Das Rekordwetter verständlich erklärt: Ist das der Klimawandel?
Erst Schnee, nur eine Woche später frühlingshaftes Wetter. Was Klimaforscher:innen über die Ursache des Chaoswetters wissen.
Erst ein extremer Kälteeinbruch in einigen Teilen Deutschlands, dann unwinterlich warme
Auch in anderen Teilen der Erde war in den letzten Tagen extremes Wetter zu beobachten: Im US-Bundesstaat Texas führte ein plötzlicher, extremer Kälteeinbruch unter anderem zu Stromausfällen und Problemen bei der Trinkwasserversorgung.
Weil das Wetter eines der liebsten Smalltalk-Themen der Deutschen ist, wird dieser Tage natürlich viel spekuliert. Typische Erklärungsansätze erstrecken sich im Spektrum von »So was hat es früher auch schon gegeben!« über »Von wegen Klimawandel, dann wäre es doch nicht so kalt gewesen?!« bis hin zu »Solche Wetterumschwünge können nur eine Folge des Klimawandels sein!«. Doch wer hat in diesem Fall recht?
Wolkig mit Aussicht auf Polarluft
Abgesehen davon, dass Aussage Nummer 2 falsch liegt, ist die Antwort – wie immer – nicht so einfach. Kurz gesagt, lässt es sich noch nicht eindeutig sagen, ob die extremen Wetterereignisse nun mit dem Klimawandel zusammenhängen oder nicht. Allerdings gibt es eine Hypothese, die erklären könnte, was der Kälteeinbruch mit der Erwärmung der Erde zu tun hat.
Der plötzliche Wintereinbruch in einigen Teilen Deutschlands war die Folge einer Polarluftfront, die sich hierher verirrt hatte. Normalerweise wird die Polarluft an der Arktis von 2 Luftströmen, den sogenannten Polarwirbeln, umschlossen. Die Wirbel umkreisen die kalte Luft in verschiedenen Etagen der Atmosphäre und wirken wie ein Zaun, der die eisigen Temperaturen an Ort und Stelle hält.
Doch in den letzten Jahren scheint der Wirbel schwächer zu werden, erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in einer Einschätzung zur
Was es mit dem Jetstream auf sich hat
Um zu verstehen, warum der Wirbel schwächer wird, müssen wir nun noch einmal einen Schritt zurück machen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die sogenannten Jetstreams. Diese Starkwindströme verteilen Luftmassen und kondensiertes Wasser über die ganze Welt – also das, was wir als Wetter bezeichnen. Der Jetstream, der sich auf das Wetter in Deutschland und auf der restlichen Nordhalbkugel am meisten auswirkt, ist der Polarfront-Jetstream, der auch ein Bestandteil des Polarwirbels ist.
Florian Imbery, beim Deutschen Wetterdienst (DWD) für die Klimaanalyse verantwortlich, erklärt mir, wie die Erwärmung der Erde den Jetstream beeinflussen könnte – und wie das letztendlich dafür sorgen kann, dass sich kalte Luft von den Polen her ausbreitet.
In etwa 8–12 Kilometern Höhe erreicht der Luftstrom Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Stunde. Flugzeuge nutzen diesen Luftstrom auf dem Weg von Nordamerika nach Europa – durch die Winde sparen sie auf dem Weg eine Stunde Flugzeit.
So könnte der Klimawandel dafür sorgen, dass es kälter wird
In den letzten Jahrzehnten werden die Temperaturunterschiede zwischen den Polen und dem Äquator allerdings immer kleiner. Je geringer die Differenz ist, desto geringer ist auch die Kraft des Luftstroms. Je mehr sich also die Temperaturen an Äquator und Polen annähern, desto langsamer wird der Jetstream. Ist der Luftstrom schwächer, schwächt das auch den Polarwirbel ab und kalte Luft driftet weiter nach außen ab. In der Folge kann es zu Kälteeinbrüchen auf benachbarten Kontinenten kommen – genauso wie in den letzten Wochen.
»Instabile Polarwirbel gibt es immer wieder mal, aber Auswertungen von Daten der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Zahl der Tage stark zugenommen hat«, sagt Stefan Rahmstorf in der Erklärung des PIK.
Der verlangsamte Jetstream führt aber nicht nur dazu, dass es zu Kälteeinbrüchen kommen kann. Er kann auch dafür sorgen, dass Wetterfronten langsamer weiterziehen. Eine Folge davon können langandauernde Hitzeperioden sein, wie sie in den letzten Jahren immer häufiger vorkamen.
Noch werden Eistage seltener – das muss aber nicht so bleiben
Klimaforscher:innen konnten auch in einem Klimamodell simulieren, wie die Erwärmung der Erde den Polarwirbel weiter destabilisieren könnte. Allerdings weisen sie darauf hin, dass sie sich bisher auf die Veränderungen in der Arktis konzentriert haben. In Zukunft müsse auch noch untersucht werden, welchen Einfluss beispielsweise Veränderungen in den
Um die These zu bestätigen, sind auch noch mehr Daten aus der Praxis nötig, die die Entwicklung belegen können. Bis diese vorliegen, wird es aber noch eine Weile dauern. »Verlässliche Daten zum Jetstream liegen uns erst seit etwa 1980 vor, deshalb können wir jetzt noch nicht mit Sicherheit sagen, ob sich der Jetstream signifikant verändert hat«, sagt Imbery. »Wenn ich über Klima spreche, muss ich immer einen ausreichend langen Zeitraum anschauen, und das können wir momentan noch nicht.«
Tatsächlich zeigen Wetteraufzeichnungen der letzten 70 Jahre nicht, dass die Zahl der
Und was ist mit dem warmen Februar?
Dass auf die extrem kalte Phase frühlingshaft warme Temperaturen folgten, ist vermutlich eher ein Zufall. Doch auch wenn der extreme Wetterumschwung vermutlich nicht direkt etwas mit dem Klimawandel zu tun hat, sind die warmen Temperaturen im Februar durchaus ein Zeichen der globalen Erwärmung. Sie sind nämlich, anders als die anderen Ereignisse, kein Einzelfall.
Auch im Jahresdurchschnitt zeichnet sich ab, dass die Erde immer wärmer wird. Zeichen dafür sind auch in Deutschland deutlich zu erkennen:
- Seit 1881 ist die Jahresmitteltemperatur in Deutschland um
- Heiße Tage (Tage, an denen eine Temperatur von mindestens 30 Grad Celsius erreicht wird)
- Dürreperioden werden in den letzten Jahren in Deutschland immer häufiger und
Diese und weitere Entwicklungen werden uns alle in den nächsten Jahren vor
Vielleicht kann der Wetterumschwung in dieser Hinsicht sogar etwas Gutes bewirken: Er kann ein Anlass sein, mal wieder darüber nachzudenken, wie sich das Wetter in den letzten Jahrzehnten geändert hat, und vielleicht sogar die eine oder den anderen dazu motivieren, sich näher mit dem Thema auseinanderzusetzen – den Klimawandel bei genauerem Hinschauen zu übersehen ist nämlich so gut wie unmöglich.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily