6 Dinge, die uns jetzt auf dem Weg aus dem Lockdown helfen
Eine Lockerung der Coronamaßnahmen ist trotz der drohenden dritten Welle wahrscheinlich – doch diesmal haben wir einige Mittel, die helfen könnten, ein Desaster zu verhindern.
Das Ende des Lockdowns war eigentlich erst ab einer Inzidenzzahl von
Und das alles, obwohl viele Wissenschaftler:innen vor schnellen Lockerungen warnen. Es ist wahrscheinlich, dass wir uns gerade auf eine dritte Welle zubewegen. Die ansteckenderen Mutationen, die sich langsam gegen die Ursprungsvariante des Virus durchsetzen,
Der Anteil der Virusvariante B.1.1.7 ist deutlich gestiegen
Allerdings gibt es noch weitere Faktoren, die den leichten Anstieg der Neuinfektionen in den letzten Tagen beeinflussen könnten. Denn trotz Lockdown halten sich weniger Menschen an die geltenden Beschränkungen.
Auch das Covid-Snapshotmonitoring (COSMO) weist darauf hin,
Seit dem letzten Lockdown gibt es jedoch einige Fortschritte, die dabei helfen können, jetzt moderat zu lockern, ohne die Infektionszahlen wieder in die Höhe schießen zu lassen. Steigen werden die Zahlen wohl unvermeidlich – doch wie extrem der Anstieg ausfällt, haben wir noch in der Hand. Wir stellen heute 6 der vielversprechendsten Mittel vor, die jetzt Hoffnung machen.

1. Schnelltests geben Sicherheit – und machen so Kontakte möglich
Schon bald sollen häufigere Schnelltests Teil der Teststrategie werden. Dabei sind zum einen kostenlose Tests vorgesehen, die etwa bei Ärzt:innen, in Apotheken oder in Teststationen durchgeführt werden. Zum anderen soll es mehr Schnelltests für zu Hause geben, die sich einfach selbst durchführen lassen – statt eines tiefen Nasenabstrichs ist teilweise nur noch Gurgeln und Spucken nötig,
Die verschiedenen Selbsttests sind zwar weniger genau als die PCR-Tests, doch als zusätzliche Maßnahme können sie Infektionen finden, die sonst unerkannt geblieben wären – und dann womöglich zu weiteren Ansteckungen geführt hätten. Der Vorteil der Tests: Sie sind deutlich schneller als die PCR-Variante.
Hier erklärt Maria Stich noch einmal ausführlicher, wie Schnelltests funktionieren – und wo der Unterschied zum PCR-Test liegt:
Schnelltests könnten Sicherheit für den Besuch älterer Menschen geben (hier werden sie aktuell schon teilweise eingesetzt) oder auch dort, wo mehrere Menschen aufeinandertreffen – etwa in Schulen, Kindergärten oder Büros. Gerade wenn ganze Gruppen getestet werden, können Tests dabei helfen, Ausbrüche aufzuspüren. Damit die Tests einen Effekt haben,
- Nur dann, wenn breitflächig getestet wird, haben die Tests einen Effekt: 2 Tests pro Woche für alle, die einen Bedarf daran haben,
- Um zu erreichen, dass sich mehr Menschen testen, muss es niedrigschwellige Angebote für alle geben – beispielsweise durch Tests auf dem Marktplatz.
- Ein positiver Test darf keine negativen Konsequenzen haben – etwa bei der Arbeit. Außerdem muss klar werden, was bei einem positiven Ergebnis passieren muss. Derzeit ist vorgesehen, dass ein positiver Schnelltest durch einen PCR-Test bestätigt werden soll.
Wichtig ist auch, dass die Schnelltests die PCR-Tests und andere Schutzmaßnahmen ergänzen sollen – und nicht ersetzen. Zudem ist ein Testergebnis nur für etwa 24 Stunden aussagekräftig und bietet keine 100%ige Sicherheit für Einzelne. Der Effekt zeigt sich vor allem durch den Einsatz in der Masse. Wer Symptome oder einen konkreten Verdacht hat, infiziert zu sein, sollte weiterhin auf den PCR-Test vertrauen.
Die gute Nachricht: Die Labore, die PCR-Tests durchführen,
Diese freien Kapazitäten könnten genutzt werden, um mehr Menschen zu testen, sagt etwa Sandra Ciesek im
2. Digitale Kontaktverfolgung: Die Lösungen sind schon fertig
Ist eine Person infiziert, begibt sie sich in häusliche Isolation. So können Ansteckungen vermieden werden. Diese altbewährte Regel der Pandemiebekämpfung gilt auch in der Coronakrise. Den Kontaktpersonen zuvor nützt dies aber nichts: Die infizierte Person war möglicherweise schon vor dem positiven Testergebnis ansteckend. Deshalb sollen die Gesundheitsämter und die
Doch die Nachverfolgung funktioniert aktuell nicht besonders gut.
»Wir haben den Feuerlöscher, wir können ihn jetzt nutzen.« – Smudo, Die Fantastischen 4
Nach den sehr durchwachsenen Erfahrungen mit der
Nur im Falle einer Infektion und bei der ausdrücklichen individuellen Zustimmung können die Daten mit dem Gesundheitsamt geteilt werden. Anders als die Corona-Warn-App erfasst Luca den genauen Standort und speichert Begegnungen bei Zusammenkünften mit vielen
Entwickelt wurde sie vom Hasso-Plattner-Institut in Zusammenarbeit mit Kulturschaffenden. Der Rapper Smudo von der Band Die Fantastischen 4 wirbt aktuell für eine zügige Anwendung: »Ich habe mein Telefon, ich gebe meine Daten ein, ich checke ein und checke aus. So entsteht mein Kontakttagebuch, das ich freigeben kann für das Gesundheitsamt«,
Das tun einzelne Städte und Landkreise bereits, zum Beispiel der Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt und Jena in Thüringen.
An technischen Innovationen sollte die digitale Kontaktnachverfolgung also nicht scheitern. Luca ist eine vielversprechende, aber nicht die einzige Kandidatin unter den Apps, die eine Nachverfolgung ermöglichen. Die vom Digitalunternehmen Rheingans entwickelte App Fast Lane zum Beispiel legt einen Schwerpunkt auf den Einzelhandel. Damit können Einkäufe vorab geplant werden, was lange Wartezeiten und große Menschenansammlungen verhindert.
Eine oder einige wenige auf breite Akzeptanz stoßende Apps, die sicher sind und auch den Gesundheitsämtern helfen, könnten ein entscheidender Schritt auf dem Weg aus dem Lockdown sein. Infektionsketten wären endlich wieder nachvollziehbar.
3. Impfen, impfen, impfen
Das aussichtsreichste Mittel gegen die Pandemie und damit auch gegen weitere Lockdowns sind Impfungen. Aktuell haben rund 4 Millionen Menschen in Deutschland mindestens eine Impfung erhalten, 2,1 Millionen davon sind bereits vollständig
Aktuell ist die Bevölkerungsgruppe der über 80-Jährigen die einzige Gruppe, in der die Infektionszahlen merklich zurückgehen. Weil hier verhältnismäßig viele Menschen bereits geimpft sind, kann das ein erster Hinweis darauf sein,
Nach und nach werden nun immer mehr Impfstoffe geliefert. Die USA hat dem in Deutschland noch nicht zugelassenen Vakzin von Johnson & Johnson vor wenigen Tagen eine Notfallzulassung erteilt. Das Mittel hat den Vorteil, dass nur eine Impfdosis nötig ist, damit es seine volle Wirkung zeigt. Wann der Impfstoff in der EU zugelassen wird, ist derzeit noch unklar. Die EU-Kommission hat aber bereits Impfdosen für 200 Millionen Menschen bestellt,
Mehr als 2 Millionen Impfdosen sind in Deutschland ungenutzt.
Allerdings gibt es bereits jetzt mehr Impfstoff, als derzeit verimpft wird – mehr als 2 Millionen Dosen sind in Deutschland gerade ungenutzt. Das hat vor allem organisatorische Gründe: Die Vergabe der Impftermine und die Koordination der Impfdosen ist eine logistische Herausforderung. Noch gibt es eine Vielzahl verschiedener Lösungen, von neu entwickelter Software über etablierte Terminvergabesysteme bis hin zur Ticketplattform Eventim. Die optimale Lösung scheint bisher noch nicht gefunden. Sie ist aber dringend nötig, damit es mit dem Impfen schneller vorangeht –
Eine weitere Herausforderung: die Impfreihenfolge. Der AstraZeneca-Impfstoff wurde beispielsweise zunächst nur für Menschen unter 65 Jahren empfohlen, weil die Ständige Impfkommission (STIKO) erst weitere Daten abwarten wollte. In der ersten Priorisierungsgruppe finden sich aber vor allem über 80-Jährige, die den Impfstoff demnach nicht erhalten dürfen. Menschen aus der zweiten Gruppe konnten aber vielerorts noch keine Impftermine buchen.
Hinzu kam,
Dass niemand den Impfstoff haben möchte, trifft aber auch nicht zu: Schnell meldeten sich beispielsweise über Twitter Menschen aus niedriger priorisierten Risikogruppen, die erklärten, den Impfstoff zu nehmen, wenn es denn möglich wäre. Etwa der Aktivist Raul Krauthausen:
Auch hier liegt das Problem also wohl eher in der Terminvergabe als darin, dass es zu wenig Impfwillige gibt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte bereits an, dass als Teil der Lösung zukünftig auch in Arztpraxen geimpft werden soll –
Bei der Impforganisation gibt es also noch viele Probleme. Zumindest eine Neuerung könnte den Prozess aber bald etwas beschleunigen: Daten aus Großbritannien zeigen mittlerweile, dass das Vakzin auch ältere Menschen zuverlässig vor schweren Verläufen schützt.
Nicht vergessen werden sollte bei der Diskussion um die Impfstoffe aber auch, dass die Pandemie erst zu Ende ist, wenn alle Menschen geimpft werden können. Was passieren muss, damit das gelingt, schreibt Chris Vielhaus hier:
4. Freiheiten für Geimpfte könnten Millionen Menschen sofort aus dem Lockdown führen – aber wie gerecht ist das?
Für die aktuell rund 2 Millionen vollständig geimpften Menschen in Deutschland ist die Pandemie zwar noch nicht vorbei. Sorgen um eine schwere Covid-19-Erkrankung müssen sie sich aber nicht mehr machen. Zwar ist noch nicht ganz sicher, ob Geimpfte das Virus weitertragen können oder nicht. Erste wissenschaftliche Erkenntnisse aber machen Hoffnung: Untersuchungen in
Nicht nur in Deutschland wird deshalb intensiv darüber diskutiert, ob die Coronabeschränkungen – zumindest teilweise – für Geimpfte aufgehoben werden sollten. Wenn diese Menschen wieder Konzerte besuchen, in Restaurants und zurück ins Büro gehen könnten, dann wäre der Lockdown für einen täglich wachsenden Teil der Bevölkerung vorbei. Das würde auch den Gastronomien, Geschäften, Kinos, Hotels und Schwimmbädern helfen. Sie könnten wieder Gäste begrüßen, ohne sich selbst einem Risiko auszusetzen. Der bereits beschlossene
Aber so einfach ist das leider nicht, selbst wenn klar sein sollte, dass Geimpfte das Virus nicht weitergeben. Denn die Immunität hält nicht ewig, die Dauer könnte sich je nach Impfstoff stark unterscheiden. Auch diesbezüglich herrscht aktuell noch Ungewissheit. Es gibt aber auch ethische, rechtliche und ganz praktische Fragen, die dafürsprechen, Geimpfte und Nichtgeimpfte weiterhin gleich zu behandeln.
Der
Solange sich nicht alle Personen impfen lassen können, würde ein Teil der Bevölkerung eine individuelle Rücknahme staatlicher Freiheitsbeschränkungen nur für bereits Geimpfte als ungerecht empfinden. Dieses Empfinden könnte die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger sowie die Bereitschaft zur Regelbefolgung mindern und damit die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung unterlaufen, die dem Gesundheitsschutz aller dienen.
Der Ethikrat weist aber auch darauf hin, dass in der Frage von Sonderregeln zwischen staatlichen Freiheitsbeschränkungen und den Einschränkungen des Zugangs zu den Angeboten privater Anbieter zu unterscheiden sei. Für Reiseveranstalter, Kinos, Konzertagenturen und Restaurants gilt grundsätzlich Vertragsfreiheit.
In besonderen Regeln für Geimpfte steckt demnach zwar das Potenzial, zumindest Teile der Bevölkerung aus dem Lockdown zu führen. Wegen der ethischen und rechtlichen Schwierigkeiten ist es derzeit aber unwahrscheinlich, dass alle Beschränkungen für alle Geimpften
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zuletzt, dass eine Diskussion über Vorteile für Geimpfte bei der geringen Durchimpfung derzeit kein Thema sei, wie sie in einer Pressekonferenz sagte:
5. Der Frühling kommt: Draußen zu sein schützt vor Infektionen und hält uns gesund
Wenn die Tage wieder länger und wärmer werden, bedeutet das auch, dass wir viele Dinge nach draußen verlagern können.
An der Frischluft sind es eher die größeren Tröpfchen, die Probleme machen können. Wir schleudern sie beispielsweise durch die Luft, wenn wir sprechen, singen oder husten. Größere Tropfen werden dabei nicht so leicht verweht wie Aerosole. Deshalb sollte auch draußen ein Mindestabstand von 1,50 Metern gewahrt werden – weiter schaffen es Spucketropfen selten. Zudem hilft es, sich bei Frischlufttreffen nicht direkt gegenüber zu stellen – nebeneinanderher zu spazieren ist hier die bessere Wahl.
