Ich habe Corona überstanden, doch gesund bin ich immer noch nicht!
Viele Menschen, die eine Covid-Erkrankung überstanden haben, klagen über gesundheitliche Langzeitfolgen. So geht es auch meiner Familie und mir. Jetzt merken wir: Das Gesundheitssystem ist darauf nicht vorbereitet. Eine Initiative will das ändern.
»Es ist, als wenn das Handy nur 4% aufgeladen ist und man wirklich nur diese 4% für den ganzen Tag hat«, sagt die Erzieherin Lena Kortenbusch
Kurz vor Silvester 2020 beginnen unsere Beschwerden, ein paar Tage später dann die Gewissheit – wir haben Covid-19. Das Krankenhaus bleibt uns erspart, unsere Symptome – wozu bei mir Fieber, Schüttelfrost, heftige Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und ein trockener, heftiger Reizhusten gehören – kurieren wir zu Hause aus. Nach etwa einem Monat können wir wieder arbeiten, im Sitzen am heimischen Computer.
2 Monate nach der Infektion haben wir unseren Gesundheitszustand noch nicht zurück
Bis heute, 2,5 Monate nach Symptombeginn, haben wir unseren alten Gesundheitszustand nicht zurück. Sport ist nicht drin, anstrengende körperliche Arbeit vermeiden wir. 2 Tage vor meiner Covid-19-Erkrankung konnte ich 90 Minuten durch den Wald rennen. Jetzt gerate ich schnell außer Atem und mir wird schwindelig, wenn ich im Garten arbeite, ohne auf Pausen zu achten.
Meine Frau hatte sich eigentlich schneller erholt als ich, zumindest schien es zunächst so. Jetzt kämpft sie mit Erschöpfung, phasenweise Kopfschmerzen und – immer noch – mit Husten. Gehören wir zu der Gruppe derjenigen, über die da im Beitrag gesprochen wird? Leiden wir unter Long Covid? Wir wissen es nicht.
Eine standardisierte Covid-Nachsorge beim Hausarzt gibt es nicht
Wir beide haben, zu unterschiedlichen Zeitpunkten, bei unserem Hausarzt vorgesprochen und um einen Check gebeten. Die sehr langsame Verbesserung unseres Zustandes besorgte uns. Es gebe keine Covid-Nachsorge, war die Antwort. Das Abhören mit dem Stethoskop ergibt bei mir: Die Lunge ist frei. Weil ich immer wieder Herzrasen habe, dränge ich auf einen Termin beim Kardiologen. Auch hier sieht alles gut aus, besser geht es mir dadurch aber nicht. Unsere Beschwerden sind real, aber es gibt schlicht kein klares Raster, wonach wir durchgecheckt und behandelt werden könnten. Wir tauchen in keiner Statistik auf. Wir gelten als gesund, aber wir sind es nicht.
Bisher bleibt Betroffenen von Langzeit-Covid nur Selbsthilfe
Diese Situation kennt
Es gibt verschiedene Einschätzungen zu den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung. Expert:innen gehen bisher grob davon aus, dass
Wenn wir überlegen, wie viele Menschen Covid-19 hatten und noch haben werden, kommen da nicht nur gesundheitliche, sondern auch gewaltige wirtschaftliche und soziale Probleme auf uns zu.
Eine vorläufige Studie gibt an, dass etwa die Hälfte der befragten Menschen mit Langzeit-Covid-Symptomen 6 Monate nach überstandener Corona-Erkrankung noch nicht wieder voll arbeitsfähig war.
Stefan Klein ist Teil einer
Die Gruppe sucht den Kontakt zu Wissenschaftler:innen und Politiker:innen,
Eine Petition fordert Hilfe für Langzeitfolgen durch Corona
Fast 40.000 Unterschriften hat eine
»In anderen Ländern wie
Die Betroffenen wollen, dass Langzeit-Covid als Krankheit anerkannt wird
Weil in Deutschland bisher wenig unternommen wird, um das zu ändern, fühlen sich hier viele Betroffene derzeit noch unverstanden und nicht ernst genug genommen. Vor allem geht es ihnen darum, dass Langzeit-Covid öffentlich als Krankheit anerkannt wird, die Arbeitsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit bedeuten kann. »Die Verläufe sind ganz unterschiedlich. Bei manchen klingen die Beschwerden nach 6–12 Monaten ab, bei anderen nicht. Manchmal werden die Symptome im Zeitverlauf sogar schlimmer«, sagt Klein.
Die Selbsthilfegruppe wolle keineswegs das Leid der akut erkrankten oder an Covid verstorbenen Menschen relativieren. »Aber wir sind eben auch Opfer dieser Pandemie und müssen als solche anerkannt und wahrgenommen werden.«
Nebeneffekt einer solchen Anerkennung könnte vielleicht sein, dass Menschen nach der akuten Covid-Erkrankung an die Hand genommen werden, wenn Probleme bleiben und die Unsicherheit groß ist. Wie bei meiner Frau und mir. Wenn ehemals an Covid Erkrankte künftig bei ihren Allgemeinmediziner:innen standardmäßig doch eine umfassende Nachsorgeuntersuchung und, wenn nötig, eine entsprechende Behandlung bekommen könnten, wäre schon ein erster Schritt gemacht.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily