Was dir in der Pandemie hilft, psychisch gesund zu bleiben
Psychische Erkrankungen haben in der Coronakrise deutlich zugenommen. Stressforscher Mazda Adli erklärt im Interview, wie du deine seelische Gesundheit jetzt am besten schützen kannst.
Die Restaurants sind wieder geöffnet, Schulen und Kitas starten ins neue Jahr, die Innenstädte sind voll und die Badeseen überfüllt. Von außen betrachtet erinnert das öffentliche Leben schon wieder stark an die Zeit vor Corona.
Die überfüllten Freibäder sagen wenig darüber aus, wie es in den Köpfen Menschen aussieht.
Die überfüllten Freibäder sagen also wenig darüber aus, wie es in den Köpfen der Menschen aussieht. Eine
Im Interview spricht Mazda Adli, Stressforscher und Psychiater an der Berliner Charité und der Fliedner Klinik Berlin, über die psychischen Auswirkungen der Pandemie und darüber, was uns hilft, diese Zeit zu überstehen.
»Wir sehen jetzt die psychischen Folgen der Pandemie«
Damit hängt die zweite Ursache zusammen, die ich sehe: soziale Isolation und Einsamkeit. Viele soziale Aktivitäten sind auch jetzt nur sehr eingeschränkt möglich. Dazu gehören Kulturveranstaltungen, Reisen oder Chorproben, um nur Beispiele zu nennen. Das setzt gerade diejenigen, die allein leben, unter Isolationsstress. Das erlebe ich häufig als Grund für psychische Erkrankungen und Belastungen. Der Kontakt mit anderen Menschen ist entscheidend für unser seelisches Wohlbefinden. In der Behandlung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen ist gerade die Intensivierung von sozialen Verbindungen ein wichtiges Ziel. Wenn das nicht mehr möglich ist, bringt das auch Menschen mit psychischen Vorerkrankungen in Schwierigkeiten.
»Der kleine Schmerz ist nicht harmlos, nur weil es noch einen stärkeren gibt«
Als Psychiater ist es mir wichtig zu appellieren, dass man sich nicht scheuen soll, Hilfe zu suchen, wenn man sich psychisch belastet fühlt und unter Druck sieht. Wir Psychiater und Psychotherapeuten stehen bereit. Unsere Hilfsangebote und Versorgungsstrukturen funktionieren. Dazu gehören die Praxen, Rettungsstellen, Krisendienste und vieles mehr. Als allererster Schritt hilft es bereits, sich mit Angehörigen, Freunden und Nachbarn auszutauschen. Diese kleinen Kommunikationswege haben häufig auch schon einen entlastenden Effekt. Schon ein Smalltalk kann helfen, wenn er einen Perspektivwechsel, eine andere Sicht auf das ermöglicht, was einen besorgt.
Du befindest dich in einer Krisensituation und benötigst Hilfe? Wenn du wissen möchtest, wo du sie bekommen kannst, klicke hier!
- Befindest du dich in einem Notfall, hast du beispielsweise Suizidgedanken? Dann zögere nicht und wähle den Notruf (112) oder wende dich an das Krisentelefon (0800-1110111 und 0800-1110222). Ein muslimisches Seelsorgetelefon ist rund um die Uhr unter 030-443509821 erreichbar.
- Die Terminservicestellen der KBV können einen ersten Termin in einer psychotherapeutischen Sprechstunde vermitteln – in den meisten Fällen innerhalb von 4 Wochen. Liegt eine psychische Krise vor, kann in der Sprechstunde auch eine Akutbehandlung verordnet werden. Mehr Infos dazu findest du hier.
- Auch Hausärzt:innen, Psychiater:innen oder Psychotherapeut:innen können erste Ansprechpartner:innen bei psychischen Problemen sein. Wer psychische Beschwerden hat, sollte immer auch checken lassen, ob sich diese körperlich erklären lassen: etwa durch eine Hormonstörung. Wer keine Ärzt:innen kennt, an die er oder sie sich wenden kann, kann diese beispielsweise über die weiße Liste finden: www.weisse-liste.de
- Die Sozialpsychiatrischen Dienste sind eine weitere Anlaufstelle. Sie sind bei den Gesundheitsämtern angesiedelt und können kostenlos in Anspruch genommen werden. Sie bieten selbst keine Therapie an, betreuen und begleiten aber Menschen mit psychischen Erkrankungen zusätzlich. Auch Angehörige, Freund:innen und Kolleg:innen können sich an den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden, wenn sie das Gefühl haben, dass jemand in ihrer Umgebung Hilfe benötigt.
- Psychosoziale Beratungsstellen sind zum Beispiel Familien-, Frauen-, Erziehungs-, Lebens- oder Suchtberatungsstellen. Dort arbeiten Mitarbeiter:innen unterschiedlicher Berufsgruppen wie Ärzt:innen, (Sozial-)Pädagog:innen, Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen, Sozialarbeiter:innen oder auch speziell geschulte Pflegekräfte zusammen, um Ratsuchenden bei ihren Problemen zu helfen.
- Auch Selbsthilfekontaktstellen können Hilfe bieten. Selbsthilfegruppen ersetzen zwar keine Therapie, aber gerade Menschen, die bereits eine Therapie hinter sich haben, kann es helfen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen – und das zu festigen, was sie in der Therapie gelernt haben. Manchen Menschen helfen die Gespräche mit anderen Betroffenen auch während der eigenen Therapie. Eine Selbsthilfegruppe in deiner Nähe findest du zum Beispiel hier: www.nakos.de
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily