unsere Lebensgrundlage durch die zeitlich drängende Klima- und Biodiversitätskrise jedoch viel ernsthafter und weitreichender bedroht. Wie sollen wir mit diesem Widerspruch derzeit umgehen, wenn wir über die Umweltkrise berichten?
Da wir nur ein begrenztes Ausmaß an Aufmerksamkeit
Wie Umweltkommunikation derzeitig gelingen kann:
- Umweltschützer:innen sollten sich bewusst sein, dass die akute Phase der Pandemie kein günstiger Zeitpunkt für krisenhafte Umweltkommunikation ist. Als Zielgruppen bieten sich deshalb Menschen an, die bereits das Ausmaß der Klimakrise begriffen haben, aber noch nicht danach handeln.
- Es ist aktuell ungünstig, mit
7. Wegweiser: Sich neu mit der Natur verbinden
Die vielleicht wichtigste Chance in der Coronakrise ist, dass sie die Beziehung zwischen Mensch und Natur stärkt. Weil Verkehr und Industrie eingeschränkt sind, können wir direkt wahrnehmen, wie die Natur aufatmet. Dies bietet uns eine Gelegenheit, zu erkennen, wie stark sich Mensch und Natur wechselseitig beeinflussen. Wenn wir mehr Zeit in der Natur verbringen, sei es auf Spaziergängen, bei der Gartenarbeit oder beim Joggen, können wir sie als wichtigen Erholungsraum und als Quelle für unser Wohlbefinden erleben. Die positiven Erfahrungen tragen bei vielen Menschen aktuell wahrscheinlich zur Entwicklung einer stärkeren
Die
So können wir unsere Verbindung zur Natur festigen:
- Die Natur ist eine Kraftquelle. Deshalb ist es sinnvoll, uns möglichst viel und insbesondere für angenehme Aktivitäten in der Natur aufzuhalten.
- Die positiven Effekte der Natur auf unsere Gesundheit, unsere Stimmung und Naturverbundenheit können wir durch Achtsamkeit verstärken, etwa bewusst die Sonne oder Luft auf der Haut wahrnehmen, über Pflanzen staunen, Tiere beobachten.
Die Bedeutung der Coronapandemie für den Umweltschutz
Umweltschützer:innen wie wir, Umweltgruppen und Politiker:innen können die Coronapandemie als temporären Rückschlag erleben. Corona dominiert die Medien und viele Umweltschutzaktionen sind zurzeit nicht umsetzbar. Gleichzeitig erkennen wir, was erreicht werden kann, wenn Regierungen Probleme wirklich ernst nehmen. Wir sehen, dass wir in der Tat neue Wege einschlagen können: Das Aufbrechen von eingefahrenen Abläufen auf individueller, lokaler und globaler Ebene ist möglich und zeigt direkte Effekte.
In dieser Zeit können wir uns gegenseitig helfen, neu etablierte umweltschonende Gewohnheiten beizubehalten, in neuer sozialer Verbundenheit zu handeln, die Natur zu genießen – und mit Kreativität suffizienter und letztlich glücklicher zu leben. So können wir mit der aktuellen Situation nicht nur umgehen, sondern sie nutzen, um gemeinsam den Weg in eine sozial-ökologische Zukunft zu gehen.
Hier kannst du das »Handbuch zur Förderung nachhaltigen Handelns« des Wandelwerk e. V. kostenlos als PDF herunterladen.
Die Organisation »Climate Outreach« hat einen kostenlosen Leitfaden zur richtigen Kommunikation von Klimathemen während der Coronakrise veröffentlicht.
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily