2,5 Millionen US-Dollar für einen Social-Media-Post: Was du über NFTs wissen solltest
Sind Dateien die Kunst von morgen? Ein Unternehmer sagt ja und kauft den ersten Twitter-Beitrag vom Gründer – mit einer Technik, von der wir in Zukunft noch viel mehr hören werden.
Wer im Internet Geld ausgeben möchte, kann dies für allerhand seltsame Sachen tun. Da gibt es leere Verpackungen als Sammlerstücke,
Doch das, was vergangene Woche den Besitzer wechselte, toppt vieles davon: ein Tweet. Richtig gelesen, ein Post auf dem Social-Media-Dienst von Twitter – genauer gesagt der allererste Tweet auf der Plattform überhaupt, erstellt von Twitter-Gründer Jack Dorsey, aus dem Jahr 2006:
Die Kurznachricht wurde auf dem Online-Auktionshaus Valuables versteigert und
Was auf den ersten Blick wie eine Fake-Versteigerung zugunsten einer Katastrophenhilfe wirkt, ist aber absolut rechtens. Denn der Handel nutzt ein neues Verfahren, um digitale Güter über die Blockchain zu handeln, das gerade mächtig an Popularität zulegt.
Trotzdem tun sich bei solchen Verkaufspreisen allerhand Fragen auf:
- Wofür wurde hier überhaupt gezahlt? Schließlich ist der Tweet öffentlich, zitier- und kopierbar.
- Wie kann man überhaupt etwas besitzen, was digital ist und sich beliebig oft vervielfältigen lässt?
- Und warum gibt jemand dafür so viel Geld aus?
NFT, die zukunftsweisende Technologie hinter dem Verkauf
Beim Kauf eines wertvollen Gegenstands nimmt man ihn an sich und behält ihn in der Wohnung oder in einem Safe bei der Bank. Doch mit manchen Gütern geht das nicht, etwa mit Grundstücken oder eben Dorseys Tweet. Hier entscheidet sich der Besitz durch eine Besitzurkunde. Und genau das ist auch mit Jacks Tweet passiert.
Dazu nutzte das Auktionshaus einen sogenannten »kryptographischen Token« (englisch Non-Fungible Token, kurz NFT), also einen einzigartigen, nicht-austauschbaren verschlüsselten Datensatz, der den Besitz von etwas anzeigt, genau wie eine Besitzurkunde. Im Gegensatz zu dieser auf Papier mit Stempel existiert ein NFT nur im Internet. Er lässt sich
Sina Estavi kann also eindeutig nachweisen, dass er den Tweet besitzt. Das Spannende an der Technologie ist, dass quasi alles darüber gehandelt werden kann, vor allem einzigartige Güter, die kein materielles Gegenstück haben. Und das wird bereits fleißig getan: So gibt es mittlerweile mehrere spezialisierte NFT-Marktplätze, etwa OpenSea, worauf Tausende Angebote aufrufbar sind – etwa virtuelle Grundstücke in Onlinegames, digitale Sammelkarten oder auch Onlinekunst.
Dabei könnten sie in Zukunft deutlich mehr Anwendung finden und altbackene Besitzurkunden überflüssig machen
Du willst genauer wissen, was die Blockchain ist und was sie kann? Ich erkläre es dir hier:
Was man mit digitalen Gütern tun kann – und was wir daraus lernen sollten
Dass NFT mehr als nur Nerd-Spielereien sind, zeigt das renommierte Londoner Auktionshaus Christie’s. Anfang März
Was aber kann man dann damit tun?
Nun, man erhält alle Rechte an dem digitalen Gegenstand. Sina Estavi kann seinen Tweet von Jack also etwa ausstellen, lizensieren oder weiterverkaufen. Dabei zeigt sich bereits die Tücke im Detail: Laut Auktionshaus Valuables – das ganz ungeniert mit der Idee spielte, Jacks echten Tweet »zu besitzen« – handelte es sich bei der Auktion nicht um den auf Twitter verfügbaren Social-Media-Post des Twitter-Gründers, sondern um eine Kopie mit Signatur – quasi ein Autogramm als digitale Kunst, das direkt auf der Blockchain gespeichert wird. Davon garantiert Jack Dorsey mit dem Verkauf gleichzeitig, dass es nur ein einziges dieser Art wird.
Ob das 2,9 Millionen US-Dollar wert ist, ist eine andere Frage.
Für Sammlerstücke gaben Menschen jedenfalls schon vor NFTs viel Geld aus. So wurde etwa eine Black-Lotus-Spielkarte des beliebten Sammelkartenspiels »Magic: The Gathering« dieses Jahr für rund 500.000 US-Dollar verkauft – für gedruckte Farbe auf einem kleinen Pappstück. Von dort ist es auch kein großer Sprung mehr zu rein virtuellen Gütern.
Der Käufer jedenfalls scheint begeistert: »Das ist mehr als ein Tweet!«, erklärte Sina Estavi nach der Ersteigerung – in einem Tweet:
»In einigen Jahren werden Menschen den wahren Wert dieses Tweets verstehen, so wie bei der Mona Lisa.« – Sina Estavi
»Ich denke, in einigen Jahren werden Menschen den wahren Wert dieses Tweets verstehen, so wie bei der Mona Lisa«, so Estavi. Er setzt offenbar auf den Sammlerwert und darauf, dass NFT-gehandelte digitale Kunst in Zukunft allgemein anerkannt sein wird. Als Teil der Geschichte davon könnte sein einzigartiges Jack-Dorsey-Tweet-Autogramm dann tatsächlich an Wert zulegen und er am Ende Profit machen. Vielleicht ist dies aber auch nur ein aktueller Trend. Dafür spricht, dass Dorseys Tweet ein ikonisches Symbol der Netzkultur ist – so wie die ebenfalls per NFT verkaufte Nyan Cat oder
Falls der Hype in sich zusammenfällt, hätte sich Estavi immerhin kurzzeitigen Ruhm und weltweite Aufmerksamkeit erkauft. Auch das ist Menschen viel wert.
In jedem Fall können NFT-Transaktionen und digitale Güter ein Anstoß sein, um unsere Annahmen über den »Wert« von Dingen zu hinterfragen. Denn Gegenstände sind, das ist ja ein zentraler Aspekt von Kapitalismus, längst nicht mehr an Produktionskosten gekoppelt, sondern nur Angebot und Nachfrage unterworfen. Etwas ist also genau das »wert«, was Menschen dafür bereit sind zu bezahlen – vor allem für Sammlerobjekte und Kunst. Und NFT-Transaktionen zeigen auch unser antrainiertes Bedürfnis, etwas zu besitzen – und unsere Annahme, dass dies auch möglich ist.
Vielleicht hat Estavi also recht und in 100 Jahren schauen zukünftige Historiker zurück und finden im Jack-Dorsey-Tweet-Autogramm ein perfektes Artefakt unserer Zeit.
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily