3 Gründe, warum die Welt ohne Superreichtum eine bessere wäre
Heute im Podcast gegen die Weltuntergangsstimmung: Was superreich bedeutet und warum die drängendsten Probleme unserer Zeit damit zu tun haben.
Wieso denken wir über eine Welt ohne Superreichtum nach?
Um das zu verdeutlichen, hier ein kleines Gedankenexperiment: Stelle dir vor, es ist dein Geburtstag und den feierst du ausgelassen mit 99 Gästen. Natürlich gibt es auch eine große Torte. Was wäre, wenn einer deiner Gäste sich frech 1/3 davon abschneidet, 9 weitere Gäste krallen sich das zweite 1/3. Das heißt für den Rest der Geburtstagsgesellschaft, dich inbegriffen, bleibt nur das letzte 1/3 der Torte übrig. Nachdem der erbitterte Streit darum vorüber ist, müssen einige Gäste dann sogar mit leerem Magen nach Hause gehen.
Eine absurde Geschichte?
Nein. Denn genau so ist
Damit ist das Vermögen in der deutschen Gesellschaft noch konzentrierter als gedacht. Die Forschenden des DIW fanden heraus, dass es in Deutschland eine Million Millionär:innen gibt. Gleichzeitig besitzt die untere Hälfte der Bevölkerung fast nichts – viele haben sogar Schulden.
Grund genug, dass wir uns heute einmal vorstellen wollen, wie eine Welt ohne superreiche Menschen aussehen könnte. Dabei wollen wir ein wenig utopisch werden und zeigen, warum wir alle von einer gerechteren Verteilung profitieren würden – nicht nur in Deutschland.
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Was heißt hier eigentlich »superreich«?
Aber wer gilt denn eigentlich als »reich« oder sogar »superreich«? Auf diese Frage gibt es nicht nur eine Antwort.
Klar ist: Finanzieller Reichtum ist immer relativ. Wir leben in einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Durchschnittsverdiener:innen hier werden verglichen mit der Mehrheit von Arbeitnehmer:innen aus Ländern des globalen Südens wohl in jeder Definition als reich durchgehen. Dass dieses Gefälle mit der Ausbeutung eben dieser Länder zusammenhängt, soll nicht unerwähnt bleiben.
Betrachten wir hingegen die Verteilung von Vermögen innerhalb Deutschlands (wie oben beschrieben), der EU
Aus meiner Sicht ist man superreich, wenn man selbst nicht mehr arbeiten muss, um sich zu reproduzieren. Denn das tun wir Menschen durch Arbeit. Wer aber in einem arbeitsfähigen Alter ist und nicht arbeiten MUSS, während er andere für sich arbeiten lässt – ja, der ist reich.
Auch Bontrup warnt davor, Superreichtum nicht oberflächlich an kapitalistischen Statussymbolen wie teuren Autos festzumachen: »Ein Porschefahrer allein hat null Macht über andere. Wenn einer aber eine Maschine besitzt, von der andere abhängig sind, weil sie dem Besitzer dieser Maschine ihre Arbeitskraft anbieten und verkaufen müssen; dann entsteht ein Macht- und damit auch ein Ausbeutungsverhältnis.«
Der deutsche Professor für praktische Philosophie Christian Neuhäuser nähert sich der Definition noch einmal aus einer anderen Richtung. In
Ein Beispiel: Eine Milliarde Dollar sind umgerechnet eintausend Millionen Dollar. Jeff Bezos, Amazon-Gründer und reichster Mensch der Welt, besitzt
Daran wird deutlich: Sprechen wir von superreich, meinen wir eigentlich unvorstellbar reich.
Doch wo ist nun das Problem mit Jeff Bezos und Co.? Und was hätten wir davon, wenn Menschen wie er einen Gutteil ihres Vermögens und den Status »superreich« abgeben würden?
Mehr Geld für Investitionen, die der Allgemeinheit dienen
»Dafür ist kein Geld da!« ist ein Satz, der häufig fällt, wenn es um unterfinanzierte Pflegeheime, marode Straßen und Brücken oder entschiedene, nachhaltige Förderprogramme geht. Dabei ist an sich jede Menge Geld in unserer Gesellschaft vorhanden. Die Frage ist nur, wie es verteilt ist und ob es dort, wo es ist, der Allgemeinheit dient.
Ein wichtiger Grund dafür, dass in vielen Staatskassen kein Geld für Investitionen liegt, ist, dass die Einnahmen aus Steuern von besonders Vermögenden in den letzten Jahrzehnten immer weiter zurückgegangen sind, etwa durch die Abschaffung der Vermögensteuer im Jahr 1997.
Der Steuerrechtler Joachim Wieland beschreibt die Folgen so: »Der Staat hat in dieser Zeit auf die
Doch nicht nur in Deutschland wurden die Steuern für Reiche und Superreiche in den letzten Jahrzehnten abgeschafft: Der sich seit den 1970er-Jahren ausbreitende Neoliberalismus führte weltweit dazu, dass Steuern gesenkt und soziale Sicherungssysteme abgebaut wurden. Die Folgen: Vielerorts fehlt Geld für wichtige öffentliche Investitionen,
Dass viele Milliardär:innen große Beträge für wohltätige Zwecke spenden, ändert daran wenig. Denn ohne Superreichtum bräuchte es gar keine Philanthropie.
Der niederländische Historiker Rutger Bregman spricht sich auf dem Weltwirtschaftsforum 2019 in Davos für eine Reichensteuer aus:
Spätestens angesichts der Coronakrise gewinnt diese Frage noch mal zusätzlich an Brisanz: Besonders viele Kleinunternehmer:innen und Freiberufler:innen bangen in diesen Zeiten um ihre Existenz. Überall auf der Welt überbieten sich Staaten mit gewaltigen Konjunkturpaketen. Doch wer profitiert am Ende von den Hilfszahlungen? Und wer zahlt am Ende die milliardenschwere Zeche, wenn wir das Schlimmste überstanden haben?
Nach und nach erkennen inzwischen sogar mehr und mehr Superreiche selbst, dass eine Welt ohne eine derart starke Vermögenskonzentration wahrscheinlich eine bessere wäre. Millionär:innen für die Menschheit (Millionaires for Humanity) nennt sich eine Gruppe aus 83 Superreichen aus der ganzen Welt, die sich nun in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit wendet: Sie fordern von ihren Regierungen »unmittelbare, substanzielle und permanente«
Menschen würden wieder mehr füreinander arbeiten als für gesichtslose Investor:innen
Wenn wir
Das wollten sich Arbeiter:innen einer Teefabrik in Frankreich nicht mehr gefallen lassen. Sie errechneten, dass bereits in den ersten 4 Monaten eines Geschäftsjahres mit ihrer Arbeit die Umsätze der Produktionskosten und die eigenen Löhne gedeckt waren. Die Erträge, die in den restlichen 8 Monaten des Jahres erwirtschaftet wurden, flossen als Gewinne an die Eigner:innen und Aktionär:innen des internationalen Lebensmittelriesen Unilever, dem die Fabrik gehörte.
Als Unilever im Jahr 2010 die Fabrik schließen wollte, um die Produktion in ein Billiglohnland auszulagern, besetzten Arbeiter:innen die Fabrik, 1.336 Tage lang. Im Jahr 2014 gab der Konzern nach, und die Mitarbeitenden führen den Betrieb seit 4 Jahren unter dem Namen Scop Ti (Abkürzung für Société Coopérative Ouvrière Provençale de Thés et Infusions: Arbeitergenossenschaft der Provence für Tee und Aufgüsse) als Genossenschaft selbst weiter.
Ihr Beispiel zeigt: Eine Arbeitswelt ohne Superreiche und Großkonzerne ist möglich, wenn Arbeitnehmer:innen Einfluss auf die Investitionsfunktion nehmen.
Das Entscheidende in der Ökonomie ist nicht die Konsumfunktion. Sondern immer nur die Investitionsfunktion, über die nur die Kapitaleigentümer entscheiden. Nämlich wann, wo und wie investiert wird. Deshalb bleiben die abhängig Beschäftigten im Kapitalismus auch immer Habenichtse.
Hier stellen wir 7 Genossenschaftsideen vor, die den Problemen unserer Zeit mit mehr Gemeinschaft entgegentreten.
Der CO2-Ausstoß wäre schlagartig wesentlich geringer
Untersuchungen wie etwa
In den Jahren 1970–2000 verzehnfachte sich die Zahl der Privatjets. Schätzungen zufolge sind zudem für die kommenden 10 Jahre bereits 8.000 weitere neue Privatjets von multinationalen Konzernen und Superreichen bestellt. Im Vergleich zu einem Fluggast in einer regulären Airline
Und auch
Als wäre das nicht genug, setzen einige superreiche Industrielle ihr riesiges Vermögen sogar noch dafür ein, die fatalen Folgen ihres Tuns durch die Finanzierung von skeptischen Studien gegenüber der Klimakrise zu widerlegen. Die Geschichte der Koch-Brüder aus den USA zeigt dies beispielhaft:
Ohne Superreichtum wäre also auch der Klimawandel womöglich besser in den Griff zu bekommen. Vielleicht wären wir noch nicht einmal an dem kritischen Punkt der Erderwärmung, an dem wir heute stehen.
Wie kann es weitergehen?
Gibt es etwas, was jede:r von uns sofort tun kann, um dem Superreichtum zukünftig entgegenzuwirken? Ja, und zwar den (eigenen) Wirtschaftsanalphabetismus bekämpfen – und dabei auch die politischen Entscheider:innen mit in die Pflicht nehmen.
»Ich erwarte auch von der Politik, ein Volk intellektuell zu entwickeln. Machen wir uns nichts vor: Nehmen wir 100 Menschen. Und wir stellen diesen repräsentativ ausgesuchten Menschen ganz einfache ökonomische Fragen. Die können die nicht beantworten«, bemängelt Wirtschaftswissenschaftler Heinz-Josef Bontrup im Interview.
Und er fährt fort: »Ich brauche nun einmal Wissen, um etwas verändern zu können. Wir würden ja auch nicht einfach 3 Pillen schlucken, die uns ein Arzt verschreibt, ohne Untersuchung und ohne, dass wir wüssten, was darin ist und gegen was es hilft. Aber in der Wirtschaft verhalten wir uns so!«
Wer sich mit Wirtschaft und ihren Funktionsweisen nicht auskennt, wird immer denen gegenüber im Nachteil sein, die die Zusammenhänge verstehen. Deshalb braucht es nicht nur Eigeninteresse an dem Thema, sondern auch Bildungszugänge – denn wie die Gesundheit bestimmt auch unser Wirtschaftssystem unser aller Leben.
Genau aus diesem Grunde würde es mittelfristig auch nicht viel verändern, wenn wir eines Tages in einer Welt ohne Superreichtum aufwachen würden: Solange wir nicht grundlegend etwas an unserem System verbessern oder es komplett verändern, wird es innerhalb kürzester Zeit andere Superreiche geben, die sich über global wachsende Konzerne zu neuen Höhen aufschwingen.
Die Umfrage, in der ihr über das Thema für die nächste Folge abstimmen könnt, reichen wir nächste Woche nach.
Titelbild: sergio souza - CC0 1.0