Draußen zu sein mindert aber nicht nur das Infektionsrisiko. Nach Monaten des Lockdowns in der dunklen Jahreszeit sorgt der Frühling endlich für bessere Aussichten: auf Kaffee trinken und Eis in der Sonne und vielleicht auch bald schon wieder auf Open-Air-Konzerte und Picknicke im Freundeskreis. Gute Laune bringt auch das Sonnenlicht selbst: Werden die Tage wieder länger, produziert der Körper mehr Serotonin und Dopamin, die häufig auch als Glückshormone bezeichnet werden. Sie machen uns munter.
Neben der Hormonumstellung spielen aber auch psychologische Faktoren eine Rolle: Der Neubeginn der Natur, die helleren Farben und die Gerüche können sich positiv auf die Stimmung auswirken.

6. Intelligente Maßnahmen: Wir können ungefährliche Situationen zulassen
Doch egal wie schön das Wetter ist, leider lassen sich nicht alle Tätigkeiten draußen durchführen. Kita, Schule, Arbeit, Einkäufe, Besuche in der ärztlichen Praxis oder im Frisörgeschäft – das alles findet weitgehend in geschlossenen Räumen statt. Also dort, wo sich das Coronavirus am besten verbreitet. Doch mittlerweile weiß die Forschung mehr darüber, an welchen Orten die Ansteckungsgefahr höher und an welchen sie vergleichsweise niedrig ist.
Nach einer
Deutlich höher aber ist das Risiko in Sport- und Schwimmhallen, Fitnessstudios, Büros und Klassenzimmern, die der Analyse zufolge ein besonders hohes Risiko bergen, zu Superspreading-Orten zu werden. Das konkrete Risiko variiert aber deutlich – je nach Auslastung, Abstand, Maskenpflicht und Lüftung.
Diese Erkenntnisse zeigen: Die Strategie, vom Gartencenter über das Frisörgeschäft und das Nagelstudio bis hin zum Museum einfach alles dichtzumachen, wenn die Infektionszahlen stark ansteigen, hat nicht nur an Zuspruch in der Bevölkerung verloren. Sie ist auch gar nicht zielführend. Wenn die weiteren Einschränkungen flexibel und intelligent angepasst werden, sind Öffnungen möglich. Selbst dann, wenn die dritte Welle voll durchschlägt, könnte es vertretbar sein, zum Beispiel Frisörgeschäfte, Museen oder auch Theater, Kinos und Restaurants unter strengen Vorgaben zu öffnen. Das, was wir hierzulande als »harten Lockdown« verstehen, würde damit der Geschichte angehören. Einfache Lösungen gibt es hier aber nicht, da sich die Risiken nie ganz minimieren lassen und auch von der Gestaltung und vor allem Einhaltung der konkreten Regeln abhängen.
Es kann nicht nur intelligent geöffnet, sondern auch intelligent geschlossen werden.
Öffnungen sind also möglich, anderseits können weitere Einschränkungen sinnvoll sein. Es kann nicht nur intelligent geöffnet, sondern auch intelligent geschlossen werden. Wenn bestimmte Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens besondere Pandemietreiber sind, dann lassen sich dort mit harten Maßnahmen besonders viele Infektionen vermeiden.
Ein Beispiel dafür: Arbeitsplätze. Dazu zählen Büroarbeitsplätze, die sich besonders leicht ins Homeoffice verlagern lassen.
Aber nicht nur in Büros, auch in anderen sensiblen Bereichen lässt der Infektionsschutz zu wünschen übrig. In vielen Pflegeheimen zum Beispiel werden die Hygieneregeln offenbar nicht immer streng genug eingehalten. Inzwischen gibt es
Wenn Einschränkungen dort wegfallen, wo kaum Infektionen drohen, infektionstreibende Orte hingegen stark reglementiert werden, könnte das zum einen für Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen und sich zum anderen deutlich auf die Infektionszahlen auswirken. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die jetzt vorliegen, sprechen jedenfalls klar für ein differenzierteres Vorgehen als bisher.
Hoffnung trotz dritter Welle?
Intelligente Regeln, eine Ausweitung von Schnelltests, digitale Nachverfolgung, mehr Impfstoffe und nicht zuletzt das Wetter sind Entwicklungen, die auch in einer drohenden dritten Welle Hoffnung machen. All die jetzt vorhandenen Mittel können uns ein Stück Freiheit zurückgeben, ohne dass wir dafür ein größeres Risiko in Kauf nehmen müssen. So können wir vielleicht etwas Kraft für die nächsten Monate sammeln. Denn bis wirklich genügend Menschen geimpft sind, werden wir noch eine Weile durchhalten müssen.
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily