So kommt ihr heil durch den Heiligen Abend
10 Gebote, um den Überlebkuchenskampf zu bewältigen.
Es ist für uns eine Zeit angekommen, da der Ihr-Kinderlein-Komet wieder hell über den Krippen steht und mit seinem Licht den Rosinen den Weg in den Stollen weist. Nur der Puderzucker fällt mal wieder aus, scheiß Klimawandel! Derweil ist die Werbung schon seit Ende der Sommerferien voller Menschen, die das Fest der Liebe kaum erwarten können. In der Realität steht uns jedoch ein beispielloser Kalorien- und Konsum-Marathon bevor, dessen Laufstrecke gesäumt wird von der versammelten Verwandtschaft, die uns gern auch schon das Jahr über ziemlich auf die Pfeffernüsse gegangen ist.
Da helfen Nerven, die nicht aus Lametta sind. Los geht’s!
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Stelle dir Weihnachten als Mensch vor. Wie sieht er aus?
Das war ja eindeutig. Mister Weihnachten
Seitdem ist der rot-weiß gekleidete Santa Claus das personifizierte Weihnachten, aber auch der personifizierte Kommerz. Er steht nicht nur millionenfach in Schokolade gegossen in den Supermärkten, sondern unterhält auch Postämter rund um den Polarkreis und fliegt mit einem Schlitten voller Geschenke in der Weihnachtsnacht durch die Welt, um sich mit Sack und Pack durch den Kamin zu zwängen.
So machen’s die Profis: Sich stattdessen vom Christkind beschenken lassen. Das gibt’s nur einmal, und es hat sowieso mehr mit dem Ursprung von Weihnachten zu tun.
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.
Stille Nacht in einer vollen Kirche? Wunderschön. Jingle Bells, 4-stimmig gespielt auf 3 Blockflöten? Mittelschön, aber süß. Last Christmas im Radio? FURCHTBAR! Wie konnte George Michael den Namen des Fests nur so in den Dreck ziehen? Auch sonst ist die Weihnachtszeit, musikalisch betrachtet, eine ambivalente Sache – bei dieser Kritik müssen sich auch Florian Silbereisen und die anderen Heinzelmännchen des Winterfests der Volksmusik an die eigene Nase fassen.
Für erfolgreiche (Pop-)Musiker gehört es fast zum guten Ton, irgendwann auch ein Weihnachtsalbum oder zumindest eine Single zu veröffentlichen – alles im Sinne des Markenaufbaus, versteht sich. Ein Hit wird es, auch in puncto Verkaufszahlen, wenn das Musiklabel zumindest einen Teil der Erlöse für einen guten Zweck weitergibt und der
Weihnachtsalben, Charity-Singles … »Ka-Tsching!-Glöckchen, Klingelingeling«, denken in dieser Zeit vor allem die Labels und weniger die hilfsbedürftigen Menschen, die als Verkaufsargument herhalten müssen.
So machen’s die Profis: Tuba spielen lernen und mit
Du sollst den Feiertag heiligen.
Amerikanische Forscher haben herausgefunden: Die Weisen aus dem Morgenland kommen nur deshalb viel zu spät zum Weihnachtsfest, weil jeder von ihnen auf dem Weg gefühlt 23 Verwandtschafts-Besuche antreten musste. Der Erste ist in so viele Bescherungen geplatzt, dass er die vielen Gaben kaum tragen kann. Der Zweite musste 7 komplette Weihnachtsmenüs mitessen. Bei einem landesweit einheitlichen Plan (18 Uhr Abendessen, 20 Uhr Bescherung, optional: 22 Uhr Christmette oder Spaziergang, 1. Weihnachtstag bei den Großeltern, 2. Weihnachtstag bei den anderen Verwandten) wäre das nicht passiert.
Wie der optimal organisierte Heiligabend aussieht, ist
So machen’s die Profis: Den Ablauf über Jahre beibehalten, zu stimmungsvollen Ritualen ausformen. Außerdem wichtig: Erst essen, dann bescheren!
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
Werte hin oder her, eins steht fest: Ab dem Mittag des 24. Dezember dreht sich für ca. 50 Stunden (fast) alles um die Familie. Vater, Mutter, Kind? In Zeiten von Patchwork-Familie und Homo-Ehe gar nicht so einfach. Da sitzt dann der schwule Onkel mit seinem Lebenspartner mit der vermeintlich konservativen Oma am Tisch, die sich wundert, warum denn jetzt auch Freunde in der trauten Familien-Idylle zugelassen sind. (Vielleicht sitzt aber auch die Oma mit ihrer Freundin am Tisch und die anderen haben die Dinge viel weniger verstanden, als sie denken!) Daneben hat der Hund mit Halstuch und Lätzchen Platz genommen und wird mit den Tischsitten vertraut gemacht.
Spätestens bei 4 Generationen oder nach 2 Scheidungen am selben Tisch lohnt sich für Familien-Que(e)reinsteiger außerdem ein Diagramm, das mit Pfeilen, Herzchen und Warndreiecken die Beziehung aller Beteiligten darstellt.
So machen’s die Profis: Einfach alle zu sich nach Hause einladen –
Du sollst nicht töten.
Und wo kommt die Schoki beim Fest der Liebe her? Zum Beispiel im Gratis-Adventskalender, den die fleißigen Helferlein der Deutschen Bahn alle Jahre wieder jedem Bahnfahrer in die Hand drücken? Direkt aus Kinderhand. Wie süß!
Währenddessen stimmt der weltweit größte Kakao-Verarbeiter Barry Callebaut ein und verspricht bis 2025 zu 100% auf Kinderarbeit zu verzichten und
Nicht nur beim Schokohas… äh, Weihnachtsmann lohnt es sich, nach der Herkunft zu fragen. Gleiches gilt für Ente, Pute, die Fleischbeilage zum Kartoffelsalat oder den geräucherten Lachs. Ganz waghalsige Weihnachts-Feinschmecker versuchen sich derweil an Seitanbraten, Tofu-Gemüse und vegetarischem Sushi als Festmahl. Eben, weil Weihnachten
So machen’s die Profis: Nicht nur die Nächsten lieben, sondern auch die Übernächsten: Weihnachtsbäckerei nach Hause verlegen und bei der Herkunft der Zutaten nicht auf leere Versprechen reinfallen.
Du sollst nicht ehebrechen.
Wäre da bloß nicht der
Spätestens wenn im vom Kerzenschein schwach erleuchteten Saal die Schunkelmusik erklingt, droht die nächste Gefahr: Körperkontakt beim Schmusesong. Jetzt heißt es: Bloß keinen Seitensprung auf der 4. Weihnachtsfeier einfangen, sonst wird es noch schwieriger, über die Feiertage alle untern einen Hut zu bringen!
So machen’s die Profis: Die richtigen Weihnachtsfeiern auswählen und im passenden Moment unterm Mistelzweig stehen – oder eben nicht.
Du sollst nicht stehlen.
Geben ist seliger denn nehmen – soweit die edle Theorie, die in den Wochen und Tagen vor Weihnachten einigen Stress und plattgetretene Füße beschert. Aus der nett gemeinten Idee der Weisen aus dem Morgenland, einem Neugeborenen total unpraktische Kostbarkeiten mitzubringen (welches Baby braucht schon Weihrauch? Oder Myrrhe? Nun gut, über Gold lässt sich reden …), hat sich das
Schon Jahre bevor sie überhaupt schreiben können, fertigen Kleinkinder aufwendige Wunschzettel an, die vor allem die Spielwarenindustrie glücklich machen. (Eigentlich alle Industriezweige, außer die Myrrhe-Industrie.) Einmal überreicht, werden zig Millionen Artikel gekauft, verpackt, verstaut, verschenkt und umgetauscht.
So machen’s die Profis:
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
»Original aus dem Erzgebirge«, »besinnliche Atmosphäre«, »Nein, Schatz, ich hatte höchstens 2 Glühwein« – neben der Musik-AG der Klasse 4a geht auf dem Weihnachtsmarkt häufig vor allem die Wahrheit flöten. Zum Beispiel, wenn das Räuchermännchen aus Taiwan kommt oder statt »White Christmas« vor allem Après Ski-Mucke läuft. Und, wie gesagt, natürlich ab dem 3. Glühwein auch in vielen Gesprächen.
Aber: Sobald ein Weihnachtsmarkt wie die Kirmes anmutet, wird er zum deutschen Exportschlager. Im Londoner Hyde Park zum Beispiel dröhnt gerade der Anton aus Tirol übers Bavarian Village, wo man sich vor lauter Hüttenzauber gar nicht zwischen Mulled Wine und Jägermeister entscheiden kann – oder soll’s doch in die Achterbahn gehen? Egal, man kommt eh nicht durch zwischen den schwankenden Blink-Nikolausmützen-Trägern. Und an den wenigen Stellen, wo man nicht zwischen Glühwein verschüttenden Kegelclubs eingequetscht wird, kann man leicht in halb verdauten Crêpe an Glühweinsauce treten.
Wenn man sich also nicht gut überlegt, welchen Weihnachtsmarkt man besucht, kann man recht leicht zum Grinch mutieren.
So machen’s die Profis: Den
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
Der erste Advent ist auch der Startschuss zum Deko-Aufrüsten. In Kindheitserinnerungen – zumindest denen der ehemaligen Dorfbevölkerung – gibt es häufig das eine Weihnachtshaus, das sich nach dem Startschuss in eine leuchtende und blinkende Weihnachtslandschaft verwandelte und regelmäßig für lokale Stauwarnungen sorgte. Irgendwann ist das mit der Deko alles aus dem Ruder gelaufen. Da würde aus Pappkarton und Laubsäge-Arbeiten der bizarre Wettkampf, das Dekoteile-pro-Quadratmeter-Verhältnis zu maximieren.
Und während die kindliche Begeisterung für den lebensgroßen Rentier-Schlitten verflogen ist, ist sich das erwachsene Gehirn der planetaren Grenzen bewusstgeworden und fragt sich: Wie sah wohl die Stromrechnung vom Weihnachtshaus aus? Mit eigener Windturbine oder Solarzellen auf dem Rücken der Rudolphs vor dem Schlitten hätte es ein Leuchtturm-Projekt werden können.
Interessant ist mal wieder ein Blick über die Grenze der sonst so sicherheitsliebenden Deutschen: Während es hierzulande zum guten Ton gehört, die echten Kerzen am Baume anzustecken, wirkt das auf die sonst eher freizügigen Niederländer so waghalsig, als würde man gleich beide Hände freiwillig ins Piranha-Becken halten.
So machen’s die Profis: Lieber eine gut überwachte Kerze anstecken als die 3.000-Watt-Lichterkette.
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.
Das ultimative Vergleichsobjekt beim Wettrüsten ist der Weihnachtsbaum. Neben der Frage, wer den größten und schönsten hat, spielt auch der Behang eine nicht zu unterschätzende Rolle. Selbst gebastelte Strohsterne, rote Weihnachtskugeln oder Lametta, dessen Fäden nicht nur für den krabbelnden Besuch zum Verhängnis werden können. Am liebsten natürlich Zuckerstangen und andere Leckereien, die geplündert werden wollen. Mit Verweis auf Gebot Nummer 5, damit der Zucker auch süß und nicht blutig schmeckt.
Wenn dann je nach zeitlichem Ablauf zu später Stunde das schiefe, aber gemeinschaftliche »Oh Tannenbaum« aus allen Gassen erklingt, beginnen die ersten Nadeln, traurig ihren Blick zu senken. Die Saison ist kurz. Und damit auch das Leben unserer im Turbogang gezüchteten grünen Wegbegleiter. Da bleibt rund herum meist nur totes »Unkraut« zurück.
So machen’s die Profis:
Ein letzter Satz fällt uns schwer. Zu viel wurde gefühlt schon über Weihnachten gesagt und geschrieben, zu oft die fast warnenden Worte: Genießt die Zeit mit Freunden und Familie. Und jetzt haben wir es wahrscheinlich schon versaut …
Macht das Beste draus! Süßer klingen die Glocken nämlich nie.
Mit Illustrationen von Fabian Ludwig für Perspective Daily
Titelbild: Fabian Ludwig für Perspective Daily - copyright