Warum es in den USA keine Mehrheit braucht, um Präsident:in zu werden
Das US-amerikanische Wahlsystem ist undemokratisch. Das wollen einige Bundesstaaten ändern – und so dafür sorgen, dass nur noch jemand ins Amt kommt, den die Mehrheit will.
Der Wahlkampf in den USA läuft und damit werden auch Erinnerungen an das Trauma der Demokraten wach, das immer noch nachklingt: Als Donald Trump vor 4 Jahren zum 45. US-Präsidenten gewählt wurde, hatte er die Abstimmung nach gängigen demokratischen Maßstäben eigentlich verloren. Konkurrentin Hillary Clinton hatte damals rund 3 Millionen Stimmen mehr erhalten als der Reality-TV-Star. Trotzdem wurde nicht sie vereidigt, sondern er.
Kein Novum, denn schon 5-mal in der Geschichte der USA ist der eigentliche Sieger der Wahl
In den USA wählen die Bürger:innen ihr Oberhaupt nicht direkt. Sie machen zwar auf dem Wahlzettel oder an der Wahlmaschine ein
Der Ausgang der Abstimmung rief kurz nach der Trump-Wahl ein Team des öffentlich-rechtlichen Radiosenders »National Public Radio« auf den Plan. Die Journalist:innen wollten herausfinden, welcher Anteil an den Gesamtstimmen minimal nötig wäre, um zu gewinnen. Dafür nutzten sie die bereits bekannten Zahlen von 2012. Sie kamen auf
Warum gibt es das Electoral College?
Die Gründer der USA hatten Angst vor zu direkter Demokratie. Sie hatten Sorge, Bürger (später auch Bürgerinnen) würden möglicherweise uninformiert schlechte Entscheidungen treffen oder sich zusammenschließen, um die Eliten zu verdrängen. Deswegen zogen sie das repräsentative Element des Electoral College als
Hier liegen die Probleme
Es gibt 3 zentrale Kritikpunkte am heutigen US-Präsidentschaftswahlsystem:
- Viele gültige Stimmen fallen unter den Tisch. Die meisten Staaten (48 von 50) haben ein »Winner-take-all«-Prinzip. Das bedeutet: Der Sieger oder die Siegerin in einem Staat erhält alle Stimmen der Wahlleute, während die Unterlegenen keine erhalten, selbst wenn die Niederlage knapp war. Im schlimmsten Fall haben also 49,99% der Wähler:innen des Staates zwar gewählt, spielen aber für die Präsidentschaftswahl keine Rolle.
- Die Wahlleute verzerren das Gesamtbild. Die Anzahl der Wahlleute (Electors) wird nach Volkszählungen
Das führt dazu, dass mehr als 10 kleinere Staaten wie Wyoming, Vermont, North Dakota oder Alaska mehr als das doppelte Gewicht in der Wahlversammlung haben, als ihnen laut Bevölkerungszahl eigentlich zustünde. Während also in Kalifornien oder Texas rund 700.000 Wähler:innen auf einen Elector kommen, sind es in diesen Kleinstaaten zum Teil nicht einmal 200.000. - Bevorzugung einzelner Staaten. Der Wahlkampf konzentriert sich strategisch auf wenige Staaten. Im Jahr 2012 gab es große Wahlkampfveranstaltungen in gerade einmal 12 von 50 Staaten, 2016 konzentrierten sich 94% der Wahlkampfveranstaltungen ebenfalls auf strategisch wichtige Staaten, in denen das Rennen eng war.
Die Strategie der 2018 insolvent gegangenen Datenanalyse-Firma
Wie könnte eine Reform aussehen?
In Umfragen hat sich die Mehrheit der US-Bürger:innen wiederholt für eine Direktwahl und damit eine Abschaffung des Wahlgremiums ausgesprochen. Dafür müsste aber die Verfassung geändert werden und das geht nur mit einer 2/3-Mehrheit im Senat und dem Repräsentantenhaus. Obendrein müssten 2/3 der Bundestaaten zustimmen. Das klingt aussichtslos in einem
Politikprofessor Robert Reich, der unter Präsident Bill Clinton Arbeitsminister war, sieht die Chance woanders. Er trommelt seit der Wahl Trumps für die Variante der
Die »Winner-take-all«-Praxis ist nämlich nicht in der Verfassung festgeschrieben, sondern jeweils in den Staaten geregelt. Das bedeutet, dass Staaten sie selbstständig ändern könnten, zum Beispiel indem sie festlegen, dass ihre Wahlleute auf jeden Fall der US-weiten »Popular Vote« folgen, also
16 Bundesstaaten haben das sogenannte »National Popular Vote«-Abkommen bisher verabschiedet. Diese Staaten stehen für 196 Wahlleute. In weiteren 9 Staaten wurden entsprechende Entwürfe in die Parlamente
Titelbild: Morning Brew - CC0 1.0