Milliardenhilfen für Steuertrickser: Ist bald Schluss mit dem Versteckspiel?
Wegen Corona stützt der Staat Großunternehmen mit Milliarden. Dass genau diese Konzerne gleichzeitig Gewinne in Steueroasen verschieben, scheint die Bundesregierung nicht zu stören – aber die EU.
Fast ein Jahr ist es her, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Coronapandemie als
Damals war Covid-19 noch »neuartig«, es war nicht absehbar, wie hart es unsere Wirtschaft treffen würde. Dass die Bundesregierung ihre Bürger in einer solchen Situation entschlossen und mit allen Mitteln schützen wollte, war gut und richtig.
Das ist ein Jahr her. Seitdem haben wir gelernt, mit Corona zu leben – und wissen auch besser, wo wirtschaftliche Hilfe in welchem Ausmaß nötig ist. Und gerade das wirft große Zweifel an der Hilfspolitik der Bundesregierung auf.
Es ist nicht nur fragwürdig, warum die Hilfen auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie
Ein weiterer Punkt, der die großzügigen Hilfen für die Großen zweifelhaft erscheinen lässt: Die meisten dieser Konzerne verschieben womöglich große Teile ihrer Gewinne in Steuersümpfe und drücken sich so davor, ihren Anteil am Steueraufkommen zu zahlen. Die Steuern, die sie dann zurückfordern.
Schon nach dem ersten Coronaschock im Mai 2020 habe ich über eine Initiative der
- keine Hilfen an Unternehmen auszuzahlen, die ihre Gewinne in Schattenfinanzzentren auslagern,
- keine Hilfen an Unternehmen auszuzahlen, die Boni und Dividenden an Vorstände und Aktionär:innen auszahlen,
- nur Hilfen an Unternehmen auszuzahlen, die einen verbindlichen Klimaschutzplan vorlegen, der ihr Wirtschaften in Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klima-Abkommens bringt.
Schon damals, im Mai 2020, war die Bilanz ernüchternd: Vergabekriterien? Intransparent. Gleiche Spielregeln für Großkonzerne und kleine sowie mittlere Unternehmen? Fehlanzeige. Klimaschutz? Ach, vergessen wir es.
Es stimmt, die damalige Situation war eine ungekannte Notlage, die schnelles Handeln erforderte, und vielleicht noch über solche Fragen hinwegsehen ließ. Doch wie sieht es im Jahr 2021 aus?
Stillstand auf ganzer Linie
»Der Mangel an Transparenz und Vorgaben ist noch immer eklatant«, sagt Konrad Duffy von der Bürgerbewegung Finanzwende. »Im vergangenen Jahr hätte man noch denken können, dass es sich bei den fehlenden Bedingungen für die Hilfen um Kinderkrankheiten handelt, weil es schnell gehen musste. Seither wurde jedoch seitens der Politik kein bisschen nachgebessert.« Einzig die Zahl der Unternehmen, die Hilfen erhalten, sei gewachsen. Bei strikteren Auflagen hingegen: weiterhin Fehlanzeige.
Um etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, hat die Bürgerbewegung Finanzwende inzwischen zusammen mit der Initiative FragDenStaat den sogenannten Coronahilfen-Tracker erstellt, worin Informationen aus öffentlichen Quellen zusammengetragen werden. Eine transparente Übersicht über die Steuergelder vonseiten der Bundesregierung gibt es nicht.
Wer sich die Liste genau ansieht, bekommt vielleicht auch eine Idee davon, warum: Die 10 größten Nehmer unterhalten allesamt Verbindungen zu Steuersümpfen wie Zypern, Irland, den Kaimaninseln oder den Niederlanden.
Die Top 10 der Coronahilfen-Empfänger: (alle Angaben in
- Lufthansa. Gewinn 2019 vor Steuern: 2 Milliarden. Staatshilfen: 8 Milliarden.
- Deutsche Bahn. Gewinn 2019 vor Steuern: 1,4 Milliarden. Staatshilfen: 7,5 Milliarden.
- Tui. Gewinn 2019 vor Steuern: 691 Millionen. Staatshilfen: 4,3 Milliarden.
- Adidas. Gewinn 2019 vor Steuern: 2,7 Milliarden. Staatshilfen: 2,4 Milliarden.
- Ceconomy (unter anderem Media Markt/Saturn). Gewinn 2019 vor Steuern: 224 Millionen. Staatshilfen: 1,7 Milliarden.
- Sixt. Gewinn 2019 vor Steuern: 3,3 Milliarden. Staatshilfen: 1 Milliarde.
- ThyssenKrupp. Gewinn 2019 vor Steuern: 272 Millionen. Staatshilfen: 1 Milliarde.
- Kion (Gabelstaplerhersteller). Gewinn 2019 vor Steuern: 716 Millionen. Staatshilfen: 1 Milliarde.
- Puma. Gewinn 2019 vor Steuern: 440 Millionen. Staatshilfen: 625 Millionen.
- Condor. Gewinn 2019 vor Steuern: 57 Millionen. Staatshilfen: 550 Millionen.
Wie die Verbindungen der Unternehmen in die Steuersümpfe in der Praxis aussehen können, zeigt das Beispiel der Lufthansa. Diese unterhält 92 Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländern, eine davon auf Malta.
Transparenz über Finanzströme als Mindestvoraussetzung für Staatshilfen sind also auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie noch immer kein Thema für die Bundesregierung.
Für die Politiker:innen in Brüssel jedoch schon.
Die EU möchte mehr Transparenz – ob Deutschland will oder nicht
Ob es seit unserem ersten Gespräch denn gar keine positiven Dinge im Bereich Steuertransparenz zu vermelden gebe, will ich von Konrad Duffy von Finanzwende wissen. »Doch, eine gute Entwicklung gibt es in diesem Bereich, auch wenn wir in Deutschland daran nicht so viel Anteil hatten. Wir von ›Finanzwende‹ fordern als das Mindeste, dass Unternehmen, die jetzt Hilfen erhalten, ein öffentliches Country-by-Country-Reporting veröffentlichen müssen – und da kommt auf EU-Ebene, unabhängig von staatlichen Hilfen, nun endlich Bewegung rein.«
Country-by-Country-Reporting (CbCR) bedeutet, dass multinationale Konzerne dazu verpflichtet werden, offenzulegen, wie hoch ihre Gewinne und Verluste in den jeweiligen Ländern sind, in denen sie aktiv sind, und vor allem, wie viele Steuern sie wo zahlen. Das wäre ein Meilenstein in der Bekämpfung von Steuerflucht und für mehr Transparenz, da die Öffentlichkeit dann nicht mehr nur auf Enthüllungen von Investigativjournalist:innen oder Whistleblower:innen angewiesen wäre.
Eigentlich hätte das CbCR längst auf EU-Ebene verhandelt werden sollen, die Mehrheitsverhältnisse für die Einführung stehen gut. Doch unter der Ratspräsidentschaft Deutschlands wurde der Punkt schlicht nicht auf die Tagesordnung gesetzt – obwohl sich die SPD-geführten Ministerien für Finanzen und Justiz dafür ausgesprochen hatten. Das von Peter Altmaier (CDU) geführte Wirtschaftsministerium stellte sich quer und
Seit Anfang des Jahres hat nun Portugal die Präsidentschaft inne und das CbCR prompt für den 25. Februar auf die Tagesordnung gesetzt.
Hier erfährst du alles über die Steuertricks der großen Konzerne und das geforderte Country-by-Country-Reporting:
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily