Warum Perspective Daily leer ausgeht, wenn die Regierung Journalismus fördern will
Großverlage haben die Digitalisierung verschlafen, dafür bekommen sie vom Staat jetzt 1/4 Milliarde Euro. Warum das nicht nur unfair, sondern auch eine Gefahr für den Journalismus ist – und was wir uns stattdessen wünschen.
Eigentlich ist es ja eine begrüßenswerte Nachricht. Die Bundesregierung hat erkannt, dass Journalismus ihr etwas wert ist. Genauer gesagt: 220 Millionen, fast 1/4 Milliarde Euro. So viel
Leider nein. Medien wie Perspective Daily, Krautreporter, Edition F, Übermedien und viele andere gehen leer aus. All jene, deren Geschäftsmodell schon immer digital war. Denn die 220 Millionen Euro sollen – 30 Jahre nach der Erfindung des World Wide Web – die »digitale Transformation« der Printbranche unterstützen.
Was genau heißt das?
Zeitungen, Zeitschriften und Anzeigenblätter sollen die Subventionen unter anderem in »Online-Shops, Rubrikenportale und Apps sowie den Aufbau eigener oder verlagsübergreifender Plattformen zum Vertrieb der Inhalte« investieren,
Das wirft einige Fragen auf: Muss wirklich jeder Verlag eigene technische Lösungen für Abomodelle und Bezahlschranken entwickeln, obwohl es schon so vieles gibt, was funktioniert? Braucht es noch mehr Analysen, die vorhersehen, wo sich welche Werbeanzeige am besten platzieren lässt? Und was haben Online-Shops und Rubrikenportale eigentlich überhaupt mit Journalismus zu tun?
»Eine unabhängige und vielfältige journalistische Berichterstattung ist essenziell für den demokratischen Willensbildungsprozess«
Die Coronapandemie hat gerade erst wieder gezeigt, wie prekär das Geschäftsmodell werbefinanzierter Journalismus ist. So kam es zu der absurden Situation, dass die Süddeutsche Zeitung im September verkündete, bis zu 55 Vollzeitstellen zu streichen,
Insgesamt werden Spannungen zwischen Marktmechanismen und einer vitalen Presselandschaft immer sichtbarer. Warum sollten Verlage künstlich am Leben erhalten werden, die ihr Printprodukt nicht mehr verkaufen können und den digitalen Wandel verschlafen haben? Diese Frage kann man stellen.
Aber es ist klar, dass diese Frage missachtet, welche bedeutende Rolle Journalismus in einer demokratischen Gesellschaft spielt. In einer Anfrage an die Bundesregierung zur Förderung der Presseverlage zitieren Bundestagsabgeordnete der Linke aus Studien, die zeigen, dass ohne lokale Medien und Pressevielfalt die Wahlbeteiligung sinkt, zivilgesellschaftliches Engagement zurückgeht,
Wie geht es weiter mit dem Journalismus?
Die Forderung aus der Branche an die Politik war ursprünglich übrigens eine andere: Anstatt für die Entwicklung neuer Apps und Abomodelle sollte das Geld in die Zustellung von Printprodukten fließen, die in Zeiten sinkender Abozahlen und steigender Mindestlöhne immer unwirtschaftlicher wird.
Ob das der richtige Weg in die Zukunft ist, ist also fraglich. Im Moment gibt es noch viele Menschen, gerade aus der älteren Generation, für die eine Zeitung auf dem Frühstückstisch dazugehört. Kurzfristig wird Print nicht aussterben. Langfristig wohl schon. Wie geht es also weiter mit dem Journalismus?
Perspective Daily ist ein Medium, das die Zukunft in seiner DNA trägt. Statt mit Werbeanzeigen wollten wir unseren Journalismus von Anfang an mithilfe unserer Mitglieder finanzieren,
Sich als kleines Medienunternehmen gegen große, alteingesessene Verlage durchzusetzen, ist nicht leicht. Denn wir stehen natürlich in Konkurrenz mit den Verlagen, die von der Bundesregierung nun eine Finanzspritze dafür bekommen, dass sie den Wandel lange verschlafen haben.
Was wir uns wünschen? Echte Journalismusförderung
Wer die größte Auflage hat, bekommt das meiste Geld, so wird es nach derzeitigem Stand wohl laufen. Wer hat, dem wird gegeben, obwohl das Bundeswirtschaftsministerium in seinem Konzept selbst formuliert, dass eine Privilegierung einzelner Verlage verhindert werden müsse. Dabei kosten digitale Innovationen einen großen Verlag nicht mehr, als sie uns kosten. Was große Verlage Geld kostet, sind veraltete Strukturen, in denen der Großteil des Geldes versickert. Bei uns fließt das meiste Geld in die Inhalte.
Wir haben so gut wie kein Budget für Marketing und wir haben als unabhängiges, digitales Medienunternehmen auch keine Lobby. Daran sind wir in gewisser Weise auch selbst schuld, wir haben ja nicht einmal einen Verband. Zumindest daran können und wollen wir etwas ändern. Wenn es uns gelingt, uns zu organisieren, haben wir künftig vielleicht wenigstens eine Stimme, wenn die Bundesregierung darüber nachdenkt, unserer Branche zu helfen, die, um es noch mal zu betonen, für unsere Demokratie überlebenswichtig ist. Was wir uns wünschen würden? Eine Idee wäre: Förderung von Journalismus statt Förderung besserer Anzeigenvermarktung. Und, bis es so weit ist, zumindest einen fairen Wettbewerb.
Die 220 Millionen sollen in den kommenden 2 Haushaltsjahren fließen. Noch besteht die Chance, dass die Bundesregierung
Bis dahin hängt es an euch, liebe Leser:innen.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily