8 Dinge übers Blutspenden, die du wissen solltest
Als sie davon liest, dass Blutspender:innen fehlen, gibt auch unsere Autorin nach 8 Jahren wieder Blut ab. Doch was passiert eigentlich mit ihrer Spende und was hat es mit dem Blutmangel auf sich?
Blutspender dringend gesucht
Blutkonserven werden knapp
DRK-Blutspendedienst erwartet steigenden Bedarf der Blutspenden
Seit einigen Wochen begegnen mir immer wieder Aufrufe wie diese. Als ich die Meldungen lese, fühle ich mich ein bisschen ertappt. Meine letzte Blutspende liegt mittlerweile 8 Jahre zurück – immer wieder hatte ich mir vorgenommen zu spenden und es dann doch wieder vor mir
Das will ich nun ändern und mache einen
Erkenntnis 1: Ein paar Kreuze entscheiden maßgeblich mit, ob ich spenden darf
Als ich eine Woche nach meinem Anruf im Blutspendezentrum eintreffe, herrscht Maskenpflicht – klar, eine Pandemie macht auch vor der Blutspende nicht halt. Bevor ich spende, wird deshalb erst einmal meine Temperatur gemessen. Weil die mit 36,5 Grad im Normbereich liegt, geht es für mich weiter.
Im Fragebogen wird es zum Teil intim
Bevor ich spenden darf, muss ich noch
Wäre ich beispielsweise ein Mann, der in den letzten 12 Monaten Sex mit Männern hatte, wäre ich von der Spende ausgeschlossen. Diese Regelung, die in der
Die Ausschlusskriterien werden immer wieder hinterfragt
Doch Kritiker:innen sagen: Um eine HIV-Infektion sicher auszuschließen, würde beispielsweise ein deutlich kürzerer Zeitraum reichen. Auch Verbesserungen bei Testverfahren und Befragungen könnten einen pauschalen Ausschluss unnötig machen, schreibt
Neben der sexuellen Orientierung gibt es noch einige andere Gründe, die zum Ausschluss führen können: Etwa eine kürzlich verbüßte Haftstrafe, die Einnahme von Medikamenten, eine Reise und auch der Geburtsort.
Wo ich meine Kreuze setze, entscheidet darüber, ob ich spenden darf. Die aktuellen Regelungen immer wieder kritisch zu hinterfragen, erscheint nur logisch, wenn man bedenkt, dass immer wieder fehlende Spender:innen beklagt werden.
Erkenntnis 2: Meine Blutgruppe ist häufig, aber dennoch wichtig
Nach dem Gespräch mit einer Ärztin, die auch den ausgefüllten
Ich entscheide mich spontan, mit dem linken Arm zu spenden. Die Nadel für die Blutspende ist etwas dicker als bei der Blutabnahme beim Arzt, doch sobald sie im Arm steckt, ist der kurze Schmerz schnell vergessen. Fasziniert beobachte ich, wie mein Blut über einen dünnen Schlauch in einen Plastikbeutel fließt. Insgesamt 500 Milliliter werden mir abgezapft. Wo sonst
Erkenntnis 3: Mein Körper steckt die Spende locker weg
Der Blutverlust ist für den Körper in der Regel kein Problem. Schon in 24 Stunden wird der Wasseranteil meines Blutes fast vollständig zurück sein – er macht knapp die Hälfte am verlorenen Volumen aus. Nach einigen Tagen sind dann auch die Eiweiße in meinem Blutplasma und meine weißen Blutkörperchen nachgebildet.
In maximal 8 Wochen ist mein Blut vollständig nachgebildet
Bis die roten Blutkörperchen wieder in voller Stärke vertreten sind, dauert es maximal 8 Wochen. Nach dieser Zeit dürfte ich das nächste Mal zur Spende gehen. Männer müssen nur etwa 6 Wochen warten, bei ihnen geht die Blutnachbildung etwas schneller.
Nachdem das Blut ein paar Minuten aus meiner Armbeuge geflossen ist, spüre ich ein leichtes Kribbeln in den Füßen. Mein Kreislauf macht sich bemerkbar. Die Mitarbeiterin, die mir auch die Nadel in den Arm gesteckt hat, rät mir, meinen Mundschutz ein Stück unter die Nase zu ziehen und mit den Füßen zu kreisen.
Nach knapp 8 Minuten sind die 500 Milliliter Blut aus meinem Arm in den Plastikbeutel geflossen – zeitlich liege ich damit genau im Mittel. Danach bleibe ich noch etwa 15 Minuten liegen, ein Mitarbeiter
Langsam zieht sich auch das Kribbeln aus meinen Füßen zurück und ich kann ohne Probleme aufstehen. Auf dem Weg nach draußen nehme ich mir einen Bagel und einen Muffin aus dem Kühlschrank – Coronabedingt dürfen Spender:innen den Snack im Moment nicht mehr vor Ort verdrücken. Insgesamt vertrage ich die Spende gut, trotz der fast 30 Grad, die draußen herrschen.
Insgesamt hat meine Blutspende etwa 40 Minuten gedauert. Geld habe ich dafür nicht erhalten – das ist beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) so üblich, bei manchen anderen Blutspendediensten gibt es Aufwandsentschädigungen in Höhe von
Erkenntnis 4: Mein Blut hat noch einen langen Weg vor sich
Während ich am Abend nach meiner Blutspende schon wieder gemütlich auf der Couch sitze, geht die Reise für mein Blut erst los. Noch am selben Tag wird meine Blutkonserve nach Hagen ins südliche Ruhrgebiet gebracht – von hier werden Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland mit verschiedenen Blutpräparaten beliefert: Bis zu 4.000 Blutkonserven pro Tag können hier verarbeitet werden.
Meine gespendeten 500 Milliliter Blut werden nämlich nicht eins zu eins so weitergegeben, wie sie sind, sondern in ihre einzelnen Bestandeile zerlegt, die jeweils für verschiedene Dinge eingesetzt werden:
- Blutplasma: Es macht den größten Anteil an unserem Blut aus und besteht zu etwa 90% aus Wasser. Die restlichen 10% sind Nährstoffe, Hormone, Mineralien und mehr als
- Rote Blutkörperchen (Erythrozyten): Sie bestehen zu 90% aus Hämoglobin, das dem Blut die rote Farbe verleiht. Hämoglobin transportiert im Körper Sauerstoff von der Lunge zu den verschiedenen Organen. Bei Blutverlust wird Erythrozytenkonzentrat per
- Blutplättchen (Thrombozyten): Sie enthalten Enzyme, die bei der Blutgerinnung eine wichtige Rolle spielen. Ohne sie würden Blutungen nicht zum Stillstand kommen und Wunden nicht heilen. Sie werden ebenfalls eingesetzt, wenn der Körper sie nicht mehr selbst bilden kann. Außerdem werden sie nach Lebertransplantationen oder starken Blutungen eingesetzt.
- Weiße Blutkörperchen (Leukozyten): Sie sind nicht nur im Blut vorhanden, sondern auch im Gewebe: Sie können Bakterien, Viren, andere Krankheitserreger und alles, was eigentlich nicht in den Körper gehört, erkennen und abwehren. Sie werden vom restlichen Blut getrennt und
Während meine 500 Milliliter Blut in ihre Bestandteile aufgetrennt werden, wird eine kleine Blutprobe, die mir zusätzlich abgenommen wurde, auf verschiedene
Auf Coronaviren wird das Blut nicht geprüft, da es bisher keine Hinweise darauf gibt, dass sich das Virus auch über Bluttransfusionen übertragen könnte – wer krank ist oder Kontakt zu Kranken hatte,
Erkenntnis 5: Mein Blut hilft wahrscheinlich eher einem Menschen mit Krebs als jemandem, der einen Unfall hatte
Spätestens nach 24 Stunden ist mein Blut aufgearbeitet. Dann geht es für die verschiedenen Blutpräparate weiter. Zunächst werden sie an Krankenhäuser verteilt. Ein Vorrat lagert auch beim Roten Kreuz. Gibt es einen Notfall, beispielsweise einen schweren Unfall, muss hier immer eine Blutreserve vorhanden sein. Die meisten Blutspenden kommen allerdings nicht bei Unfällen zum Einsatz, sondern in der Behandlung
Die Hauptaufgabe der Blutspendedienste ist es, die Krankenhäuser mit Blut zu versorgen. Allerdings brauchen die vor allem die roten Blutkörperchen: das sogenannte Erythrozytenkonzentrat (EK). Bleiben andere Bestandteile wie Plasma übrig, verkaufen die Blutspendedienste des DRK es auch an die Pharmaindustrie weiter, die verschiedene Medikamente daraus herstellt (die wiederum Menschen das Leben retten können).
