4 Ideen, wie wir jungen Menschen eine Zukunft nach Corona schaffen
Psychische Störungen, ungleiche Bildungschancen, Angst vor der Zukunft: Lässt die Pandemie eine verlorene Generation zurück? Was wir jetzt als Gesellschaft leisten müssen, damit das nicht passiert
Wenn über Kinder und Jugendliche gesprochen wird, dann hat das im Moment meist wenig Gutes. Dann geht es um Kinder, die Viren unbemerkt weitertragen. Um überforderte Eltern. Um Jugendliche, die allein zu Hause vor dem PC hocken, statt die Nächte durchzufeiern. Oder um junge Erwachsene, denen in der Pandemie die Perspektive abhandengekommen ist. Um eine Bildungspolitik, die es nicht geschafft hat,
Kinder und Jugendliche sind anpassungsfähig und kommen mit neuen Situationen oft besser zurecht als Erwachsene. Dennoch zieht die Pandemiezeit auch an ihnen nicht spurlos vorüber. In einer repräsentativen Studie untersuchte das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Verfassung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Das Ergebnis: Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie verdoppelte sich die Zahl der psychischen Auffälligkeiten unter den untersuchten 7–17-Jährigen.
Bei Kindern und Jugendlichen nehmen depressive Symptome und Ängste zu.
Klar ist: Kaum jemand hat sich in den letzten Monaten zum Wohle der Gesellschaft so stark eingeschränkt wie die jungen Menschen. Denn nach allem, was bekannt ist, ist das Virus für die meisten von ihnen weniger gefährlich. Die Zurückhaltung war vor allem nötig, um andere zu schützen. Beklagt haben sich die Jüngeren darüber wenig – und vielleicht ist das ein Grund dafür, dass sie so lange übergangen wurden.
Obwohl die Situation von Kindern und Jugendlichen seit Beginn der Pandemie miserabel ist, reagieren Politik und Gesellschaft nur langsam. Immerhin stehen mittlerweile Impfzulassungen und ein »Aufholbildungsprogramm« im Raum. Aber reicht das wirklich aus, um jungen Menschen neue Perspektiven zu schaffen? Wir erklären, worauf es jetzt ankommt, damit aus der »Coronajugend« keine verlorene Generation wird.
1. Endlich richtig in Bildung investieren! Aber Geld allein wird nicht reichen
von Benjamin Fuchs und Stefan BoesEine traurige, wenn auch wenig überraschende Erkenntnis aus der Pandemie ist, dass das deutsche Bildungssystem alles andere als krisensicher ist. Schulkinder und Lehrkräfte sind ungenügend mit Tablets und Laptops ausgestattet. Die

Das alles führt dazu, dass der Lernerfolg in Pandemiezeiten auch maßgeblich von der Flexibilität, dem Geldbeutel und dem Bildungsgrad der Eltern abhängt. Verschiedene
Wer kein Schulkind zurücklassen will, muss benachteiligte Familien unterstützen.
Schon in der ersten Pandemiewelle wünschten sich 2/3 der finanziell benachteiligten Familien Hilfe im Umgang mit ihren Kindern.
Das scheint inzwischen auch die Bundesregierung erkannt zu haben.
Fördergelder kommen oft nicht bei den Schulen an.
Selbstverständlich ist das nicht. Denn weil Schulpolitik in Deutschland föderal geregelt ist, sind es auch die Länder und die kommunalen Schulträger – also Landkreise, Städte und Gemeinden –, die das Geld abrufen und einsetzen müssen. »Das Aufholprogramm darf nicht zu einem bürokratischen Kraftakt werden, wie zum Beispiel beim Digitalpakt«, sagt Katja Hintze. Das Digitalisierungsprogramm der Bundesregierung habe gezeigt, wie zögerlich Fördergelder genutzt
Die von der Bundesregierung jetzt versprochene schnelle Hilfe wirkt also nur, wenn das Geld schnell fließt und wirkungsvoll für technische Ausstattung, Hausaufgabenbetreuung oder Fachpersonal eingesetzt wird. Katja Hintze betont aber, dass bei der Förderung der Kinder und Jugendlichen nicht nur Lernstoff eine Rolle spielen dürfe. »Ihr Selbstbewusstsein muss gestärkt, Energie wieder aufgetankt werden, Körper und Geist müssen wieder glücklich und zuversichtlich werden und die Kreativität braucht Raum zum Austoben«, sagt Katja Hintze.
Eine Gesamtschullehrerin, die in einem Bezirk mit vielen sozial benachteiligten Schüler:innen in Nordrhein-Westfalen arbeitet, sieht das ähnlich. Einige Kinder seien im Homeschooling zeitweise völlig vom Radar der Schule verschwunden - trotz häufig großer Anstrengungen sie auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Manches Schulkind, das vor Ort aufgeweckt war, habe sich während der Pandemie zum Problemfall entwickelt, erzählt sie. Diese Kinder müssten erst einmal wieder in einen geregelten Tagesablauf zurückfinden und benötigten dafür neben fachlicher Nachhilfe auch emotionale Unterstützung.
Einige Kinder und Jugendliche bräuchten jetzt noch etwas mehr Hilfe als andere, sagt Katja Hintze von der Stiftung Bildung. Bei einigen sei der Förderunterricht in den Kernfächern wichtiger, bei anderen die Stärkung des Selbstbewusstseins. Auch leicht erreichbare Anlaufstellen für Familien mit Problemen seien von besonderer Bedeutung. Schon vor der Pandemie hätte es Maßnahmen gebraucht, um gleiche Chancen für alle zu schaffen – richtig umgesetzt könnten sie jetzt der Gleichberechtigung auch jenseits von Corona auf die Sprünge helfen.
Hier gibt es Hilfe für überlastete Familien
Hier sammelt die Deutsche Gesellschaft für Psychologie Tipps für psychisch belastete Familien. Das Projekt »Familien unter Druck« gibt Tipps für den Umgang mit Familienstress in der Pandemie. Zudem listet das Gesundheitsministerium hier Anlaufstellen und Hilfenummern auf.
2. Dass Kinder bald geimpft werden könnten, ist gut – aber kein Allheilmittel
von Lara MalbergerNachdem der Impfstoff von BioNTech/Pfizer in den USA für Kinder ab 12 Jahren zugelassen wurde,

Wenn Kinder und Jugendliche geimpft werden und die Schulen und Unis wieder aufmachen, wird dann alles gut? Ganz so einfach wird es wohl nicht, denn die Impfung der Jüngsten hat gleich mehrere Hürden, die mitgedacht werden müssen.
Die Zulassung für Kinder ist schwieriger.
Dass Impfstoffe für Kinder erst zugelassen werden, nachdem sie bei Erwachsenen schon angewandt werden, hat verschiedene Gründe. Der wichtigste: Kinder können anders auf ein Mittel reagieren als Erwachsene. Aus diesem Grund müssen der Zulassung einer Impfung für Kinder auch Studien mit Kindern vorausgehen – und die sind deutlich komplizierter. Denn nicht die Kinder entscheiden sich dazu,
Studien an Kindern haben meist deutlich weniger Teilnehmende als die Impfstoffuntersuchungen an
Lässt die EU einen Impfstoff für Kinder zu, ist in Deutschland die Ständige Impfkommission dafür verantwortlich, eine Impfempfehlung auszusprechen. Sie wägt Nutzen und Risiken des Impfstoffes ab. Dabei gibt es sowohl Argumente für als auch gegen die Impfung von Kindern:
Pro Impfung:
- Auch Kinder können Langzeitfolgen durch Corona erleiden. Häufiger beobachtet wurde etwa das
- Kinder schützen durch eine Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch Menschen in ihrem Umkreis. Mittlerweile ist sicher,
- Geimpft könnten sich Kinder wieder frei bewegen, psychische Belastungen, die durch die Einschränkungen entstehen, verringern sich. Impfungen könnten es Kindern ermöglichen, wieder unbeschwert in die Schule zu gehen, Freund:innen zu treffen und Sport zu treiben.
Contra Impfung:
- Impfungen könnten zumindest kurzfristige Nebenwirkungen haben. Weil das Immunsystem von Kindern so aktiv ist,
- Bisher sind noch nicht alle Menschen geimpft, für die das Virus gefährlicher ist.
Außerdem gibt es ein weiteres Problem, das die Impfung von Kindern verzögern könnte: Egal wie gern ein Kind wieder zurück in die Schule möchte – ob es einen Piks mit dem zugelassenen Impfstoff gibt, entscheiden am Ende die Eltern.
Und von denen sind sich die meisten gerade eher unsicher:
Das liegt zum Teil sicher auch daran, dass es bisher wenig Informationen zur Covid-19-Impfung bei Kindern gibt. Sobald sich das ändert, ist es deshalb umso wichtiger, alle Eltern schnell mit Informationen zu versorgen. Das empfehlen auch die Cosmo-Forscher:innen.
Bis all diese kritischen Punkte geklärt sind, wird es noch eine Weile dauern und selbst dann könnten auch erst einmal nur Kinder ab 12 Jahren geimpft werden. Alle anderen müssen ohnehin noch länger warten. Noch sollten wir uns also nicht allein darauf verlassen, dass die Impfung alles richten wird.

3. Warum nicht allen Jugendlichen eine Ausbildung garantieren?
von Stefan BoesViele Schüler:innen machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Kein Wunder – denn wegen der entstandenen Lerndefizite und der fehlenden Praktika sprechen manche schon von einer abgehängten Generation. Andererseits sind die jungen Menschen mit einem Arbeitsmarkt im Krisenmodus konfrontiert. Und das heißt für sie: Das Angebot an Ausbildungsplätzen ist deutlich
Um das zu ändern, schlägt die Bertelsmann-Stiftung eine Ausbildungsgarantie vor, etwa nach österreichischem Vorbild. Dort wird allen Jugendlichen ein Ausbildungsplatz zugesichert: entweder in einem Betrieb oder, falls das nicht klappt, mit einem staatlich finanzierten Ausbildungsplatz in Lehrbetrieben und Berufsschulen. Das garantiert zwar noch keinen Abschluss, aber zumindest die Chance darauf.
Wir haben in Deutschland mit der dualen Ausbildung einen Schatz, den wir wertschätzen und pflegen sollten. Es sollte völlig unabhängig von Pandemiezeiten eine Ausbildungsgarantie für jeden jungen Menschen geben. Wir tragen als Gesellschaft gemeinsam die Verantwortung für die nächste Generation und zwar für jede und jeden Einzelnen.
Dass Fachkräfte nicht ausschließlich unter Akademiker:innen zu finden sind, dürfte spätestens seit den Erfahrungen in der Pandemie allen klar sein. Diejenigen, auf die es wirklich ankommt, arbeiten oft in Ausbildungsberufen: als Pflegekräfte, in Handwerksbetrieben, im Einzelhandel, bei der Müllabfuhr oder in Kitas und Kindergärten. Die Debatte um den Wert dieser Arbeit und darüber, unter welchen Bedingungen sie geleistet wird, dürfte während des Bundestagswahlkampfes weiter an Fahrt aufnehmen.
Noch gibt es viele junge Menschen, die Lust auf eine Ausbildung haben: Von den 14–20-Jährigen, die noch Schüler:innen einer allgemeinbildenden Schule sind, möchten 41% auf jeden Fall eine Ausbildung machen. Weitere 36% sind noch unentschieden.
Zukünftige Studierende blicken laut der Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung übrigens sorgenfreier in die Zukunft: Nur 24% aller Befragten glauben, die Chancen auf einen Studienplatz seien durch Corona beeinträchtigt. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Studierende unbelastet durch diese Krise gekommen sind.
4. Auch Studierende müssen sich beschweren dürfen – und brauchen eine Perspektive!
von Michel KuttenkeulerDas große Problem der knapp 3 Millionen Studierenden an deutschen Hochschulen in der Pandemie? Vielleicht, dass sie formell gesehen gar kein Problem haben. Schließlich läuft die Onlinelehre an den Unis weiter – anders als Schüler:innen müssen Studierende auch ohne Pandemie selbstständig lernen können. Vielen Studierenden ist das bewusst – und gerade deshalb fällt es ihnen schwer, sich zu beschweren.
»Viele von uns sind jung, gesund, und können ihr Studium weiterführen«, sagt Martha, 21, die in Erfurt Internationale Beziehungen studiert. Ihr käme es in Anbetracht der vielen Leute, die durch das Virus Familienmitglieder verloren haben oder aus ihrem Job entlassen wurden, respektlos vor, über ihre Situation zu klagen.
Das ändert aber wenig daran, dass die Onlinelehre für sie immer mehr zur Zumutung wird. Im dritten Onlinesemester in Folge kommt Martha die Motivation und ihre Freude am Studium immer mehr abhanden. »Als ich am Anfang dieses Semesters meinen Laptop auf dem Schreibtisch angeschaut habe, dachte ich mir: ›Boah, nee, wirklich keine Lust mehr.‹« Vor allem fehlen ihr die Diskussionen in Seminarräumen sowie der direkte Austausch mit Kommiliton:innen und Lehrenden.
Viele Studierende fühlen sich einsam und antriebslos.

Bei den Bund-Länder-Konferenzen oder
- Impfpriorisierung für Studierende: Impfungen für Studierende gegen Vorlage ihres Studierendenausweises
- Präsenzuni an einem Tag pro Woche: Nachbarland Frankreich macht es vor: Dort setzte sich Präsident Emmanuel Macron nach einem Hilferuf der Studierenden höchstpersönlich dafür ein,
- Beratungs- und Hilfsangebote ausweiten: Die Onlinelehre und das fehlende Campusleben machen vielen Studierenden schwer zu schaffen. Um Langzeitschäden vorzubeugen, ist jetzt eine Offensive für psychische Gesundheit notwendig,
Darüber hinaus werden auch kreativere Optionen diskutiert, wie Studierenden etwas zurückgegeben werden kann: ein
Dass Kinder, Jugendliche und Studierende in der Pandemie zu wenig beachtet wurden, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Umso mehr sind wir es ihnen schuldig, uns dafür einzusetzen, dass es nach der Pandemie anders läuft und die Prioritäten neu gesetzt werden. Ideen, wie das gelingen kann, gibt es genug.
Titelbild: Andriyko Podilnyk - CC0 1.0