Wie ich die Stille wiederentdeckt habe
2020 ist die Welt spürbar ruhiger geworden – ein Gewinn für Mensch und Tier. Warum wir uns das für die Zukunft bewahren sollten, und wie jede:r einen persönlichen Ort der Stille findet.
Viele Stunden habe ich dieses Jahr damit verbracht, ziellos durch den Wald zu laufen. Manchmal mit Freundinnen und Freunden, mit denen ich über diese seltsame Zeit sprach, in die wir geworfen waren. Mal mit meinen Kindern, die noch zu klein sind, um das alles zu verstehen. Meistens aber war ich allein unterwegs, so wie an einem Morgen im April, an dem ich eine ungewöhnliche Erfahrung gemacht habe.
Ich kam an einer Wiese vorbei und wollte mich eigentlich nur ein wenig ausruhen. Ich suchte mir einen Platz in der Nähe einer großen Buche, warf meine Jacke ins Gras, legte mich darauf und schaute nach oben. Da erst bemerkte ich, wie blau der Himmel war. Einzelne Wolken zogen vorüber. Hier unten hörte ich das leise Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume. Oben bewegten sich die Wolken still und langsam weiter. Sie hatten ihre ganz eigene Geschwindigkeit, als könne ihnen nichts etwas anhaben.
Still auf einer Wiese liegen – wann hatte ich das das letzte Mal gemacht?
Still auf einer Wiese liegen und in den Himmel schauen. Wann hatte ich das zuletzt gemacht? Es war lange her. Obwohl die Wolken so langsam waren, stellte ich fest, wie schnell sie sich veränderten. Wie natürlich sie in einen anderen Zustand wechselten. Wie sich Teile von ihnen auflösten und neu fanden.
Wie ein Kind fing ich an, Formen darin zu sehen. War das ein Vogel? Oder doch ein Seepferdchen? Und was war das da hinten für ein merkwürdiges fliegendes Objekt? Je länger ich hinschaute, desto offensichtlicher wurden die Szenarien am Himmel, die mir sonst verborgen blieben, weil ich den Blick nicht nach oben richtete.
Titelbild: Tyler Larkin - copyright