Das ist etwas, was manche Menschen stocken lässt: Wird hier mit meinem Blut ein gewinnbringendes Geschäft gemacht? So viel vorweg: Die Antwort auf diese Frage ist nicht so einfach.
Erkenntnis 6: Blut in Deutschland ist günstig, weil das Rote Kreuz die Preise bestimmt
Ich spreche mit Stephan David Küpper, der den
Von den Einnahmen durch die Blutspenden wird alles bezahlt, was mit der Spende zusammenhängt: das Personal, die Aufrufe zum Blutspenden, die Ausstattung, die Laboruntersuchungen und die Logistik. Auch Anschaffungen wie neue Blutspendemobile werden davon finanziert. Zuschüsse vom Staat erhalten die Spendedienste dafür nicht.
Etwa 75% der Blutspenden sammeln dabei die Blutspendedienste des DRK. Wären sie nur auf Gewinn aus, könnten sie den Preis für Blut deutlich anheben, denn es wird dringend gebraucht. Das tun sie jedoch nach eigener Aussage nicht.
Wer letztendlich nun wie viel mit welchen Bestandteilen des Blutes verdient, lässt sich im Detail kaum nachverfolgen – für manche Menschen ist das sicher ein Grund, skeptisch gegenüber der Spende zu sein. Sicher ist jedoch: Blutspenden retten Leben. Sowohl als direkte Transfusion als auch als Grundlage für Medikamente.
Jeden Tag werden in Deutschland knapp 10.000 Blutspenden gebraucht
Und ohne freiwillige Spender:innen würde die Versorgung mit Blut nicht funktionieren – doch genau die bleiben im Moment aus. Schon seit einigen Wochen warnen Krankenhäuser und Blutspendedienste vor Engpässen in der Blutversorgung.
Erkenntnis 7: Die Zahlen an Blutspenden gehen zurück, aber nicht nur, weil weniger Menschen spenden
In letzter Zeit sei der Blutvorrat des DRK zeitweise fast leer, sagt Stefan David Küpper. Das ist ein Problem, bedeutet allerdings noch nicht, dass jemand am OP-Tisch leer ausgeht, obwohl er eine Bluttransfusion benötigen würde. »Im Notfall könnten wir uns immer noch an andere Blutspendedienste in Deutschland wenden – wir helfen uns gegenseitig aus«, sagt Küpper. Im Moment werde es allerdings bei allen etwas knapp.
»Wir planen sehr genau, wie viel Blut gebraucht wird, und orientieren uns dabei am Bedarf der Kliniken«, sagt Küpper. Danach werden auch die Blutspendetermine geplant. »Im Januar finden beispielsweise tendenziell mehr Operationen statt, weil über die Feiertage einiges aufgeschoben wird. Dann wird auch mehr Blut benötigt.«
Corona bereitet der Blutspende doppelt Probleme
Gerade stellt die Coronapandemie die Blutspende vor ein neues Problem: Zu Beginn der Pandemie wurden OP-Termine verschoben, um die Intensivkapazitäten für mögliche Coronapatient:innen zu reservieren. Jetzt sollen die verschobenen Operationen langsam nachgeholt werden.
Auf der anderen Seite gibt es einen gegenteiligen Trend bei den Blutspenden: Zu Anfang der Pandemie seien viele Spender:innen gekommen, um Blut abzugeben. »Das ist häufig in Krisenzeiten zu beobachten, dass Menschen helfen wollen«, sagt Küpper. Doch im Verlauf seien auch viele Blutspendetermine abgesagt worden. Und bei den Terminen, die nicht abgesagt werden, bleiben viele Spender:innen fern. Einige fürchten, sich mit dem Virus zu infizieren, manche sind unsicher, ob die Spenden überhaupt stattfinden. Die heißen Temperaturen der vergangenen Wochen schreckten vermutlich zusätzlich ab.
Bis Ende August sind bundesweit knapp 650 Termine weggefallen – das sind etwa 26.000 Blutkonserven weniger als geplant.
Aber wenn am Anfang der Pandemie viele Leute gespendet haben, obwohl nur wenig Blut gebraucht wurde – ist dann nicht genug für die blutleeren Zeiten übrig?
Hier gibt es ein weiteres Problem: Die Erythrozytenspenden, die für Operationen besonders wichtig sind, sind nur
Ein weiteres Problem, mit dem die Dienste gerade zu kämpfen haben, ist der demographische Wandel: Immer mehr Menschen fallen altersbedingt aus dem Spenderaster, und immer weniger junge Spender:innen kommen nach. Nicht weil sie insgesamt weniger spendebereit wären als
Allerdings: Ganz so dramatisch, wie ein Blick in die Statistiken zunächst vermuten lässt, ist der Rückgang dann zum Glück doch nicht. Seit 2011 ist die absolute Zahl der Spenden zwar um knapp 1,1 Millionen geschrumpft. Doch hat das nicht nur damit zu tun, dass die Zahl der Spender:innen abgenommen hat, sondern auch mit einer anderen Entwicklung.
Erkenntnis 8: Blutsparen ist genauso wichtig wie Blutspenden
Im Vergleich zu anderen EU-Ländern stand Deutschland lange an der Spitze der »Blutverbraucher«.
Der unterschiedliche Verbrauch hat mehrere Gründe – einer davon ist, dass in den Niederlanden schon seit einigen Jahren ein Konzept umgesetzt wird, das sich
Blut kann Leben retten, aber auch Nebenwirkungen haben
Denn obwohl Bluttransfusionen jedes Jahr unzählige Leben retten, können sie Nebenwirkungen haben: etwa allergische Schocks, weil das Immunsystem der Empfänger:innen anders reagiert als gedacht, und auch menschliche Fehler bei der Transfusion kommen vor. Selten
»Im Sinne der Patientensicherheit sollte nur dann transfundiert werden, wenn es sich wirklich nicht vermeiden lässt«, sagt
Dabei geht es neben der
Obwohl es noch Verbesserungspotenzial gibt, spiegeln sich erste Erfolge des Patient Blood Managements bereits in den Statistiken wider: Seit 2011 wird nicht nur deutlich weniger Blut gespendet, sondern auch weniger verbraucht. Und zwar nicht weil zu wenig Blut da gewesen wäre, sondern weil durch Blutsparmaßnahmen tatsächlich
Ich finde es beunruhigend, dass wir uns gerade wieder um genügend Spender:innen sorgen müssen, obwohl der Bedarf an Blut schon so weit zurückgegangen ist.
Laut Meybohm sei es möglich, den Blutbedarf noch weiter zu senken, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg – und selbst dann wird es noch Spender:innen brauchen.
Fazit: Es gibt noch viel zu tun – bis dahin heißt es Blut spenden
Zusammengefasst gibt es also noch das ein oder andere im Blutspende- und Transfusionswesen, was besser laufen könnte. Der Ausschluss von Spender:innen könnte beispielsweise noch genauer geprüft werden, ebenso wie der Einsatz des gespendeten Blutes.
Unabhängig davon braucht es aber vor allem eines: mehr Spender:innen. Das ist etwas, was auch Meybohm nie bestreiten würde: Blutspenden ist und bleibt wichtig. »Ich habe fast jeden Tag mit Patienten zu tun, die nur wegen einer Blutspende überlebt haben«, sagt er.
Das ist auch der Grund, der für mich entscheidend ist: Mein Blut rettet vielleicht ein Leben. Genau genommen könnten es sogar 3 sein, jedes meiner Blutpräparate kann einem anderen Menschen helfen. Und deshalb nehme ich mir vor, nicht erst in 8 Jahren wieder zur Blutspende zu gehen, sondern ab jetzt regelmäßig.
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily