So schaffst du es jetzt, wieder mit dem Sport anzufangen
Die Fitnessstudios sind geschlossen, Sport in Teams ist den Profis vorbehalten und allein zu joggen ist irgendwann langweilig. Was also tun, damit Muskulatur und Ausdauer erhalten bleiben und uns der Bewegungsmangel nicht langfristig schadet?
»Die Pandemie wird Spuren an unserer Gesundheit hinterlassen – und zwar nicht nur bei Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind oder waren«, sagt Sportwissenschaftler Harald Lange von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Tatsächlich treibt jeder vierte Mensch in Deutschland weniger Sport als vor der Pandemie – das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse im Mai 2020.
Schon vor der Pandemie erfüllten
Nach Schätzungen der WHO könnten pro Jahr weltweit 4–5 Millionen vorzeitige Todesfälle verhindert werden, wenn Menschen körperlich aktiver wären. Denn: Unsere Vorfahr:innen legten täglich viele Kilometer zu Fuß zurück. Darauf ist unser Körper noch immer eingestellt. Zahlreiche Studien legen nahe, dass Bewegungsmangel das Risiko für Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und manche Krebsarten
Fürs Anfangen ist es nie zu spät!
Die gute Nachricht: Wir können jederzeit anfangen, uns zu bewegen! Sport hat in jedem Alter positive Effekte, ganz egal, wann wir damit
Um zu verstehen, warum Sport dem Körper so guttut, hilft ein Blick auf das, was in unserem Organismus passiert, wenn wir uns bewegen: Beanspruchen wir unsere Muskeln, muss das Herz stärker pumpen, um sie mit Sauerstoff zu versorgen. Dabei werden die Gefäße ordentlich durchgespült. Das macht sie elastischer und wirkt Ablagerungen entgegen, die einen Schlaganfall oder Herzinfarkt verursachen können. Zudem reagieren unsere Zellen durch das Training wieder sensibler auf Insulin, jenes Hormon, das die Aufnahme von Zucker aus dem Blut steuert. Selbst bei Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt sind, lässt sich so eine Verbesserung erzielen.
Schon lange wissen wir, dass Bewegung gesund ist. In diesem Artikel fordert Maren Urner: Es ist an der Zeit, »Bewegung auf Rezept« einzuführen!
Auch Krankheiten, die das Gehirn betreffen, kann Sport entgegenwirken.
Mehr Bewegung im Alltag
Die gute Nachricht: Um die Vorteile zu nutzen, die Sport mit sich bringt, muss niemand gleich den Marathon ins Visier nehmen. Sportmediziner Thomas Hilberg von der Bergischen Universität Wuppertal rät, mit 2–3 Sporteinheiten pro Woche à 20–30 Minuten zu starten. Das entspricht zwar noch nicht dem von der WHO geforderten Pensum, legt jedoch einen wichtigen Grundstein für den (Wieder-)Einstieg. Wer mit einem solchen moderaten Training beginnt, wird schon bald Verbesserungen bemerken: »Man kommt im Alltag beispielsweise weniger leicht aus der Puste«, sagt Hilberg.
Statt sich allzu hohe sportliche Ziele zu stecken, sei das eigentliche Ziel, einen möglichst bewegten Lebensstil zu führen, sagt Sportwissenschaftler Lange von der Universität Würzburg. »Versuchen Sie täglich, so viele Schritte wie möglich zu absolvieren«, rät er. Schrittzähler und Pulsuhren können helfen, sich dazu zu motivieren.
10.000 Schritte am Tag?
Ob es dabei wirklich die 10.000 Schritte sein müssen, die sich irgendwann als Faustregel für einen bewegten Lebensstil durchgesetzt haben, wird in der Wissenschaft allerdings noch diskutiert. Die Zahl beruht nämlich nicht auf wissenschaftlichen Studien, sondern wurde von einer japanischen Schrittzählerfirma willkürlich festgelegt. Sie hat sich in der Öffentlichkeit dennoch durchgesetzt –
Auch wenn die Frage noch nicht abschließend geklärt ist, hält Lange die Schrittzahl für einen guten Orientierungswert: »Wer 10.000 Schritte pro Tag schafft, tut sehr viel für seine Gesundheit und seine Fitness«, sagt er.
Hatte die Pandemie hier vielleicht sogar einen positiven Effekt? Schließlich ist Spazierengehen (mangels Alternativen) bei vielen Menschen beliebter denn je.
Ein Grund für den Bewegungsrückgang: Manche Menschen gehen einfach nicht gern spazieren oder joggen – und wegen der Beschränkungen fallen derzeit viele andere Bewegungsmöglichkeiten weg.
Wer selbst damit hadert, sich zu wenig zu bewegen, und sich weder fürs Joggen noch fürs Spazierengehen begeistern kann, hat trotz Kontaktbeschränkungen einige Möglichkeiten, sich fit zu halten. Diese 4 Tipps können dir helfen, (wieder) in Schwung zu kommen:
Tipp 1: Körpergewicht und Möbel statt teurer Geräte
»Nur mit dem eigenen Körpergewicht lässt sich für jede Muskelgruppe etwas tun«, sagt Lange. Etwa:
Für mehr Abwechslung lassen sich Möbel zu Fitnessgeräten umfunktionieren: Das mehrfache Hinauf- und wieder Heruntersteigen auf einen kleinen Tisch oder Stuhl trainiert die Oberschenkel. Auch die Treppe im oder vor dem Haus lässt sich wunderbar für ein Kraft- und Ausdauertraining nutzen. Und statt Hanteln können gefüllte Wasserflaschen helfen, die Arme zu trainieren.
Tipp 2: Fitnessvideos statt Vor-Ort-Kursen
Wer nicht gern in Eigenregie trainiert, sondern lieber nachmacht, was ein:e Trainer:in zeigt, kann auf eines der unzähligen Fitnessvideos im Internet zurückgreifen – mit und ohne Ansage, unterlegt mit unterschiedlichster Musik.
Statt immer zum selben Video zu trainieren, ist es spannender, ständig neue Trainer:innen, Intensitäten und auch mal ganz andere Konzepte auszuprobieren: Warum nicht mal Tae Bo oder Zumba wagen? Länge und Belastungsgrad lassen sich je nach Zeitbudget und Fitnesslevel wählen.
Für Menschen, die in Miet- oder Altbauwohnungen leben und ihre Nachbar:innen nicht stören möchten, gibt es viele Anleitungen für »Workouts ohne Springen«. Und wenn noch der Muskelkater vom letzten Bauch-Workout zu schaffen macht, wird eben ein »Leg Day« (also ein Trainingstag für die Beine) eingelegt. Hilberg rät zwischendurch ohnehin zu einem Tag Pause, denn: »Regeneration ist wichtig für den Trainingserfolg«, weiß der Sportmediziner.
Tipp 3: Keinen Idealen nacheifern, sondern eigene Ziele setzen
Ein Problem bei Fitnessvideos: »Die Menschen können sich häufig nicht mit der Person auf dem Bildschirm identifizieren«, meint Sportwissenschaftler Lange. Denn deren perfekt trainierte Körper haben meist wenig mit dem eigenen Fitnesszustand zu tun. So geben viele Menschen schon nach ein paar Einheiten deprimiert auf. »Wir müssen versuchen, im Sport ein Thema für uns zu finden«, sagt Lange. Etwas, was nicht mit der Sportskanone auf dem Bildschirm, sondern unmittelbar mit uns selbst zu tun hat. Wie fühlt es sich an, wenn ich einen Liegestütz mache? Schaffe ich in der nächsten Woche vielleicht schon 5 mehr? Ich selbst etwa erinnere mich noch genau an das Glücksgefühl, als ich es zum ersten Mal geschafft habe, 10 Kilometer am Stück zu laufen. Seither kann ich nicht mehr damit aufhören.
Tipp 4: Termine mit sich selbst vereinbaren
Manche motiviert es auch, die eigenen Aktivitäten zu dokumentieren: »Am Montag war ich eine Stunde Laufen, am Mittwoch habe ich 30 Minuten Krafttraining gemacht und am Freitag war ich Radfahren.« Sportmediziner Hilberg rät sogar, feste Termine mit sich selbst zu vereinbaren und im Kalender einzutragen oder sich mit einem Freund oder einer Freundin zu verabreden – das ist ja weiterhin erlaubt. »Wenn der Laufpartner schon vor der Tür steht, hat man keine Wahl mehr«, stellt Hilberg lachend fest.
Redaktion: Lara Malberger
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Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily