Warum Imkerei nicht gegen das Bienensterben hilft
Lange dachten Biolog:innen, es gäbe in Deutschland keine wilden Honigbienen mehr. Jetzt ist klar: Es gibt sie doch. Artenschützer:innen stellt das vor neue Herausforderungen. Wie du helfen kannst
Ich sitze im Wald und halte kurz den Atem an. Um mich herum zwitschert es. Es sind 17 Grad, die Sonne scheint durch die noch blattlosen Baumkronen. Wenn Realität kitschig sein kann, ist sie es jetzt. Bienen quellen aus dem Flugloch ihrer Behausung, ein bisschen wie überkochende Milch aus einem Kochtopf. Sie brechen auf, um den ersten Nektar nach dem Winter zu sammeln.
Vor 2 Jahren habe ich einen Imkerkurs
Ich verstand, dass das in der Imkerlogik so sein musste, es ist ein geschlossenes System, das aus ihrer Sicht funktioniert. Aber ich wollte etwas ganz anderes, nämlich etwas gegen das Bienensterben tun und ansonsten vor dem Flugloch sitzen und mich freuen. Klar, vielleicht auch ein paar Gläser Honig abzwacken, aber Geld damit zu verdienen war nicht mein Ziel.
In dieser Ernüchterung fragte ich mich, ob es überhaupt möglich ist, Bienen zu halten, ohne gleich so stark in das Ökosystem einzugreifen. Selbst Bioimker:innen arbeiten in dieser Hinsicht kaum anders als
Imkerei ist Massentierhaltung. Wie konnte das passieren?
Bei Youtube begegnet mir eher zufällig
Und trotzdem ist da etwas dran, sagt mir Bienenforscher und Aktivist Torben Schiffer am Telefon. Er hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Würzburg die natürlichen Lebensbedingungen von Bienen untersucht. »Imkerei ist Intensivtierhaltung«, sagt er mit Überzeugung. Bienen bevorzugen in der Natur Baumhöhlen mit einem Volumen von etwa 40 Litern und meiden zu große Höhlen, sagt er. Es existiert ein natürliches Limit für die Größe des wilden Bienenvolkes und für die Menge des Honigs, die ein Volk braucht. In der konventionellen Imkerei wird dieses Limit aber nach oben verschoben. »Viele Probleme werden durch eine nicht artgerechte Haltung der Bienen von Imkern selbst erzeugt. Wenn Bienen nur mit Chemikalien und ständiger Behandlung überleben können, dann ist etwas falsch an der Art der Haltung«, sagt Schiffer.
Die Bienenkästen, Imker:innen nennen sie »Magazinbeuten«, seien für die Tiere viel zu groß. Im Sommer erweitern die Bienenhalter:innen sie auf bis zu 200 Liter Fassungsvermögen, indem sie immer neue Kästen aufsetzen, die sogenannten »Honigräume«. »Wenn man Bienen immer mehr Platz gibt, dann lagern sie auch automatisch immer mehr Honig ein«, sagt Schiffer. Wilde Bienen kennen aber auch immer wieder Zeiträume, in denen ihre Baumhöhle voller Honig ist und sie nicht herausfliegen müssen, um Nektar zu sammeln. Dies ist die Zeit, in der sie sich gegenseitig putzen und Eindringlinge wie die Varroamilbe bekämpfen können. Schiffer konnte zeigen,
Unter dem Druck, immer mehr Honig sammeln zu müssen, können sich Bienen nicht ausreichend pflegen und werden damit anfällig für Krankheiten. In der Nachkriegszeit haben Imker:innen jährlich 10–15 Kilogramm Honig pro Volk geerntet,
Von wilden Honigbienen in den USA, Brasilien oder Asien habe ich gehört. Aber hier bei uns? Lange haben Wissenschaftler:innen angenommen, es gäbe sie in Deutschland nicht mehr. Die Hoffnungen auf Arterhaltung ruhten also allein auf den Imker:innen, die aber – wie andere Landwirt:innen auch – ein Interesse daran haben, dass die Bienen möglichst viel Honig produzieren. Forschung findet deswegen in Deutschland meist in landwirtschaftlich orientierten Instituten statt.
Bienen werden mit dem Ziel erforscht und gezüchtet, mehr Honig zu sammeln und weniger zu stechen. Für die natürlichen Anpassungsmöglichkeiten ist das aber problematisch. Imkerbienen sind als Zuchttiere vom natürlichen Selektionsprozess
Vor wenigen Jahren gab es dann aber eine wichtige Entdeckung: Wilde Honigbienen in Deutschland gibt es tatsächlich noch.
Wilde Honigbienen gibt es doch – und viele kleine Helferchen
Und noch etwas kennen Wissenschaftler:innen dank der Erforschung wilder Bienen in anderen Ländern: Die Tiere haben unzählige winzig kleine Helferchen, die Bienen in Imkerkästen nicht haben und die wilden Bienen helfen, gesund zu bleiben.
Jürgen Tautz ist Biologe, Professor im Ruhestand und einer der wichtigsten Bienenforscher Deutschlands. Er hat die Tiere seit etwa 25 Jahren erforscht und viele Bücher über sie
Zusätzlich haben die Bienen in der freien Wildbahn die Möglichkeit, sich im Zuge natürlicher Selektionsprozesse anzupassen. Sind Völker nicht widerstandsfähig genug, sterben sie. Es überleben nur die besser angepassten. Das klingt brutal, hat aber ein wichtiges Ergebnis: eine Biene, die Parasiten wie der Varroamilbe trotzen kann. »Der Imker bemüht sich ja, alle Völker am Leben zu erhalten, egal wie gut es denen geht, auch genetisch. Aber da wird vieles mitgeschleppt, was in der Natur keine Überlebenschance hätte«, sagt Jürgen Tautz.
Die wilden Bienen zu schützen ist deswegen so wichtig, weil hier ein Genschatz lagert, auf den Menschen vielleicht eines Tages einmal zurückgreifen müssen, wenn sie mit ihrer Zucht nicht weiterkommen. »Wir Menschen sehen ja immer nur einzelne isolierte Probleme und erkennen bei unseren Zuchten nicht die gesamte Komplexität und mögliche neue Probleme, die wir dadurch erschaffen könnten«, sagt Tautz.
Torben Schiffer, der mit seinem Beenature-Projekt auch Imkerbienen wieder auswildern will, hat zum Beispiel beobachtet, dass manche gezüchteten Bienen Teile ihrer typischen Fähigkeiten verlieren. »Es gibt Völker, die können in den Rähmchen ihre Waben bauen, aber wenn sie in einem Baumstamm frei Waben bauen sollen, wissen manche nicht mehr, wie das geht.«
Bienen helfen – so geht es!
Bienenschutz hat viele Facetten. Ein großes Problem für die Tiere ist, dass fast alle Wälder in Deutschland bewirtschaftet werden. Nach ein paar Jahrzehnten fällen Förster:innen die Bäume – Stämme mit alten Höhlen, wie Spechte sie hinterlassen, gibt es deswegen kaum noch. Auch die Pflanzenvielfalt sei geringer als in unberührten Wäldern, sagt Jürgen Tautz. »Mit den Bienen und den Wäldern kommen 2 Megathemen zusammen. Wenn wir Teile von Wäldern wieder sich selbst überlassen, dann bekommen wir artenreiche Wälder, in denen sich alle möglichen Lebewesen ansiedeln und miteinander und mit den Pflanzen interagieren. Die Bienen gehören dann als wichtiges Lebewesen dazu.«
Bis es so weit ist, hält Torben Schiffer eine Baumhöhlensimulation bereit, den »Schiffer-Tree«, deren Baupläne er interessierten Werkstätten frei zur Verfügung stellt. Die Nisthilfe sieht aus wie ein zu groß geratenes Vogelhäuschen – und sie funktioniert auch ganz ähnlich. In Bäume gehängt und festgezurrt, können sich Bienenschwärme einnisten und ungestört leben.
Bienen suchen sich in der Natur Nistplätze, die 4–5 Meter über dem Boden liegen. Auch die Höhe hat einen Einfluss darauf, wie es ihnen geht.
Etwas Ähnliches machen auch andere Bienenfreund:innen in ganz Deutschland: zum Beispiel die
Während der Recherche zu diesem Text ist mir klar geworden: Es gibt viele Möglichkeiten, wilde (Honig-)Bienen zu unterstützen – konventionelle Imkerei gehört aber eher nicht dazu. Stattdessen können Bienenfans
- Insektenhotels und andere Nisthilfen aufstellen. Wichtig dafür sind die richtige Umgebung und die richtige Art von Nisthilfe.
Damit ist meine Anfangsfrage aber noch nicht beantwortet.
Darf ich jetzt noch imkern?
Während Torben Schiffer dem Imkern zur Honiggewinnung völlig abgeschworen hat, sieht Biologe Jürgen Tautz durchaus einen möglichen Mittelweg. Naturschutz und Imkerei müssten sich nicht zwingend ausschließen, findet er. Wichtig sei es, nicht zu viele und zu große Bienenvölker auf einer Stelle zu haben,
Tautz selbst hat lange geimkert, dabei aber wenig Honig entnommen und die Bienen – abgesehen von der in Deutschland vorgeschriebenen Kontrolle der Varroapopulation im Bienenstock – in Ruhe gelassen.
Je größer die Kästen sind, desto ungünstiger für die Bienen
Alternative Bienenstöcke könnten den Imkerbienen zudem Hilfe zur Selbsthilfe leisten, hat Torben Schiffer herausgefunden. Neben seinem Baumhöhlennachbau seien die alten Strohkörbe, die früher vor allem norddeutsche Heideimker:innen benutzt haben, auch ganz gut geeignet. Der Vorteil: Es gibt einen begrenzten und – ganz wichtig – runden Raum. Außerdem isolieren das dicke Stroh und eine Schicht aus getrocknetem Kuhdung gegen Hitze und Kälte und lassen Feuchtigkeit heraus, sodass nichts schimmelt. Auf diese Weise stimmen auch die Bedingungen für andere Helferinsekten, die mit Bienen in Symbiose leben und sich in den Strohwänden einnisten, zum Beispiel der Bücherskorpion. Eine Faustregel ist: Eckige Kästen mit glatten Wänden sind prinzipiell eher schlecht, und je größer sie sind, desto ungünstiger für die Bienen.
Ich habe mich entschieden, einen Mittelweg zu gehen, indem ich kleine, begrenzte Behausungen aus Schilf oder Stroh verwende. Ich möchte nur eingreifen, wenn es gar nicht anders geht, aber Bedingungen schaffen, unter denen sich die Bienen so gut wie möglich selbst helfen können. Vielleicht höhle ich auch ein Stück Baumstamm aus, um die natürlichen Bedingungen möglichst gut nachzuahmen. Und zwischendurch setze ich mich einfach wieder vor das Flugloch, höre dem Summen zu und freue mich.
Titelbild: nca Ackermann - CC0 1.0